Ennepe-Ruhr. Auf kleine Wildtiere lauern Gefahren – unter anderem der Mensch. Die Biologische Station im Ennepe-Ruhr-Kreis erklärt das richtige Verhalten.
Jetzt ist die Zeit, in der die meisten Wildtiere ihre ersten Jungen zur Welt bringen. Auf die Kleinen lauern aber viele Gefahren. Eine davon ist leider der Mensch. Oft aus Unkenntnis oder falsch verstandener Tierliebe.
So werden im Frühjahr immer wieder junge und vermeintlich hilflose Hasen, Rehkitze oder Vögel von Menschen aufgenommen und in die Tierarztpraxen oder die Biologische Station gebracht. Abgesehen davon, dass schon menschlicher Kontakt und Transport einen enormen Stress für jedes Wildtier bedeuten: kein Mensch kann ein Wildtierjunges so gut versorgen und ihm beibringen, was es zum Überleben braucht, wie die tierischen Eltern. Denn selbst wenn wir, oder die Tierärzte, es mit viel Aufwand in die erfahrenen Hände ehrenamtlicher Pfleger vermitteln können, ein Wildtier von Hand aufzuziehen ist leider allzu oft nicht erfolgreich.
Entnahme gesetzlich verboten
Daher ist es auch aus gutem Grund gesetzlich verboten, Wildtiere aus der Natur zu entnehmen. Einzige Ausnahme: wenn unmittelbare Lebensgefahr für das Tier besteht und es nur durch menschliche Hilfe überleben kann. Deshalb mein ganz dringender Appell: bitte lassen Sie unverletzte Wildtiere in Wald und Flur, auch wenn sie Ihnen hilflos und verlassen erscheinen.
Junghasen und Rehkitze werden von der Mutter abgelegt und die meiste Zeit alleine gelassen. Die Mutter kommt nur ein bis zweimal am Tag vorbei, um das Jungtier zu säugen. Das ist vollkommen normal und hat sich bewährt. Die Jungen sind noch zu klein, um der Mutter zu folgen. Wäre sie die ganze Zeit bei dem Jungen, würden hungrige Räuber viel eher darauf aufmerksam, als wenn es irgendwo alleine in der Wiese liegt.
Niemals anfassen
Dass die Jungtiere bei Annäherung nicht weglaufen, ist auch ganz normal und bedeutet nicht, dass sie menschliche Hilfe brauchen. Da sie vor einem Fressfeind nicht schnell genug weglaufen können, vertrauen sie auf ihre Tarnung und bleiben bewegungslos. Wichtig: fassen Sie Säugetierjunge nicht an, denn dann werden sie von der Mutter nicht mehr angenommen.
Auch viele Jungvögel verlassen das Nest frühzeitig und sitzen bettelnd am Boden oder in einem Strauch. Sie werden in der Regel aber weiterhin von den Eltern gefüttert. Diese trauen sich allerdings oft deshalb nicht an ihr Junges heran, weil ein Mensch es aus der Nähe beobachtet. Daher bitte großen Abstand halten. Gegebenenfalls können Sie den Jungvogel vor Katzen in Sicherheit bringen und auf einen Ast in unmittelbarer Nähe setzen. Sollte ein Jungvogel wirklich aus dem Nest gefallen sein, können Sie ihn auch wieder hineinsetzen.
Wissenswertes zum Umgang mit Jungvögeln sowie die Broschüre „Aus dem Nest gefallen – was tun mit Jungvögeln?“ finden Sie auf der Internetseite des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (www.lanuv.nrw.de). Sollten Sie wirklich einmal ein verletztes Wildtier finden, helfen Ihnen vielleicht die Informationen auf unserer Internetseite weiter (www.biologische-station.de unter ‚Weitere Informationen‘).
Leichte Beute
Natürlich sind auch unverletzte Jungtiere leichte Beute und willkommene Nahrung für tierische Räuber. Auch ein Fuchs oder ein Greifvogel will seinen Nachwuchs großziehen. Es mag uns Menschen sehr grausam vorkommen, aber die Natur hat bei vielen Arten hohe Verluste „eingeplant“. Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Von jedem Meisen-Pärchen im Garten und überall sonst, würden in einem Jahr alle Jungen überleben. Ein Meisen-Paar kann in guten Jahren bis zu dreimal brüten und dann insgesamt so um die fünfzehn Jungen großziehen.
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Wenn es drei Jahre lebt und brütet, wären das also 45 Nachkommen pro Meisen-Paar. Wenn die Nachkommen alle überleben und ihrerseits wieder mit einem Partner brüten und von jedem Paar dann wieder 45 Nachkommen überleben…dann sehen Sie bald Ihren eigenen Garten vor lauter Meisen nicht mehr.
Gut, hier wird vermutlich bald die Anzahl der Nistmöglichkeiten dem Ganzen ein Ende setzen, aber vielleicht sehen Sie, worauf ich hinaus will. Letztlich muss, um den Bestand stabil zu halten, jedes tierische Elternpaar in seinem Leben nur zwei Junge erfolgreich großziehen, die ihrerseits wieder zwei Junge großziehen.
Verstecke anbieten
Damit will ich natürlich nicht sagen, dass man nichts für die Wildtiere tun soll, im Gegenteil. Versteck- und Nistmöglichkeiten anbieten, sein Grundstück so einrichten, dass heimische Tiere dort Nahrung und einen Lebensraum finden, ist wunderbar. Auch Tieren, die wirklich in Not sind, helfen. Aber bitte keine unverletzten Jungtiere den tierischen Eltern entreißen. In diesem Fall ist weniger deutlich mehr. Die Tiere werden es Ihnen danken. Und ich danke Ihnen auch.
Ihre Britta Kunz