Schwelm. Der Schwelmer Verein Bailo Conte will Menschen in einem Dorf in Gambia ein lebenswertes Leben ermöglichen. Dazu leistet er Hilfe zur Selbsthilfe.
Es gibt ihn seit Juli 2018. Die Schwelmer kennen ihn bereits vom Song Contest im Jugendzentrum und vom Folklorefest, auf denen er jeweils mit einem Infostand vertreten war. Und seit Februar 2019 ist er auch beim Amtsgericht in Hagen als e.V. geführt und mit Spendenkonto ausgestattet. Die Rede ist vom Verein Bailo Conte. Er hat sich als Ziel die Hilfe zur Selbsthilfe auf seine Fahnen geschrieben und will den ca. 1000 Menschen, die im Dorf Jugale im Grenzgebiet zwischen Gambia und dem Senegal leben, eine Zukunft geben.
Bisher 30 Vereinsmitglieder
Vereinsgründer und Vorsitzender ist Ibrahim Konte. Ihm zur Seite stehen als Schatzmeister Karlheinz Berger-Frerich und Schriftführer Martin Blumenroth – und rund 30 Vereinsmitglieder. Es können gern noch mehr sein. Jeder von ihnen spendet ab fünf Euro pro Monat aufwärts, um in diesem kleinen afrikanischen Dorf das Leben lebenswerter zu gestalten. Denn die Menschen in Jugale leben zum größten Teil noch in Lehmhütten, das Dach mit Stroh gedeckt. Die Männer, Frauen und Kinder dort träumen von einem Lebensmittelladen, von einer Schule und einer Krankenstation. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie mit schwerer Arbeit auf den Feldern.
Ibrahim Konte weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer der tägliche Kampf ums Überleben in Jugale ist. Denn Ibrahim Konnte stammt aus Jugale. Seine Lebensgeschichte ist die Geschichte von vielen Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind auf der Suche nach einem besseren Leben. Sein Schicksal wiederholt sich heutzutage vieltausendfach mit den Bootsflüchtlingen, die von Afrika über das Meer nach Europa kommen auf der Suche nach einer Zukunft.
Ibrahim Konte hat es nach Aussage von Karlheinz Berger-Frerich geschafft. „Die meisten Nachrichten über Flüchtlinge sind negativ. Ibrahim Konnte will mit der Vereinsgründung etwas zurückgeben, will den Menschen in seinem Dorf helfen“, sagt der Schatzmeister. Gemeinsam mit Bernd Landhammer ist Berger-Frerich in die Redaktion gekommen, um für den kleinen gemeinnützigen Schwelmer Verein zu werben.
„Der Kern unserer Hilfe ist Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Berger-Frerich. Mit seinen Projekten will Bailo Conte sich auf das Wesentliche konzentrieren, eine soziale und nachhaltige Infrastruktur mit und für die Menschen in der Region des Dorfes Jugale entwickeln. Dazu hat sich der Verein drei ganz konkrete Projekte vorgenommen: Den Bau eines festen Hauses mit Krankenstation, Lebensmittelmarkt und Gemeinschaftsraum, genannt „Health & Care Center“; „Jedem Kind eine Ziege“ und „Baumpatenschaft“.
Die ersten vier Mauersteinreihen für das „Health & Care Center“ stehen bereits. Das Geld für den Kauf von 150 Sack Zement konnte der Verein dafür bereitstellen. Darauf werden nun die bereits 10.000 fertiggestellten Lehmziegel gesetzt. 378 Euro hat der Verein an Spenden am Folklorefest bekommen, noch einmal 300 Euro kamen beim Song Contest zusammen. „Wir brauchen noch 3000 Euro an Spendengeldern. Dafür können wir das Dach für das Haus bezahlen“, sagt Karlheinz Berger-Frerich. Das sollte eigentlich schon vor Einsetzen der Regenzeit passieren, doch das habe leider nicht geklappt. Nach Fertigstellung des Krankenhauses werden wir in Form einer Gedenktafel all die Menschen namentlich würdigen, die uns durch Sach- und Geldspenden unterstützt haben. Diese Tafel wird am Krankenhaus angebracht werden.
