Ennepe-Ruhr. Immer weniger Leute treiben in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal Sport unter Vereinswappen. Fitness auf dem Vormarsch. Pläne der TG Rote Erde.

Sind die Menschen aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis unsportlicher geworden?

Das könnte man vermuten, wenn man den Organisationsgrad der Menschen in Vereinen aus dem Jahr 2019 mit dem aus dem Jahr 2010 vergleicht. Der Organisationsgrad beschreibt den prozentualen Anteil der Bevölkerung, die in einem Sportverein angemeldet ist. Im Jahr 2010 betrug der Organisationsgrad in Ennepetal noch 37 Prozent, die neusten Zahlen von 2019 weisen jedoch nur noch einen Wert von 31 Prozent aus. In Schwelm lag die Zahl 2010 schon nur bei 22 Prozent. Sie ist 2019 um ein weiteres Prozent gefallen. Die Annahme liegt also nahe, dass sich weniger Menschen sportlich betätigen.

Nadine Gemballa, Sportentwicklerin bei der Turngemeinde „Zur Roten Erde“ in Schwelm, ist jedoch überzeugt, dass die Statistiken nicht aufzeigen, wie sportlich die Einwohner einer Stadt sind. Auch Philipp Topp, Geschäftsführer des Kreissportbunds Ennepe-Ruhr (KSB), stimmt der Behauptung, die Menschen seien unsportlicher geworden, so nicht zu. Es gibt aus Sucht der beiden verschiedene Gründe für die sinkenden Mitgliederzahlen – wie beispielsweise immer mehr Angebote, die keine Vereinsmitgliedschaft voraussetzen. Dazu gehört auch das Programm „Sport im Park“ in Ennepetal. Zusätzlich bieten Vereine Kurse an, bei denen die Sportler nicht Mitglied sein müssen, sondern nur einen Beitrag zahlen.

Fitnessstudios

Auch kommerzielle Sportangebote, wie Fitnessstudios, müssen bei diesen Zahlen berücksichtigt werden. Vor fünf Jahren gab es noch deutlich weniger Fitnessstudios im Kreisgebiet. Wenn potenzielle Vereinsmitglieder ihre Mitgliedschaft kündigen und nun ein Fitnessstudio besuchen, fallen sie aus der Auflistung heraus, auch wenn sie noch genau so viel Sport treiben oder gar mehr wie zu Zeiten ihrer Vereinsmitgliedschaft.

Man kann also nicht allein aufgrund des Organisationsgrades festmachen, ob eine Stadt sportlich ist oder nicht. Die Frage ist eher, warum die Vereinszahlen so zurückgehen und was die Vereine tun, um Mitglieder zu werben. „ Das Sportverständnis hat sich verändert. Früher waren Sportler sehr wettkampforientiert unterwegs, heute ist das nicht mehr so stark der Fall“, sagt Philipp Topp. „Die Menschen möchten flexibel und ungebunden Sport treiben“, erläutert er weiter. „Auch Crossfit ist im Moment sehr im Hype“, erzählt der KSB-Chef.

Einer der mitgliederstärksten Vereine des Südkreises ist die Turngemeinde „Zur Roten Erde Schwelm“. Er seit kurzer Zeit Zehnerkarten im Angebot, mit denen man unangemeldet an den meisten des Breitensportangeboten teilnehmen kann. Damit haben die Inhaber die Möglichkeit, sich ohne Verpflichtung flexibel bei der Roten Erde fit zu halten.

Nich zuletzt durch die vielen unverbindlichen Schnupperangebote will die Rote Erde neue Mitglieder werben. Die Sportentwicklerin des Vereins, Nadine Gemballa, berichtet, dass zwei der Gründe für den sinkenden Organisationsgrad in Schwelm die Infrastruktur und das Haushaltssicherungskonzept sind. Sie erklärt aber auch, dass beispielsweise Fitnessstudios nicht in die Statistik einfließen. Fitness hat Fußball als mitgliederstärkste Sportart abgelöst, darunter haben die Vereinsmitgliedszahlen gelitten.

Infrastruktur

Zur schlechten Infrastruktur sagt Gemballa, dass der Verein in jeder Sportstätte Schwelms mit Angeboten vertreten ist. „Besonders die Sahnezeiten am Abend sind völlig ausgebucht“, sagt die Sportentwicklerin. Für neue Angebote müssten teilweise Trainingszeiten von kleineren Gruppen gekürzt werden. Aufgrund dieser Problematik will der Verein in Zukunft auch Kurse in Räumen eines Seniorenheims oder in der Natur anbieten. Das Projekt Sport im Park steht dazu beispielsweise in den Startlöchern. Die „Rote Erde“ sucht noch Unterstützung in den Abteilungen Turnen, Volleyball und Handball und einen Wander-Guide. Auch über Sporthelfer, also Eltern oder Schüler, die den Übungsleitern zur Hand gehen, freut sich der Verein sehr.

Das Projekt „Moderne Sportstätten 2022“ verspricht finanzielle Unterstützungen für Sportanlagen. „Leider können die Fördergelder nur für die Modernisierung und Sanierung von Sportstätten, die sich in Vereinseigentum befinden, gepachtet oder langfristig gemietet sind, beantragt werden“, sagt Nadine Gemballa. Es gibt allerdings eine Möglichkeit, die Unterstützung doch annehmen zu können. Dazu erklärt die Sportentwicklerin: „Es gibt auch Fördermittel für eine so genannte Umwidmung, wenn der Verein zum Beispiel eine leerstehende Lagerhalle besitzen würde und diese zu einer Sporthalle umwidmen würde. Wenn also jemand ein Grundstück hat, das sich für eine Beachanlage eigenen würde, darf er sich gern melden.“