Ennepetal. Corona bestimmt unser Leben. Bianca Herberg aus Ennepetal schildert, wie sich ihr Leben und ihre Haltung zum Leben verändert hat.
Schließungen hier, Beschränkungen dort und allerlei Verbote: Corona bestimmt unser Leben, und für viele ist das mit einem mulmigen Gefühl, mit großen Sorgen und tiefen Ängsten verbunden. Dass sich aus der ungewissen Situation auch neue, positive Perspektiven entwickeln, zeigt das Beispiel von Bianca Herberg, die schon in unserer Osterausgabe kurz erwähnt wurde. Sie hat für uns mal ausführlich geschildert, wie sich ihr Leben und ihre Haltung zum Leben in den letzten Wochen verändert hat.
„Wie sehr einen eine Situation doch binnen kürzester Zeit verändert“, berichtet Bianca Herberg, die das Leben auf der Überholspur kennt. Aktiv und engagiert als 1. Vorsitzende vom Verein Voerderleben und als Privatkundenberaterin bei der Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld. „Noch vor wenigen Wochen wurde jeder herzlich gedrückt, jeder Kunde bekam ein festes, verbindliches Händeschütteln, Distanz war überhaupt kein Thema... Insbesondere nicht bei mir, ich bin ein haptischer Mensch und brauche Nähe.“
„Wie verrückt“, denkt sie sich heute. „Inzwischen ertappe ich mich selbst dabei, wie ich, sobald mir jemand gefühlt zu nahe kommt, instinktiv zurückweiche. In Supermärkten mache ich inzwischen einen großen Bogen um andere, ich quetsche mich nicht an Leuten und Einkaufswagen vorbei, um ein Regal zu erreichen, ich stehe abseits, ich warte, ich lächle höflich und habe Geduld.“ Geduld? Das war nie ihre Stärke. Wenn im Drogerie-Discounter mal die Kasse nicht besetzt war, war Bianca Herberg die erste, die auf die Klingel drückte, wie sie erzählt.
Bewusstes Wahrnehmen
Dies hat sich in Corona-Zeiten völlig geändert. „Heute stehe ich draußen vor einer Bäckerei, drinnen hüpft ein Kunde vor der Theke rum, und ich denke, hm, wenn ich da auch noch rein gehe, ist es echt voll. Also warte ich und das Warten macht mir nix aus.“
Bianca Herberg entdeckt ganz neue Seiten an sich: „Wahnsinn. Das, was vor vier Wochen noch meine große Unart war, ist plötzlich meine neue Stärke.“ Und noch mehr: „Ich stehe jetzt vor der Bäckerei und genieße jeden tiefen, in dem Moment unfassbar bewussten Atemzug der frischen, klaren Frühlingsluft und jeden Sonnenstrahl.“
Apropos Sonne: „Auch die, so empfinde ich es, scheint momentan irgendwie anders“ Ihr sei klar, dass das „völliger Kokolores“ ist. „Aber mir kommt es so vor“. Bianca Herberg weiß auch warum: „Ich habe die Frühlingssonne schlicht und ergreifend schon ewig nicht mehr so bewusst wahrgenommen.“ Ja klar, auch vor Corona habe sie die Sonne wahrgenommen. Irgendwie. „Da hat man sie bemerkt und war gedanklich schon wieder ganz woanders“. Im stressigen Arbeitsalltag, beim Wochenendeinkauf, bei den Vorbereitungen zu Partys und eigenen Feten. Nicht so in diesem Jahr. Nicht so bei all den Einschränkungen und Umständen wegen Corona. „Ich werde zwangsentschleunigt und das tut mir gut und ich genieße es“
„Neulich haben wir uns von unserem Lieblingsitaliener ,Noi’ etwas gegönnt, auch um heimische Unternehmen zu unterstützen.“ Sie erinnert sich an ein herrliches mehrgängiges Abendessen mit einer guten Flasche Wein, zwei Espressi aus der eigenen Kaffeemaschine und vor allem: an vier Stunden Quatschen am Esstisch. „Der Fernseher blieb bewusst aus, die Handys auch. Wir brauchten dringend Corona-Detox, denn irgendwie ist man gesättigt oder sogar übersättigt. Und so haben wir geredet, geredet, geredet, sind von Hölzchen auf Stöckchen gekommen, haben laut gelacht und waren einfach irgendwie unbeschwert“.
Neue Stärke entdeckt
Es sind unbeschwerte Momente in Zeiten wie diesen. „Sollte uns die Situation nicht eigentlich eher beängstigen?“, fragt sich Bianca Herberg und gesteht offen: „Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Natürlich haben wir Ängste...“ Ihr Mann sei selbstständig und blicke wie viele andere Unternehmer in eine ungewisse Zukunft, das Paar hat vor kurzem neu gebaut, die Raten laufen weiter... „Es ist auch für uns gerade sicherlich nicht einfach“, sagt Bianca Herberg. „Und doch wird es irgendwie weiter gehen. Irgendwie werden wir auch das überstehen“
Bianca Herberg hat nach all den kleinen und großen Veränderungen in ihrem Leben für sich eine neue Sicht, eine neue Stärke entdeckt. Es klingt wie eine Botschaft: „Ja, so ein Scheiß-Virus kann uns den Urlaub nehmen und unseren geliebten Osterbrunch mit Freunden versauen. Es kann aber nicht unseren Optimismus, unsere Zuversicht und unsere Hoffnung nehmen, dass alles nicht nur gut wird, sondern auf wunderbare Weise sogar besser.“
Sie meine das nicht in puncto Wirtschaft oder Finanzen. Sie meint es, was das Miteinander, die Menschlichkeit und was längst vergessene Werte angeht. Bianca Herberg wünscht sich: „Der ,Spirit’ der Krise, dieses permanente Zusammenrücken, das aufeinander Acht geben, das bitte, das soll bleiben.“
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