Gevelsberg. Der Gevelsberger Benjamin Splitt reist als Entwicklungshelfer in den Nordirak und initiiert dort Sportprojekte für traumatisierte Flüchtlinge.
Ein gescheiterter Staat, ethnisch und religiös gespalten. Die Wirtschaft im Niedergang, die Folgen Vertreibung, Arbeitslosigkeit und Armut. Dieses Bild vom Irak zeichnet unter anderem die Bundeszentrale für politische Bildung. In den Nachrichten ist im Zusammenhang mit Irak von Raketenangriffen, Militärbasen und Truppenpräsenzen zu hören, lesen und sehen. Vielen Menschen mag dieses Land zwischen Syrien, Türkei, Saudi Arabien, Jordanien, Kuwait und Iran wenig einladend erscheinen. Der Gevelsberger Benjamin Splitt gehört nicht dazu. Im April reist der 30-Jährige als Entwicklungshelfer für mindestens drei Jahre in den Nordirak – in die autonome Region Kurdistan. Dort will er in Flüchtlingscamps Sportprojekte aufbauen und als Sozialarbeiter tätig sein.
„Ich hatte schon immer Fernweh“, sagt Benjamin Splitt auf seinen Lebenslauf angesprochen. Aufgewachsen in Österreich, Zivildienst in Chile, als Sozialarbeiter in Deutschland, der Schweiz und in Irland gearbeitet. Er habe sogar eine zehnmonatige Fahrradreise von Deutschland bis nach Isreal und Jordanien gemacht.
Splitt würde sich selbst als Weltenbummler bezeichnen. „Aber nicht ohne Ziel“, wie er betont. Da erscheint es nur passend, dass es ihn nun in den Irak zieht. Zumal er dort bereits Kontakte hat. „Ich hatte schon in Jordanien viel mit irakischen Flüchtlingen zu tun“, sagt der Gevelsberger. Auch habe er dort einen Schweizer kennengelernt, der in den Nordirak umgezogen sei.
Vertrag über drei Jahre
„Der hat mir gesagt, dass die Türen dort im Moment offen sind“, so Splitt. Er habe mit der Organisation Christliche Fachkräfte International (CFI) aus Stuttgart einen Vertrag über drei Jahre abschlossen. Aktuell bereite er sich an der Akademie für Internationale Zusammenarbeit in Bonn auf seinen Einsatz vor, besuche in Kürze auch einen Sprachkurs, um Kurdisch zu lernen.
Autonome Region
Der Nordirak ist ein autonomes Gebiet mit eigenem Parlament und eigenem Militär. Er wird auch als Autonome Region Kurdistan bezeichnet. Im Westen grenzt die Region an Syrien, im Norden an die Türkei und im Osten an den Iran.
Knapp sechs Millionen Menschen leben im Nordirak. Seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges und dem Vormarsch der Terrororganisation Islamischer Staat ist die Region auch Heimat von mehr als zwei Millionen Flüchtlingen.
Ab dem 1. April soll Benjamin Splitt für CFI schließlich als Entwicklungshelfer in die nordirakische Stadt Dohuk reisen. Dort werde er dann auch leben, zunächst wohl bei Einheimischen, später in einer eigenen Wohnung – so zumindest seine Vorstellung. „In Dohuk gibt es besonders viel zu tun, weil es viele Flüchtlingscamps gibt“, weiß Splitt.
Unter anderem seien dort kurdische Flüchtlinge und Jesiden untergebracht, die vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geflohen seien. „In Kooperation mit einer Organisation vor Ort werde ich dann in leitender Funktion Projekte initiieren“, sagt Splitt. Dabei solle es um Sport gehen. „Mein Langzeit-Ziel ist es, über die Sportarbeit Traumatherapie zu machen“, erklärt der Gevelsberger.
Sein Fokus liege auf Kindern und Jugendlichen. Sport habe in seinem eigenen Leben immer eine Rolle gespielt. So wolle er bei seiner Arbeit beispielsweise die Sportart „Ultimate Frisbee“ etablieren, bei der mit der Kunststoffwurfscheibe gespielt wird. „Da gibt es keinen Schiedsrichter und die Spieler müssen die Dinge untereinander regeln“, erklärt Splitt. „Das ist da natürlich sehr wertvoll.“ Entscheidend sei, den Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu bieten.
Keine Angst vor Unruhen
„Mir ist bewusst, dass so eine Arbeit sehr viel Zeit braucht“, sagt er. „Im Nahen Osten läuft alles über Beziehungen und es braucht Jahre, bis man dort Vertrauen schafft.“ Deswegen hofft Benjamin Splitt, über die drei Jahre hinaus in Dohuk arbeiten zu dürfen. Auch damit seine Projekte dort Fuß fassen. Dabei sei ebenso wichtig, dass die Menschen vor Ort einen Sinn hinter seiner Arbeit sehen. „Entwicklungszusammenarbeit funktioniert nur, wenn beide Seiten dasselbe Ziel haben“, bekräftigt der 30-Jährige.
Angst vor Unruhen hat Benjamin Splitt keine. „Der Nordirak ist relativ stabil“, erklärt er. Generell habe er die Menschen im Nahen Osten bislang als sehr gastfreundlich erlebt. „Ich fühle mich da wohl“, sagt er, gibt aber auch zu: „Man muss schauen, wie die politische Lage sich entwickelt.“ Perspektivisch könne er sich vorstellen, länger im Nahen Osten zu bleiben – dann vielleicht auch mit einem neuen Projekt.