Schwelm. Das heimliche Hauen und Stechen um die neue Stelle des Technischen Beigeordneten in Schwelm wird im Rat der Stadt offen diskutiert.

In Schwelm wird Hinterzimmer-Politik gemacht. Zu dieser Auffassung könnten die Bürger gelangen, die die jüngste Sitzung des Rates der Stadt verfolgt haben. Nicht nur die Weichenstellungen, wie es mit der Bebauung der Brauerei-Brache und dem Kulturhaus weitergeht, erfolgte nichtöffentlich im Arbeitskreis Zentralisierung der Verwaltung. Sogar von einem ganz neuen, natürlich nicht öffentlich tagenden Arbeitskreis Kesselhaus, der am Montag zu einer Sondersitzung zusammenkommt, erfuhren manche Ratsherren am Donnerstag erstmals. Und: Nein, auch die Besetzung der Positionen von politischen Spitzen-Wahlbeamten verhandeln die Fraktionen mit Vorliebe hinter verschlossenen Türen. Der FDP-Fraktion ist es zu verdanken, dass die Tür zum Hinterzimmer für einen Spalt geöffnet wurde.

So stellt sich der Architekt das neue Rathaus der Stadt Schwelm auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei vor.
So stellt sich der Architekt das neue Rathaus der Stadt Schwelm auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei vor. © Stadt

Anlass ist die geplante Schaffung der zusätzlichen Stelle eines Technischen Beigeordneten im Verwaltungsvorstand. Die Liberalen wollten nicht mitziehen, der Tagesordnungspunkt wurde kurzerhand wieder von der Tagesordnung des Rates gestrichen. Geblieben ist jedoch die Änderung der Hauptsatzung der Stadt. Die wurde gegen die Stimmen der Liberalen bei Enthaltung der Wählergemeinschaften so angepasst, dass nach der Kommunalwahl im September bei Bedarf ein zusätzlicher Beigeordneter ins Rathaus einziehen kann.

Postengeschacher

Am Beispiel der Wahl des Ersten Beigeordneten Ralf Schweinsberg haben die Liberalen die Hinterzimmer-Politik öffentlich gemacht. Der erste Beigeordnete hat ein CDU-Parteibuch. Der jüngst ins Gespräch gebrachte Technische Beigeordnete sei einer anderen Fraktion versprochen worden, so Schwunk in einer Pressemitteilung vor der Ratssitzung.

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Diese öffentlich gemachten Vorwürfe griff CDU-Fraktionschef Oliver Flüshöh auf. Wortreich begründete Flüshöh die Hinterzimmer-Diplomatie, sprach davon, dass in der Vergangenheit die Kommunikation zwischen Politik und Verwaltungsspitze „nicht optimal gelaufen ist“. Ziel sei es gewesen, dass jede Fraktion der etablierten Parteien einen direkten Zugang zur Verwaltung bekomme. Vereinfacht ausgedrückt: Nur wenn jede Fraktion einen Vertrauensmann mit dem richtigen Parteibuch im Verwaltungsvorstand hat, kann Politik und Verwaltungsspitze auch vertrauensvoll zusammenarbeiten. „Da gehörte im übrigen auch die FDP dazu“, merkte Flüshöh an und spielte auf den Wirtschaftsförderer an, der von der FDP hätte besetzt werden können. Durch seine Ausführungen im Rat öffnete auch der CDU-Fraktionschef einen kleinen Spalt die Tür zu besagter Hinterzimmern-Politik.

Den Seitenhieb auf die FDP und den Wirtschaftsförderer wollte der liberale Ratsherr Philipp Beckmann nicht so ohne weiteres im Raum stehen lassen und spielte den Ball zurück: „Es kann sein, dass Sie dieses Angebot gemacht haben. Aber wie Sie sehen, haben wir das Angebot nicht angenommen.“ Damit war Simon Nowak gemeint, ebenfalls im Ratssaal anwesend, bekanntermaßen CDU-Ratsherr in Witten und seines Zeichens hauptamtlicher Wirtschaftsförderer im Rathaus von Schwelm.

