Schwelm. Alle Lehrkräfte der städtischen Musikschule Schwelm und fast 90 Prozent der Schüler machen beim Online-Unterricht mit. So funktioniert es.
Alle Schulen sind (noch) geschlossen und auch die Musikschulen sind von Schließungen betroffen, aber an der Städtischen Musikschule Schwelm läuft der Unterricht weiter.
Dreizehn der Dozenten dort sind Honorarkräfte. Nur acht Lehrkräfte sind fest angestellt, keine von ihnen, mit Ausnahme der Leiterin, ist vollbeschäftigt. Den Honorarkräften brachen mit der Schulschließung am 16. März sofort alle Einkünfte weg, viele von ihnen unterrichten an mehreren Schulen und spielen außerdem in Instrumental-Ensembles, die nun keine Auftrittsmöglichkeiten mehr haben. „Einige unserer Honorarkräfte waren auf einen Schlag mittellos“, berichtet Gabriele Weidner, die Leiterin der Musikschule.
100 Gitarrenschüler im Video-Chat
Die Lehrer wurden sofort tätig. In der ersten Woche der Schulschließung testeten sie die digitalen Möglichkeiten, es wurde beraten und dann entschieden, den Instrumentalunterricht online anzubieten. Gabriele Weidner ist begeistert vom Engagement ihres Teams: „Alle Lehrkräfte sind mit der Situation kreativ umgegangen, alle haben sich etwas für ihre Schüler überlegt. Nicht jeder von uns ist technisch versiert, aber wir haben über YouTube, WhatsApp und andere Plattformen Möglichkeiten für unseren Unterricht gefunden“, berichtet sie. „Die Eltern haben ihr Einverständnis dafür gegeben.“
Technisch gut drauf ist der Gitarrenlehrer Detlef Wiedenhaupt. Er unterrichtet seine über 100 Gitarren-Schüler in Video-Chats in kleinen Gruppen. Sogar mit seinen drei Bands führt er kleine Proben online durch. „Da haben alle immer viel Spaß dran“, weiß Gabriele Weidner. „Gut 90 Prozent der Schüler unserer Städtischen Musikschule nehmen teil“, berichtet die Leiterin. „Die Kinder haben sich gefreut und sind super dankbar.“ Nur ganz wenige, wie diejenigen, die kurz vor dem Abitur stehen, machen nicht mit. „Und eine Schülerin hat gesagt, sie findet Video doof“, so Weidner, „der größte Teil ist begeistert.“
Der Klavierunterricht bei Kaung-Ae Lee läuft beinahe wie immer: Vorspiel, Korrektur, Erklärungen, Vorspiel laufen allerdings digital über Mobiltelefone. Alina Mulkidzhanyan unterrichtet ihre Klavierschüler indem sie Videos mit ihnen austauscht.
Gabriele Weidner, die sonst Blockflötenunterricht in kleinen Gruppen gibt, hat sich für WhatsApp entschieden und erteilt nun online Einzelunterricht. „Ein Video-Chat zu viert klappt nicht so gut und durch digitale Verzögerungen leidet das Zusammenspiel.“ Dass das Unterrichten nun deutlich länger dauert und auch noch mehr Konzentration erfordert, berichten alle Lehrer.
Mehr Zeit fordert auch die Vorbereitung, weil Schüler und Eltern mit Noten und Informationen per Mail versorgt werden müssen. Auch Eltern können in dieser Zeit einiges dazulernen: So bietet Natalie Bolinski den Youtube-Kurs „Wie stimme ich eine Geige?“ an.
Geigenlehrerin Anna Pomerantseva wählte einen anderen Weg: Sie traf sich mit den Eltern ihrer Schüler auf einem großen Parkplatz und veranstaltete dort eine Art „Drive in“, um alle Geigen selbst zu stimmen.
Von Schülern und Eltern bekommen Gabriele Weidner und ihre Mitarbeiter viele positive Rückmeldungen und nette Mails. „Sie haben unsere Kinder aus der Langeweile geholt“, schrieb eine Mutter. „Noch nie haben unsere Schüler so viel geübt, die sind jetzt richtig gut“, berichten die Dozenten übereinstimmend. Offenbar haben die Kinder jetzt viel Zeit zum Üben und tun genau das, was für das Erlernen eines Instruments besonders wichtig ist.
Auch die Kommunikation unter den Musikschülern läuft gut. Bei vielen ist das Zusammengehörigkeitsgefühl größer geworden. „Meine Blockflöten-Damen im Alter von Mitte 50 bis Mitte 80 Jahren chatten, tauschen Noten aus und üben gerne auch abends noch weiter“, freut sich Gabriele Weidner.
Sogar eine Neuanmeldung
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Der Unterricht wurde sogar in den Ferien fortgesetzt. Zumindest in einer der beiden Osterferienwochen boten die Dozenten der Musikschule den Instrumentalunterricht an, und auf freiwilliger Basis nahmen die meisten Schüler teil. Die Stadt Schwelm hat sich bereit erklärt, den Honorarkräften diese zusätzliche Woche zu bezahlen. „Wichtig ist es, am Ball zu bleiben und alle bei Laune zu halten“ sagt Gabriele Weidner und berichtet, dass die Musikschule in dieser online-Zeit sogar eine Neu-Anmeldung für den Gitarrenunterricht verzeichnen konnte.