Gevelsberg. Teils voll digital, teils auch ganz analog improvisiert geht es im Gevelsberger Autokino zu. Das Programm wird außerdem für Familien erweitert.

„Hallo, hier entlang“, ruft Julia Thomé und winkt auffällig einem Auto entgegen, das langsam auf die Einfahrt zum AVU-Parkplatz zufährt. Als eine der Verantwortlichen vom Gevelsberger Filmriss-Kino trägt sie eine gelbe Warnweste und Mundschutz. In der Hand hält sie ein Smartphone. Das Auto hält neben ihr an. „Wir hätten hier mal so’n Ticket dabei“, sagt der Fahrer durch das einen Spalt weit geöffnete Fenster. Mit seiner nasal verstellten Stimme klingt er wie Udo Lindenberg. Passend zur Sonntagsvorstellung im Autokino. Es läuft – natürlich – „Lindenberg! Mach dein Ding“. Der Spielfilm gibt Einblicke in die Jugend und den Beginn der Musikkarriere von Udo Lindenberg.

Der Mann hält sein Ticket von innen an die Seitenscheibe des Wagens. Julia Thomé scannt den QR-Code für den Film und den für die Schnuckertüte. Beides konnte vorher online gebucht werden, musste sogar online gebucht werden. Eine der Auflagen, unter denen das Autokino überhaupt stattfinden kann. „Wo bekommen wir die Schnuckertüten denn?“, fragt der Mann.

Weitere Informationen

Alle weiteren Informationen rund um die geplanten Filmvorstellungen und auch die Auflagen, die Besucher des Autokinos zu beachten haben, sind auf der Internetseite des Filmriss-Kinos zu finden unter
www.filmrisskino.de/autokino

Hier können auch Tickets und Schnuckertüten gekauft werden. Der Eintritt kostet 18 Euro zzgl. Gebühren pro Auto für maximal zwei Personen.

„Gleich da vorne“, antwortet Thomé und zeigt auf ihre Kollegin, die ein Stück weiter in der Einfahrt an einem Tisch mit mehreren großen Papiertüten steht. Mit einem einfachen Besenstiel reicht sie eine der Tüten, die mit Chips, Weingummi, Schokolade und Popcorn gefüllt sind, durch das Fenster an der Beifahrerseite.

Die nächste Station ist der große Parkplatz, auf dem das Filmriss-Team Auto für Auto einweist. Grundlegend gilt dabei: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst beziehungsweise steht weiter vorne und näher an der Leinwand. Immer wieder rufen sich die Parkanweiser zu, sprechen sich ab. Größere Autos stehen aber ohnehin und im wahrsten Sinne hinten an. Schließlich soll jeder etwas sehen können. So füllt sich der Parkplatz ab 19.30 Uhr Stück für Stück.

120 Fahrzeuge haben hier Platz, mit entsprechendem Abstand wohlgemerkt. „Wir sind erst mit 100 Plätzen gestartet“, sagt Juli Thomé. „Das war großzügig kalkuliert, jetzt sind wir bei 120.“ Die Premiere mit den „Känguru Chroniken“ am Freitag war schon im Vorfeld ausverkauft. Innerhalb eines Tages gingen die Tickets weg. Trotz des schlechten Wetters also ein Erfolg.

Konzept kommt gut an

Auch für das Konzert der Irish-Folk-Punker von „The O’Reillys and the Paddyhats“ am Samstag waren die Karten schnell vergriffen. Die Demonstration zum Tag der Arbeit am 1. Mai und der Gottesdienst am Sonntagvormittag brachten eine ähnlich gute Resonanz mit sich. Das Konzept Autokino scheint in Gevelsberg anzukommen. Liegt das daran, dass wohl die Wenigsten bisher Konzerte, Gottesdienste und sogar Demonstrationen bequem auf dem Sitz ihres Autos über ihr Radio verfolgt haben? Wahrscheinlich auch.