Ralf Schweinsberg bewährte Art, die Wogen zu glätten, ging diesmal voll daneben. „Manche halten das für Hinterzimmer-Politik. Das kann ich nicht verstehen“, so der Beigeordnete. Es gehe darum, Brücken zwischen Verwaltung und Politik zu bauen und Brückenbauer seien nun mal die Beigeordneten.

Die Diskussion drohte zu entgleisen, Gabriele Grollmann-Mock zog an dieser Stelle der Diskussion die Notbremse und rief die Ratsherren zur Mäßigung auf. „Ich bitte, bei diesem Thema sehr sensibel umzugehen“, so die Bürgermeisterin. Die Diskussion war damit beendet. Was blieb, war der sehr aufschlussreiche Blick hinter die Kulissen des Machtzentrums Rathaus.

SWG/BfS wollen Planungsstopp

Der Bauantrag für das neue Rathaus auf der Brauerei-Brache ist eingereicht. Die Wählergemeinschaften sind mit ihrem Antrag im Rat, alle Planungen sofort einzustellen, gescheitert.
Der Bauantrag für das neue Rathaus auf der Brauerei-Brache ist eingereicht. Die Wählergemeinschaften sind mit ihrem Antrag im Rat, alle Planungen sofort einzustellen, gescheitert. © Hans Blossey

Es gab aber auch ein Déjà-vu im Stadtrat, als der Antrag von SWG/BfS zum Thema Neubau Rathaus und Kulturhaus anstand. Interessant, aber im Ergebnis absehbar, war die Diskussion. Die Wählergemeinschaft forderte nichts weniger als die komplette Einstellung der Neubau-Planungen und die Aufhebung aller Beschlüsse zur Zentralisierung der Verwaltung.

Getreu dem Motto: alles unter einem Dach, soll neu geplant werden – ohne Einzelhandel im neuen Rathaus auf dem Brauerei-Gelände. Der Neubau an der Römerstraße sei verzichtbar. Es wurde lange diskutiert, die bekannten Argumente hin und her geschoben, und das Abstimmungsergebnis fiel, den Mehrheiten im Rat geschuldet, erwartungsgemäß aus. Der Antrag wurde mehrheitlich gegen sieben Stimmen von FDP, SWG/BfS und Ratsherr Jürgen Feldmann, Die Linke, abgelehnt. Nun wird weiter geplant und gebaut wie beschlossen. Der Bauantrag wurde laut Schweinsberg bereits eingereicht.

Was am Ende des Abends sich auch abzeichnete: für das Kesselhaus, den denkmalgeschützten Teil der Brauerei, gibt es noch kein tragfähiges Konzept; die zusätzliche Fläche für den Einzelhandel im neuen Rathaus könnte noch zum Vermieter-Problem werden.

Um die Bebauung der Brauerei-Brache ging es auch bei den Fragen von Dr. Klaus Koch. Der Bürger von Loh wollte beim Punkt „Bürgerfragen“ wissen, ob der Kostenrahmen von 32,6 Millionen eingehalten wird, wie es um die Gewerbeflächen bestellt sei, wie der Terminplan und Kostenstand Kulturhaus und der Konzeptstatus Kesselhaus sei. Ralf Schweinsberg versprach, die Antworten schriftlich nachzuliefern.

FDP spricht von „politische Ämterkungelei“

Die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Schwelm lehnt den Zweiten Beigeordneten im Rathaus zum jetzigen Zeitpunkt ab. In einer Mitteilung begründet Fraktionschef Michael Schwunk diesen Schritt u.a. mit:

Auch hier sei erkennbar, dass unabhängig von Qualifikationen, diese Positionen für politische ,Ämterkungelei’ genutzt wird. Die Rathauskoalition hat hierzu anlässlich der Wahl von Herrn Schweinsberg eine Absprache getroffen. Ursprünglich war geplant, diese noch vor der Wahl zu verabschieden. Erst auf Druck der FDP wurde die Ausschreibung der Stelle von der Tagesordnung genommen.

„Für die FDP ist nur Leistung ein Auswahlkriterium und keine Ämterklüngelei der Rathausfraktionen.“

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