Ennepetal. Das Ennepetaler Unternehmen biw hat in einer Bürgerversammlung angekündigt, bis Ende Februar den Ausstoß PCB-belasteter Flocken auszuschließen.
Die Firma biw will durch Filtermaßnahmen erreichen, dass schon ab Ende Februar der Ausstoß PCB-haltiger Flocken ausgeschlossen ist. Das kündigte Michael Hoppenberg, Anwalt des Unternehmens, in der gestrigen Bürgerversammlung im Haus Ennepetal an. Zudem sollen bis zum Jahresende auch die Emissionen in die Luft hinein durch Umstellung auf einen chlorfreien Vernetzer in der Produktion vollständig vermieden werden. Von Seiten des Ennepe-Ruhr-Kreises wurden die Ankündigungen zurückhaltend zur Kenntnis genommen. Man werde sich das Konzept noch detaillierter darlegen lassen und prüfen, hieß es. Vertreter der Bürgerinitiative „PCB-Skandal in Ennepetal“ erneuerten in der weitgehend sachlich geführten Diskussion ihre Forderung nach sofortigem Stopp von PCB-Emissionen.
Weit mehr als 800 Interessierte waren zu der Versammlung gekommen. Auch im Foyer konnte die Diskussion angesichts des großen Andrangs auf einer Videoleinwand verfolgt werden. Moderator Frank Heinze erklärte, dass man lösungsorientiert nach vorne schauen wolle. Letztlich gehe es nicht darum, ob man einen Stopp der PCB-Emissionen hinbekomme, sondern wie.
Blutuntersuchungen vorgesehen
Ennepetals Bürgermeisterin Imke Heymann betonte in ihrer Begrüßung, dass das Thema PCB Unsicherheit und Ängste in Oelkinghausen und am Büttenberg geschürt habe. Die Bürgerinitiative sende ein starkes Signal, dass der Ausstoß aufhören müsse, andererseits stünden 600 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Landrat Olaf Schade stellte klar, dass es aus Sicht des EN-Kreises keine mit PCB belasteten weißen Flocken mehr geben dürfe. „Wir hoffen alle, dass das Unternehmen das sicherstellen kann“, sagte er, machte aber zugleich klar: „Gesundheit ist ein Wert, der nicht abzuwägen ist.“
Trauerzug und Petition
Die Bürgerinitiative „PCB-Skandal Ennepetal“ veranstaltete einen stillen Trauermarsch zum Haus Ennepetal. Die 90 Teilnehmer trugen mit Kreuzen und Sarg symbolisch Moral, Anstand und Gesundheit zu Grabe.
In der Versammlung übergab Roland Wocknitz für die Initiative dem Landrat eine von 4227 Menschen unterzeichnete Petition, in der der Stopp des PCB-Ausstoßes gefordert wird.
Wolfgang Flender, Abteilungsleiter Umwelt beim EN-Kreis, die leitende Amtsärztin Dr. Sabine Klinke-Rehbein sowie Dr. Katja Hombrecher, Dr. Ulrich Quaß und Knut Rauchfuss vom Landesamt für Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz (LANUV) stellten die Historie der PCB-Funde und den aktuellen Sachstand dar. Im Oktober 2018 waren in Oelkinghausen und am Büttenberg erstmals weiße Flocken gefunden worden, in denen hohe Konzentrationen der potenziell krebserregenden PCB-Kongenere 47, 51 und 69 gefunden wurden. Schließlich stellte sich heraus, dass das silikonproduzierende Unternehmen biw in Oelkinghausen Verursacher der Emissionen ist.
In der Folgezeit durchgeführte Untersuchungen führten dazu, dass für Grünkohl und andere Gemüse wie Salat und Spinat sowie für Beerenfrüchte die Empfehlung ausgesprochen wurde, diese nicht bzw. nur eingeschränkt zu verzehren. Katja Hombrecher sagte, dass man weitere Messpunkte in Gärten suche, um die Kontrollen noch engmaschiger durchführen zu können.
Knut Rauchfuss kündigte an, dass man mit einem „Human-Bio-Monitoring“ (HBM) starten werde, bei dem Blutuntersuchungen durchgeführt werden sollen. „Bisher haben wir in allen Umweltproben PCB gefunden. Wir gehen davon aus, dass wir dies auch im Blut finden“, so Rauchfuss. Man hoffe aber und habe auch Grund zu der Annahme, dass man den unbedenklichen Wert nicht überschreiten werde. Zunächst solle nun eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Gesundheitsamts, des LANUV, der Bürgerinitiative und der Stadt gebildet werden. Im Mai oder Juni könne mit der Blutabnahme begonnen werden, so Rauchfuss. Erste Ergebnisse seien aber nicht vor dem letzten Quartal 2020 zu erwarten.
Nach der Ankündigung von biw-Anwalt Michael Hoppenberg, den Ausstoß PCB-belasteter Flocken ab Ende Februar auszuschließen und PCB-haltige Emissionen in die Luft bis zum Jahresende auf Null zu bringen, äußerte sich André Unland von der vom EN-Kreis beauftragten Anwaltskanzlei Baumeister. Nach einem gemeinsamen Termin von Kreis und Unternehmen im NRW-Umweltministerium bleibe es bei der „roten Linie“, dass es zu keinem Flockenaustritt mehr kommen dürfe. „Wir haben zu den heute vorgestellten Maßnahmen noch kein abschließendes Bild“, sagte Unland. Zunächst müsse biw sein Konzept noch konkretisieren. Erst dann könne man entscheiden, ob man die Verwendung des chlorhaltigen Vernetzers untersage oder die Schritte für ausreichend halte. Unland sagte aber auch, dass er denke, dass man auf einem guten Weg sei.
Bürgerinitiative betont Sorgen
Vertreterinnen der Bürgerinitiative stellten noch einmal ihre Sorge um die Gesundheit, insbesondere ihrer Kinder, dar. Es bleibe ein Versäumnis des Unternehmens, die Produktion rechtzeitig so umzustellen, dass kein PCB mehr austreten könne.
In der abschließenden Diskussion wurden viele Fragen gestellt – u. a., warum es so lange gedauert habe, bis biw die nun vorgestellten Maßnahmen treffen wolle. Geschäftsführer Ralf Stoffels erklärte, dass man Zeit gebraucht habe, um selbst in Zusammenarbeit mit dem Lieferanten einen alternativen Vernetzer zu entwickeln. Zudem werde durch die hohen Ansprüche von Kunden an die Beschaffenheit der Produkte eine schnelle Umstellung verhindert.