Gevelsberg. Drei Städte, drei Gerichte, ein Menü: Musiker aus Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal kochen mit uns ein Weihnachtsmenü.
„Ein festes Rezept wird es bei mir nicht geben“, sagt Wolf Ossenberg und lacht. „Ich bin Jazzmusiker, ich improvisiere – auch in der Küche.“ In der Regel koche ja seine Frau Gisela, „zu besonderen Anlässen bin ich dran.“ So wie jetzt für das Drei-Städte-Menü unserer Zeitung. Der 72-Jährige arrangiert das Hauptgericht: Coq au vin – Hähnchen in Rotweinsoße.
Ob er ein Hobbykoch sei? „Ich bin Mensch“, sagt Wolf Ossenberg, „ich esse gerne, und wer gerne isst, der, kocht auch gerne.“ Er holt eine mit Fleisch gefüllte Schüssel, die Stücke schwimmen in Wein und sind bedeckt mit Thymian, Rosmarin und Salbei. Die Kräuter sind von seinem Balkon. „Bis zum Oktober hatten wir auch unsere eigenen Tomaten“, sagt Ossenberg. Er lege Wert auf gute Zutaten, Qualität, so wie auch in seinem Jazzclub. „Jede Band, die bei uns spielt, habe ich mir vorher angeschaut“, sagt er. Seinen Gästen im Zentrum für Kirche und Kultur will er nur das Beste servieren.
1998 gründete er den Jazzclub, ein Jahr später fand das erste Konzert statt. Vor wenigen Tagen wurde der 20. Geburtstag im großen Saal mit einer Jazzgala und mehr als 100 Gästen gefeiert. „So lange die Leute noch kommen und man mich noch lässt, mache ich weiter.“ Nichts zu tun zu haben, das ist nichts für den Gevelsberger.
Auch interessant
Er nimmt das vor zwölf Stunden eingelegte Fleisch aus der Schüssel, tupft es trocken und brät es scharf an. Die Haut hat er vor dem Einlegen abgezogen, die Stücke schimmern Lila, während sie in dem heißen Olivenöl brutzeln. Der Sud wird gesiebt. Aus der Flüssigkeit wird die Soße, die Kräuter sorgen später beim Schmoren des Fleischs im Backofen für mehr Geschmack. „Ich bin sparsam beim Essen aber nicht bei der Zubereitung und den Zutaten.“ Immer wieder greift Wolf Ossenberg in die Schränke, er holt den Cognac zum Ablöschen des Fleischs, Tomatenmark und Honig für die Soße, Zwiebeln, Knoblauch, Chili, grüne Pfefferkörner, Oliven, Ingwer für die Beilage. „Ich habe eine grobe Vorstellung von dem Gericht, der Rest entwickelt sich.“
Zeit entscheidend
Dass Musik über Jahrzehnte eine große Rolle in seinem Leben spiele würde, hätte er am Anfang auch nicht gedacht. Profimusiker zu werden, das sei ihm ebenfalls nie in den Kopf gekommen. Er habe schon früh mit seiner Frau eine Familie gegründet, „brotlose Kunst kam da für mich nicht in Frage.“ Er beendete stattdessen ein Wirtschaftsstudium, arbeitete 15 Jahre ohne wirklich erfüllt zu sein. Dann sattelte er noch ein Studium drauf und wurde Sachverständiger. „Ich bin in der glücklichen Lage, einen Beruf gefunden zu haben, bei dem Alter und Erfahrung eine große Rolle spielen“, sagt er. Auch heute noch ermittelt er deutschlandweit Wertgutachten für Immobilien, hat mit einigen anderen in Gevelsberg eine Akademie gegründet, um Sachverständige auszubilden und liebt seine Arbeit.
