Ennepetal. Hautnah erlebten Mitglieder der Ev. Kirchengemeinde Ennepetal-Voerde, wie die neuen Glocken für die Johanneskirche gegossen wurden.
In der Chronik der Evangelischen Kirchengemeinde Voerde steht kurz und knapp: „16.10. 1917 Beschlagnahme der drei Glocken für Kriegszwecke“. Unter 1919 heißt es: „Die Kirche erhält das gegenwärtige aus vier Harteisenglocken bestehende Geläut, gegossen in der Glockengießerei J.F. Weule, Bockenem /Harz.“ Im Jahr 2020 wird in der Chronik zu lesen sein: Vier neue Glocken, neu gegossen zur Ehre Gottes A. D. 2019, Ev. Kirche Johannes D. Täufer Voerde.
Ein Jahrhundertereignis
Das war ein Jahrhundertereignis, als jetzt in der Glockengießerei Rincker in Sinn (Lahn-Dillkreis) vier Bronzeglocken für die Johanneskirche gegossen wurden. Rund 40 Gemeindeglieder erlebten mit Pfarrer Armin Kunze das bewegende Ereignis. Diesmal sollen die Glocken nicht nach 100 Jahren, wie die Harteisenglocken aus dem Jahr 1919, ausgetauscht werden müssen, sie sollen der unter Denkmalschutz stehenden Kirche mit ihrem Geläut „bis in die Ewigkeit“ dienen und zum Gottesdienst rufen.
Da lagen versteckt die „Modell-Glocken“ im Gießbett der seit 1590 im Familienbesitz befindlichen Glockengießerei Rincker, immer wieder fotografiert. Währenddessen wurde das Gießmetall im Herdschmelzofen auf Temperatur gebracht. Doch bevor die „Glockenspeise“ begann und das heiße flüssige Metall in die in der Grube gelegten Rinnen und Kanäle floss, wurde es ganz still im alten Gemäuer. Pfarrer Armin Kunze sprach ein Dankgebet, indem es hieß: „Großer Gott im Himmel! …Vieles ist im Vorfeld geplant und bedacht worden. Schaue dir unser Werk an. Nicht aus unserem Vermögen heraus, sondern mit deinem Zutun soll dieses Werk vollendet werden. Wir bitten dich, lass diesen Guss gelingen… Wir bitten dich für diese Glocken, dass ihr Klang die Menschen erreicht. Dass diese Glocken zu Gottesdiensten, Andacht und Gebet einladen und von vielen Menschen gehört werden… Wir bitten dich, Gott, dass diese Glocken zur Freude der Menschen in der Nachbarschaft und in der Gemeinde erklingen und zu deinem Lob den Klang verbreiten!“ Es blieb still.
Dann hörten die Besucher aus dem Hintergrund der bereitstehenden Glockengießer: „Mit Gottes Hilfe“. Erst jetzt strömte das flüssig-glühende Metall, bestehend aus 78-80 Prozent Kupfer und 20 bis 22 Prozent Zinn, aus dem Ofen über eine „Rutsche“ in die Grube, füllte blubbernd Rinnen und Kanäle. Glockengießer stiegen in die Gießgrube und griffen ein, wenn der heiße Fluss nicht alles umspült hatte. Ein rötlicher Feuerschein füllte die historische Werkstatt und die Gesichter der Zuschauer. Alle schauten gebannt auf das Geschehen. Keiner sprach mit seinem Nachbarn. „Bewegende Momente, die man nicht vergisst!“ sagt später Pfarrer Kunze und trifft mit dieser Aussage die Gefühle der Zuschauer.
Nach rund 20 Minuten ist das Werk getan. Chef Hans Martin Rincker gibt noch technische Erklärungen und stellt das Familienunternehmen von 1590 vor. Prof. Dr. Reinhard Döpp, selbst ein Gießer, meldet sich zu Wort und spricht von einem „ganz besonderen Ereignis“. „Es ist ein göttliches Geschenk!“ sagte er. Chef Hans Martin Rincker stand dann noch vor der Kamera des heimischen Filmemachers Horst Groth Rede und Antwort.
Warum neue Bronzeglocken für die Johanneskirche? Der Glockenstuhl sei schon seit einiger Zeit gerissen, die Glocken an vielen Stellen ausgeschlagen (wie berichtet). „Durch das Hin- und Herschwingen der Glocken beim Läuten entstehen Kräfte, die in das Mauerwerk übertragen werden“, weiß Pfarrer Kunze. Darum beschloss das Presbyterium, das Geläut und den Glockenstuhl zu sanieren. Nun müssen erst einmal die neuen Bronzeglocken in der Gießerei aus dem Gießbett ausgegraben und von Mantel und Kern befreit werden.
Wann im neuen Jahr die Bronzeglocken in Voerde läuten, könne noch nicht gesagt werden. Die alten Glocken müssen erst aus dem Turm geholt werden, der Glockenstuhl soll nun aus Holz errichtet werden, da er Schwingungen besser absorbiert. Erfreut ist Pfarrer Kunze, dass die Finanzierung gesichert ist. Rund 100 000 Euro seien gespendet worden. „Damit hatten wir nicht gerechnet“, sagte Armin Kunze dieser Zeitung. Mit 120 000 Euro sei das Projekt veranschlagt, eine Investition in die Zukunft, für die „Ewigkeit“. Wie es heißt, können Bronzeglocken gut 600 Jahre und länger ihre Aufgaben erfüllen.
Inschrift auf allen vier Glocken
Alle vier Glocken werden übrigens eine Inschrift haben und die große Glocke bekommt noch eine abstrahierende Darstellung dazu: Ein Bild Johannes des Täufers, denn die Johanneskirche heißt ja ganz offiziell „Johannes der Täufer“. Die Künstlerin Rosemarie Vollmer, die in vielen Museen mit ihren Werken vertreten ist und auch zahlreiche Glocken mit ihrer Kunst gestaltet hat, schuf die Darstellung. Die Inschrift auf der Glocke lautet: „Du bist mein Gott, meine Zeit steht in deinen Händen“. Auf der zweiten Glocke ist zu lesen: „Ich liege und schlafe ganz mit Frieden, denn allein du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne“. Die dritte Glocke ziert der Psalm „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk“. Die Inschrift auf der vierten Glocke lautet: „Ich rufe mit meiner Stimme zum Herrn, so erhört er mich von seinem heiligen Berge“.
Die ersten drei Glocken erhalten noch je eine historische Inschrift: „Umgegossen a. d. 1791 – Im Krieg a. d. 1917 eingeschmolzen – aus Eisen ersetzt 1919 – neu gegossen zur Ehre Gottes a. d. 2019 – Ev. Kirche Johannes d. Täufer Voerde.“ Dazu kommt das Gießereizeichen Rincker. Auf der kleinsten Glocke wird zu lesen sein: „Aus Eisen gegossen 1919 – neu gegossen mit meinen drei Schwestern a. d. 2019 – Ev. Kirche Johannes d. Täufer Voerde“.Dr. C. Peter, Glockensachverständiger des Landeskonservators und der Ev. Kirche von Westfalen hat diese Inschriften genehmigt.