Ennepetal. Durch verschiedene Filter- und Auffangmaßnahmen will die Ennepetaler Firma biw verhindern, dass noch einmal mit PCB-belastete Flocken austreten.
Bis Ende des Monats will die Firma biw erreichen, dass ein erneuter Ausstoß von stark mit PCB belasteten Flocken ausgeschlossen ist. Das hatte der Anwalt des Unternehmens, Michael Hoppenberg, in der Bürgerversammlung am Freitag im Haus Ennepetal angekündigt (wir berichteten).
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Erreicht werden soll dies konkret durch eine Kombination verschiedener Filter- und Auffangmaßnahmen. Darüber hinaus will biw den chlorhaltigen Vernetzer, durch dessen Einsatz die drei verschiedenen PCB entstehen, schrittweise bis zum Jahresende durch ein chlorfreies Produkt ersetzen. „Wir werden der erste Betrieb unserer Branche sein, der PCB-frei produziert“, sagte Firmenchef Ralf Stoffels.
Im Umweltministerium vorgestellt
Das Konzept hatte biw in einem gemeinsam mit Vertretern des Ennepe-Ruhr-Kreises geführten Gespräch im NRW-Umweltministerium dargelegt. Konkret sehen die Filtermaßnahmen bei der Silikonproduktion den Ausführungen von Michael Hoppenberg zufolge so aus: Durch den Einsatz von so genannten Kamin-Nasswäschern sowie Kühlern mit Plattenabscheidern sollen die weißen Flocken aufgefangen werden.
Zur Vermeidung von Verwehungen bei Reinigungsarbeiten, die in kurzen Zyklen regelmäßig ausgeführt werden, will biw zusätzlich Partikel-Wände auf dem Unternehmensdach installieren. „Wir sind sicher, dass Ende Februar damit ein Flockenflug ausgeschlossen ist“, sagte Hoppenberg zu den Maßnahmen. Auch Abplatzungen aus dem Kamin könnten so nicht mehr in die Umgebung gelangen.
Unabhängig von den Flocken zu betrachten ist der gasförmige PCB-Eintrag in die Luft. „Es gibt dafür keine Grenzwerte“, sagte Michael Hoppenberg. „Aber das Unternehmen will sich nicht auf diese Freiheit berufen.“ Daher habe man die Absicht, den chlorhaltigen Vernetzer für die Silikonproduktion durch einen chlorfreien zu ersetzen, so Hoppenberg.
Die Beschaffung sei aber nicht einfach auf dem Weltmarkt möglich. Man habe mit einem Lieferanten gemeinsam einen chlorfreien Vernetzer entwickelt, den man nun sukzessive einführen werde.
Mindestens 25 Prozent der Produktion sollen ab sofort auf den chlorfreien Vernetzer, bei dem laut biw weder PCB noch weiße Flocken entstehen können, umgestellt werden. Eingesetzt werde dieser bei allen Neuprojekten sowie bei den Produkten für allen Kunden, bei denen keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen oder Spezifikationen bestehen.
Bis zur Jahresmitte will biw weitere 25 Prozent der Produktion auf den chlorfreien Vernetzer umstellen. Dann soll außerdem eine Großserien-Abluftreinigungstechnik zum Einsatz kommen, die den Unternehmensangaben zufolge in den vergangenen Wochen erfolgreich im kleinen Maßstab entwickelt und getestet worden sei. Dadurch würden die PCB-Luftmission um weitere 30 Prozent reduziert, so Hoppenberg. Insgesamt würden die Emissionen bereits ab Juli um 80 Prozent geringer sein als bisher.
Zum Jahresende will biw dann hundertprozentig PCB-frei produzieren. Schneller könne man dies nicht erreichen, weil die Abstimmungsprozesse insbesondere mit Kunden aus der Automobilindustrie so aufwendig seien, sagte Michael Hoppenberg, der betonte, dass biw bereit sei, über all diese Maßnahmen einen verbindlichen Vertrag einzugehen.
Verbot des Vernetzers weiter im Raum
Auf Seiten des Ennepe-Ruhr-Kreises wurden die Vorschläge zurückhaltend aufgenommen. André Unland von der Anwaltskanzlei Baumeister, die den EN-Kreis vertritt, sagte in der Bürgerversammlung, dass man sich mit den übergeordneten Behörden einig sei, dass es zu keinem Flockenaustritt mehr kommen dürfe. Grundsätzlich stünde alles unter dem Vorbehalt, dass keine Befunde auftreten, die weitere Maßnahmen erforderlich machen würden. „Das ist unsere rote Linie.“ Insofern steht das angedrohte Verbot des chlorhaltigen Vernetzers weiter im Raum. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Produktionsstopp für das Unternehmen.
Human-Bio-Monitoring: Blut wird untersucht
In der Bürgerversammlung hatten die Vertreter des Ennepe-Ruhr-Kreises und des Landesamts für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) angekündigt, dass man im Rahmen eines Human-Bio-Monitorings (HBM) Blutuntersuchungen durchführen werde. Insbesondere Kinder und Frauen im gebärfähigen Alter sollen dabei im Fokus stehen. Ergebnisse seien erst im vierten Quartal 2020 zu erwarten.
biw-Anwalt Michael Hoppenberg teilte mit, dass bereits das Blut von 44 Mitarbeitern sowie fünf Anwohnern durch die RWTH Aachen untersucht worden seien. Es seien keine Grenzwert überschritten worden, bei den betreffenden Anwohnern habe man nicht einmal das durch biw freigesetzte PCB 47 nachgewiesen.
Den Vertretern der Bürgerinitiative „PCB-Skandal Ennepetal“ reichten die vorgestellten Maßnahmen nicht. „Ich bin entsetzt, dass wir fast ein weiteres Jahr lang PCB ausgesetzt werden“, sagte Juliane Meyer, die im betroffenen Gebiet lebt. Die große Sorge um die Gesundheit ihrer Familie werde von biw weiter in Kauf genommen. Zur Sorge der Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze sagte sie: „Mit Arbeitsplätzen spielt nur derjenige, der die Umstellung nicht rechtzeitig geschafft hat.“
Wolfgang Flender, Abteilungsleiter Umwelt bei der Kreisverwaltung, betonte, dass die Entwicklungen rund um das Thema PCB deutlich machen würden, dass der Ennepe-Ruhr-Kreis hier eine Pilotfunktion habe.
Es gibt erste Bestrebungen, gesetzliche Regelungen für die PCB-Emissionen, die bei der Silikonproduktion entstehen, zu treffen.