Schwelm. Im Zeichen der Corona-Krise ist das Gewerbesteueraufkommen in Schwelm um 50 Prozent eingebrochen. Der Stadt fehlen mindestens 11 Millionen Euro.

„Wie schütze ich die Bürger vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus?“ Dieses Frage wird aktuell immer häufiger durch ein weiteres Corona-Thema in den Hintergrund gedrängt. Wenn übers Geld geredet wird, geht es nicht nur für Schwelm ums Eingemachte. In der Sitzung des Rats der Stadt waren am Donnerstagabend die städtischen Finanzen Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen. Kämmerin Marion Mollenkott blickte in sorgenvolle Gesichter, als sie die ersten aktuellen Zahlen nannte. An denen ist zu erahnen, wie groß das Loch im Haushalt der Stadt Schwelm einmal sein wird.

Abwärtstrend noch nicht am Ende

Marion Mollenkott redete von einer Verschlechterung im Gewerbesteuer-Aufkommen von nahezu elf Millionen Euro. „Innerhalb eines Monats hat sich hier der Haushaltsansatz praktisch halbiert“, ließ sie die Politik wissen. Die Firmen ließen vielfach die Vorauszahlungen für 2020 auf Null setzen und stellten für die Vorjahresabrechnungen Stundungsanträge. Aktuell hat das Rathaus etwa 30 Stundungen (beispielsweise Kosmetikstudio, Boutique, Reisebüro) zinslos bewilligt. „Wir kommen damit den Unternehmen in dieser schwierigen Zeit entgegen“, sagt Marion Mollenkott.

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Doch die erste aktuelle Situationsbeschreibung über die negative Entwicklung der Einnahmenseite der Stadt Schwelm am Donnerstag ist nur der Einstieg in ein Schreckensszenario. Politik und Bürger müssen sich in den kommenden Monaten noch auf weitere schlechte Nachrichten einrichten. „Leider sind wir bei der Gewerbesteuer im Abwärtstrend noch nicht am Ende angelangt“, sagt die Frau der Zahlen im Rathaus. Auch bei einer Vielzahl weiterer Positionen werde man mit Verschlechterungen rechnen müssen, seien es Vergnügungssteuerbeträge, Überstunden im Personalbereich und so weiter. „Wir können die Summen zurzeit noch nicht greifen, täglich ergeben sich neue Erfordernisse“, sagt die Kämmerin.

Durch die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie rutschen deutschlandweit die Kommunen tief in die roten Zahlen, wenn Bund und Land nicht mit einem Rettungsschirm gegensteuern. „Insgesamt handelt es sich dabei aber definitiv um Größenordnungen, die wir in dieser Höhe nicht mehr alleine über Haushaltsnachträge oder Haushaltssperren werden stemmen können“, sagt Marion Mollenkott.

Erst positive Signale an die Städte gibt es bereits. Die Kämmerin: „Seitens der Landesregierung ist uns eine Bilanzierungshilfe angekündigt, ferner ein kommunaler Rettungsschirm für Kommunen und besondere Hilfen für Stärkungspaktgemeinden in Aussicht gestellt. Frau Ministerin Scharrenbach hat in einer Telefonkonferenz mit den Bürgermeistern in NRW in dieser Woche zur weiteren Ausgestaltung noch um Geduld gebeten. Am Mittwoch ist ja auch auf Bundesebene über die Hilfe für Kommunen beraten worden.“

Der Haushalt der Stadt Schwelm sah ursprünglich Ausgaben von etwa 88 Millionen Euro vor, die durch Einnahmen in ähnlicher Höhe gedeckt waren.

Keine Änderung der Neuen Mitte

Auf der Tagesordnung des Rates der Stadt stand auch die Petition von Dr. Robert Seckelmann zur Neuen Mitte Schwelm. Der ehemalige Professor hatte vorgeschlagen, die Planungen auf Null zu setzen und Rat- sowie Kulturhaus eine Stufe kleiner und unter einem Dach zu bauen (wir berichteten). Nach Aussprache entschied sich die Politik mehrheitlich, den Anregungen des ehemaligen Professors für Mathematik nicht zu folgen. Damit werden die aktuellen Planungen weiter geführt. Sie sehen vor, das Kulturhaus an der Römerstraße zu bauen und das Rathaus samt Gewerbeflächenanteil auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei zu verwirklichen.

Rat der Stadt erhöht Rahmen für Liquiditätskredite auf 75 Millionen

Sitzungen der Politik in Zeiten von Corona sind eher die Ausnahme als die Regel. Es gilt ja ein Versammlungsverbot. Deshalb hat die Stadt Schwelm auch alle Ausschusssitzungen während der vergangenen Wochen ausgesetzt.

Auf diesem Bild aus Dezember 2019 war die Finanzwelt für Kämmerin Marion Mollenkott und Beigeordneten Ralf Schweinsberg noch in Ordnung. Corona hat die Finanzplanung der Stadt durcheinandergewirbelt.
Auf diesem Bild aus Dezember 2019 war die Finanzwelt für Kämmerin Marion Mollenkott und Beigeordneten Ralf Schweinsberg noch in Ordnung. Corona hat die Finanzplanung der Stadt durcheinandergewirbelt. © WP | Bernd Richter

Beim Rat der Stadt am Donnerstag war das anders. Es gab einen zwingenden Grund, der keinen Aufschub duldete. Natürlich ging es ums Geld. Es stand der erste Nachtrag zur Haushaltssatzung 2020 mit Anlagen zum Beschluss an. In diesem Zusammenhang beschloss der Rat auch gleichzeitig die Erhöhung der Grenze für die Liquiditätskredite von 64 auf 75 Millionen Euro. Damit will die Stadt ihre Handlungsfähigkeit sichern. „Wir wissen alle nicht, was noch kommen wird“, sagt Kämmerin Marion Mollenkott im Gespräch mit der Redaktion. Aktuell hat die Stadt Kredite in Höhe von von 53,3 Millionen Euro aufgenommen.

Schlechte Nachrichten für den Haushalt, gute Nachrichten für die Eltern in Anbetracht der Umstände, die die Schließung von Kitas und OGS ihnen gebracht haben. „Die Beiträge für April müssen nicht gezahlt werden, für Mai muss die Entwicklung abgewartet werden und für die Rückerstattung der Beiträge im März stehen wir in Verhandlungen mit der Aufsicht“, sagt Marion Mollenkott. Die Stadt muss die Wächterin über den städtischen Haushalt davon überzeugen, dass auch diese Zeit den Eltern nicht in Rechnung gestellt wird. Zurzeit neige man dort noch dazu, die Beiträge einzufordern, so Mollenkott.

Sondernutzung: Gebühr ausgesetzt

Auf ein Entgegenkommen der Stadt bei der Sondernutzung öffentlicher Verkehrsflächen können ebenfalls Gewerbetreibende rechnen. Erst einmal für die Dauer von drei Monaten wird ihnen die Gebühr von ungefähr 18.000 Euro in Summe erlassen.