Ennepetal. Nach dem PCB-Fund in Oelkinghausen melden sich besorgte Bürger im Rathaus und bei den Parteien. Die Politik sieht großen Aufklärungsbedarf.
Nach dem Fund des potenziell krebserregenden Stoffes PCB in Oelkinghausen und der Empfehlung des Kreises, in Teilen von Oelkinghausen und Büttenberg kein Obst und Gemüse mehr aus dem eigenen Garten zu essen, wird in Ennepetal der Ruf nach mehr Aufklärung laut. Besorgte Bürger haben sich im Rathaus gemeldet und verlangen mehr Informationen. Die Politik hat darauf reagiert und fordert vom Ennepe-Ruhr-Kreis deutlich mehr Aufklärung.
Aufgeregte Bürger
Zum Thema wurde der Vorfall am Dienstagabend in der Sitzung des Hauptausschusses. Stephan Langhard, städtischer Fachbereichsleiter für Bürgerdienste und Stadtentwicklung, informierte das Gremium und die Öffentlichkeit über den Stand der Dinge aus städtischer Sicht. Seit der Verzehrempfehlung, die der Kreis vergangenen Freitagmittag per Mitteilung öffentlich machte, hätten sich 15 „aufgeregte Bürger“ im Rathaus gemeldet. Man habe sie alle an den Kreis verwiesen, weil er die zuständige Stelle sei und nur dort in den Fachabteilungen die Leute säßen, die auch in der Lage seien, auf die Fragen der Bürger kompetent genug eingehen zu können. Die Stadt stünde weiter in Kontakt mit dem Kreis und habe sich noch am Dienstag auf den jüngsten Stand bringen lassen. „Wir haben unsere Unterstützung zugesichert“, erklärte Stephan Langhard, der den Vorfall als „deutliches Problem“ bezeichnete.
Ruf nach einer Bürgerversammlung
Auch bei den Parteien ist die Sorge und Verunsicherung unter Anwohnern und Bürgern deutlich aufgeschlagen. „Da besteht ein großer Aufklärungsbedarf“, gab SPD-Fraktionschef Volker Rauleff seinen Eindruck wieder. „Die Bürger fragen bei uns nach und wollen wissen, wann die Bürgerversammlung ist.“ Das frage er sich selbst auch. „Der Kreis wäre gut beraten, das zu tun und zu informieren, um dort eine Beruhigung reinzubringen. Ich halte das für unbedingt notwendig.“
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In gleiche Richtung äußerte sich CDU-Fraktionsvorsitzender Daniel Heymann. „Auch bei uns ist das schon diskutiert worden.“ Auch er forderte mehr Aufklärung seitens des Kreises ein und sparte dabei nicht mit Kritik: Dass der Kreis in seiner Mitteilung von vergangenem Freitag für Nachfragen lediglich auf eine Telefonnummer verweist, und dazu auch noch auf die Nummer der Zentrale im Kreishaus, „ist zuwenig“, so der CDU-Fraktionschef. Bürgermeisterin Imke Heymann sicherte zu, die Kritik und den Wunsch nach mehr Aufklärung an die Verantwortlichen im Kreishaus weiterzugeben.
Kreis wehrt sich gegen Vorwürfe
Der Ennepe-Ruhr-Kreis wehrt sich und hält die Vorwürfe für unberechtigt. Der Verweis auf die Telefonzentrale sei sinnvoll, weil nur so eine schnelle, zielgenau Vermittlung von Bürgern an die zuständigen Fachleute im Kreishaus sichergestellt sei. Mit der Thematik würden sich schließlich mehrere Fachabteilungen (Immissionsschutz, Gesundheitsschutz und Bodenschutz) befassen.
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Auch zu einer Bürgerversammlung äußerte sich der Kreis auf Nachfrage. Eine solche Veranstaltung sei aktuell nicht geplant, „weil zunächst die weiteren Ergebnisse des LANUV abgewartet werden müssen“. Schließlich seien erst danach verlässliche Aussagen möglich. Der Stadt Ennepetal stünde es selbstverständlich frei, selbst eine Bürgerversammlung einzuberufen.
Haftungsfrage
Im Ennepetaler Hauptausschuss kam am Dienstag auch die Frage der Haftung auf und wer dafür zur Verantwortung zu ziehen ist. In den Fokus geriet das Unternehmen BIW Isolierstoffe GmbH, weil in dessen Umfeld die weißen Partikel, die Anlass für die PCB-Untersuchungen waren, gefunden wurden. Ob sie tatsächlich von BIW stammen, ist noch unklar. Der Partikel-Niederschlag könne auch von woanders her gekommen sein, warnten mehrere Gremienmitglieder vor voreiligen Rückschlüssen.
Wie Fachbereichsleiter Stephan Langhard aus den Gesprächen mit dem Kreis zu berichten wusste, seien bei BIW nicht nur Messungen durchgeführt worden, sondern auch die Mitarbeiter untersucht worden. Über das Ergebnis machte er keine Angaben.
Auflagen, aber wohl keine Strafen
Einen Verstoß gegen den Verursacher geltend zu machen, erscheint seinen Ausführungen zufolge ohnehin kaum möglich. Langhard führte aus: „Es gibt 64 PCB-Varianten. Nur bei 6 gibt es Grenzwerte. Für die PCB-Variante, die hier gefunden wurde, gibt es keinen Grenzwert.“ Soll heißen: Wo es keinen Grenzwert gibt, kann man auch keine Grenze unerlaubt überschreiten.
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Gleichwohl habe der Verursacher mit Auflagen, beispielsweise der Umweltbehörde, zu rechnen. Das PCB potenziell gefährlich ist, daran besteht schließlich kein Zweifel.
Erste Hinweise im Oktober 2018
Wie der Kreis am Mittwoch auf Nachfrage mitteilte, gab es schon im Oktober 2018 die ersten Hinweise von Anwohnern in Oelkinghausen auf den Niederschlag von weißen Partikeln. Sie waren der Auslöser für die folgenden Untersuchungen.
Im Juli 2019 wurden an acht Stellen Löwenzahnblätter geerntet, die anschließend gewaschen, gefriergetrocknet, gemahlen und auf PCB untersucht wurden. Das Ergebnis dieser Untersuchung: An Löwenzahnproben von mehreren Stellen konnten erhöhte Werte von PCB festgestellt werden.
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Der Ennepe-Ruhr-Kreis hatte daraufhin am vergangenen Freitag eine vorsorgliche Verzehrempfehlung für den Bereich Oelkinghausen und Büttenberg ausgesprochen, jegliches Gemüse und Obst aus Nutzgärten nicht zu essen.
Gewissheit erst im Frühjahr 2020
Eine Gewissheit, ob und inwieweit das Obst und Gemüse aus den umliegenden Gärten tatsächlich belastet ist, gibt es allerdings erst, wenn das Ergebnis einer genaueren Untersuchungsmethode vorliegt.
Für diese Untersuchungsmethode wurden an mehreren Stellen Grünkohlpflanzen aufgestellt, um eine mögliche Luftverunreinigung unabhängig vom Boden messen zu können. Grünkohl gilt als hervorragender Bio-Indikator. Auf den großen Blättern setzen sich auch mögliche Schadstoffe ab, die anschließend vom LANUV analysiert werden können. Mit Ergebnissen ist im Frühjahr 2020 zu rechnen. Parallel dazu werden im Untersuchungsraum auch ein Dutzend Bodenproben entnommen. An einigen Stelle ist dies in dieser Woche bereits erfolgt. Mit den Ergebnissen dieser Untersuchung rechnet der Ennepe-Ruhr-Kreis im Herbst dieses Jahres.