Das Filmriss-Kino hat sein Programm aber gleichermaßen auf die ungewöhnlichen Umstände ausgerichtet. „Wir wollen schon Filme zeigen, die ins Autokino passen“, sagt Julia Thomé. „Komödien, Popcorn-Kino oder Tarantino gehen da gut.“ Dennoch: Wo Filmriss draufsteht, bleibt auch Filmriss drin. So wären die Känguru-Chroniken auch an der Rosendahler Straße zu sehen gewesen.

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Mittlerweile sind die Reihen auf dem AVU-Parkplatz gefüllt. „Bitte stellen Sie Ihr Autoradio auf 107,2 MHz“, prangt auf der großen aufblasbaren Leinwand. Ist die Frequenz eingestellt, folgt der nächste Hinweis akustisch: „Um Ihre Autobatterie zu schonen, empfehlen wir, Ihr Radio nun auszuschalten und die Zündung erst dann wieder zu betätigen, wenn die Vorstellung beginnt.“ Gesagt, getan. Es ist 20.30 Uhr.

Eine Mitarbeiterin des Filmriss-Kinos reicht einer Besucherin ihre Schnuckertüte mit Hilfe eines Besenstiels in das Auto.
Eine Mitarbeiterin des Filmriss-Kinos reicht einer Besucherin ihre Schnuckertüte mit Hilfe eines Besenstiels in das Auto. © WP | Max Kölsch

Der Film startet in einer halben Stunde. Bis dahin kontrollieren die Kinomitarbeiter, dass niemand sich unnötig außerhalb seines Autos aufhält – Toilettenbesuche selbstverständlich ausgenommen. Auf dem Weg dahin aber bitte Mundschutz auf.

Nach Möglichkeit sollte sowieso jeder vor dem Film noch einmal zu Hause auf Toilette gehen. Ohne Auflagen geht in Corona-Zeiten eben nichts. Ungewöhnlicher wirkt da, dass Front- und Rückscheinwerfer mancher Autos mit dunklen Tüchern abgehangen werden.

Sie scheinen beim einen oder anderen automatisch anzugehen, sobald der Fahrer die Zündung betätigt, um auch sein Radio einzuschalten. In der Dämmerung stört das ungemein. In einem normalen Kinosaal ist es ja auch zappenduster.

Positive Nebeneffekte

Der Filmgenuss auf vier Rädern bringt aber auch positive Nebeneffekte mit sich. Im geschlossenen Auto stört es niemanden, wenn Zuschauer und Begleitung sich lautstark unterhalten. Die raschelnde Popcorntüte und die knisternde Chipsverpackung schmälern das Kinoerlebnis der Mitmenschen auch nicht.

Das eigene Kinoerlebnis könnte lediglich dadurch gestört werden, dass sich das Autoradio mit Verweis auf den Schutz der Batterie regelmäßig selbst ausschaltet. Immer wieder ist während der Vorstellung also das Geräusch einer Autozündung zu hören, um das Radio wieder zu starten. Angst haben muss trotzdem keiner. Für den Fall, dass eine Batterie am Ende des Films tatsächlich den Geist aufgibt, ist vorgesorgt. Ein Autohaus-Serviceteam steht bereit.

Schon während der Einfahrt zum Autokino bleiben so gut wie keine Fragen offen. Hinweisschilder hängen an allen Ecken.
Schon während der Einfahrt zum Autokino bleiben so gut wie keine Fragen offen. Hinweisschilder hängen an allen Ecken. © WP | Max Kölsch

Gegen 23 Uhr ist der Film vorbei und die Autos fahren der Reihe nach und relativ geordnet vom Parkplatz. Für diejenigen, die die Frequenz noch eingestellt haben, singt Udo Lindenberg dabei: „Ich war noch jung und lag die Nächte wach, und in meinem Kopf ganz großes Kino.“ Es ist der Titelsong des Films, der über den Abspann läuft.