Wenn er etwas macht, dann richtig. „Viele würden sich beim Kochen nicht die notwendige Zeit nehmen“, sagt er und heizt den Backofen auf 180 Grad vor. Doch gerade mit der Geduld reife der richtige Geschmack. Die Pilze und Charlotten und was er sonst noch so Passendes findet, kommen mit in die Kasserole zu dem Fleisch. Zuvor wurde das Gemüse geputzt oder geschält und ebenfalls kurz angebraten. Die mit Salz und Rosmarin gewürzten Drillingskartoffeln für die Beilage sind bereits im Topf. Jetzt ist die Soße dran. Die klein gehackten Zwiebel- und Knoblauchstückchen werden in die Pfanne gegeben, dazu Tomatenmark und Honig. Und immer dann, wenn alles kurz vor dem Anbrennen ist, kommt wieder neue Flüssigkeit dazu. Immer und immer wieder.
In diesem Jahr wird an Weihnachten übrigens nicht gekocht, die Ossenbergs sind bei ihrer Tochter zum Essen eingeladen. Dafür wird für Heiligabend eine Pastinakencremesuppe vorbeireitet, die für mindestens 30 Gäste reichen soll. Gisela Ossenberg hat an diesem Tag Geburtstag. Viele Gratulanten würden spontan nach den letzten Weihnachtseinkäufen vorbeikommen, weiß Ossenberg und will vorbereitet sein. Das ist das einzige feste Ritual zu Weihnachten. Feste Traditionen gebe es nicht, wichtig sei die Zeit, die man miteinander verbringt. Wolf Ossenberg ist froh, dass seine Frau die Musikleidenschaft teilt und immer mit dabei ist. Außerdem: „Sie hat mich so kennen gelernt, sie wusste worauf sie sich einlässt.“ Fast jeden Monat veranstaltet der Jazzclub ein Konzert. „Wir sind ein kleiner gemeinnütziger Verein mit 70 Mitgliedern“, sagt er und ist stolz, dass dennoch so viel Größen der deutschen und auch internationalen Jazzszene in Gevelsberg auf der Bühne standen. Die älteste deutsche Combo, die Barrelhouse Band, der Begründer des Jazz Rock Fusion Larry Coryell, die Weltklassegitarristen Martin Taylor und Biréli Lagrène. Die Liste ist lang. Auch Wolf Ossenberg tritt mit seiner Band, den „Old Friends“ regelmäßig auf.
Beim Jazz geblieben
Mit 14 wünschte er sich eine Gitarre, weil sein Freund spielte und er das auch tun wollte. Sein Glück war, dass sein Onkel sich eine Gitarre kaufte und damit nichts anfangen konnte. Wolf Ossenberg schon. Bis auf einen kurzen Ausflug in den Rock, „damals in den 60igern hieß das noch Beat, doch das lag mir nicht“, blieb er immer nur beim Jazz. Mit 16 oder 17 habe er bereits seine erste Veranstaltung organisiert. „Es gab damals nicht genügend Möglichkeiten aufzutreten, also habe ich selbst Gelegenheiten geschaffen.“ Die erste war im alten Gymnasium an der Neustraße. „Das Publikum, das wir damals hatten, kommt heute noch.“ Das freut ihn, das sei aber auch das Problem. Es sei schwer, junge Leute anzusprechen, „wenn sie dann da sind, gefällt es ihnen, doch sie müssen überhaupt erst einmal zu den Konzerten kommen.“
Das nächste Konzert ist für den 17. Januar im neuen Jahr geplant. Die Wuppertaler Feuerwehr-Bigband ist zu Gast. Außerdem findet im März zum zweiten Mal eine Weinmesse statt, die Wolf Ossenberg organisiert. Auch jetzt kommt ein Glas Wein auf den Tisch. Die Kartoffeln sind bereits gar und leicht angebraten. Das Fleisch ist nach einer Stunde bei 180 Grad im Backofen schön zart, die Soße wurde mit Sahne und Crème fraîche verfeinert. Mittlerweile ist auch seine Frau nach Hause gekommen. Jetzt serviert er das Festmahl in der Küche. Anmerkung der Redakteurin: „Es ist mit das leckerste Gericht, das ich je gegessen habe.“