Das Haus soll die medizinische Grundversorgung in Jugale sicherstellen und gleichzeitig als Nahrungsmittellager dienen. „Ibrahim ist mit Ärzten ohne Grenzen im Gespräch. Ziel ist es, in dem Haus einmal wöchentlich die medizinische Grundversorgung in dem Dorf sicherzustellen“, sagt Berger-Frerich.
Mindestens ebenso wichtig sind die zwei weiteren Projekte, die sich der Verein auf seine Agenda geschrieben hat. Hinter „Jedem Kind eine Ziege“ steht der Gedanke, auch Kinder mit einzubinden und etwas gegen den Hunger zu unternehmen. Milch sowie Produkte daraus wie Käse und Joghurt sind wichtig für die körperliche Entwicklung der Kinder. Der Kauf von Ziegen und Schafen ist für nahezu allen Dorfbewohnern aus finanzieller Sicht nicht möglich. So ist es sehr selten, dass Milchprodukte und Fleisch Teil der „Speisekarte“ sind. Mangelernährung ist oft Ursache für Erkrankung und körperlichen Fehlbildungen. Und genau hier würde das Projekt „Jedem Kind eine Ziege“ dem entgegenwirken. Eine Ziege kostet in Gambia etwa 20 Euro. Die Dorfgemeinschaft würde sich um die Ziegen und Schafe kümmern und eine nachhaltige Viehzucht aufbauen können.
Etwa 45 Prozent des Staatsgebietes von Gambia sind bedeckt mit Regenwäldern. Über die Hälfte der Einwohner haben weit weniger als einen Dollar täglich zur Verfügung. So ist das Leben der meisten Einwohner Gambias geprägt durch Hunger, Bildungsnotstand und mangelhafter medizinischer Versorgung. Um das Überleben zu sichern, fällen Dorfgemeinschaften notgedrungen Regenwaldbäume, um das kostbare Holz zu verkaufen. Bereits große Flächen, auf denen vor 20 Jahren noch Tropenwald existierte, sind heute nahezu baumlos. Je weniger Bäume umso weniger Regen fällt.
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Besonders in der sechsmonatigen Trockenperiode sind die Menschen und die Landwirtschaft auf jeden Tropfen Regen angewiesen. Aufgrund dieser Situation entwickelte sich die Idee, die Bäume vor dem Fällen zu schützen und gleichzeitig den Dörfern in dieser Region den Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur zu ermöglichen, mit dem Ziel, dass die Menschen zukünftig in Würde und mit hoffnungsvollen Perspektiven leben können. Mit einer Spende von 20 Euro können Baumpaten einen Baum vor dem Fällen schützen und gleichzeitig den Aufbau einer örtlichen Infrastruktur unterstützen.
Um seine Ziele zu erreichen, braucht der Verein neben Spenden dringend mehr Mitglieder. „Das gibt uns Planungssicherheit, denn ohne Geld können die Menschen in Afrika auch nicht Arbeiten“, wirbt Karlheinz Berger-Frerich um Unterstützung.
Flucht übers Meer dauert zwei Jahre und endet in Schwelm
Die Biografie von Ibrahim Konte könnte die Vorlage für einen Abenteuerfilm sein. Der 34-jährige Mann aus Gambia lebt heute in Schwelm. Doch bis er nach Deutschland gelangte, musste er nach eigener Aussage eine wahre Odyssee durchlaufen. Seine Schilderung:
„Mit zwölf Jahren machte ich mich auf die Suche nach einem besseren Leben. Allein – ohne Freunde, ohne Papiere, ohne Geld. Zwei Jahre dauerte meine Suche. Dann erreichte ich als blinder Passagier auf einem Schiff Hamburg. Über die Flüchtlingsnotaufnahme Dortmund und einen Krankenhaus-Aufenthalt kam ich nach Ennepetal und Schwelm. Für den Schulbesuch in Afrika muss man bezahlen. Schulen gibt es nur in großen Städten – nach mehrstündigem Fußmarsch zu erreichen. In Deutschland war alles anders. Ich wurde zum Garten- und Landschaftsbauer ausgebildet. Dann arbeitete ich in einer Gießerei und lernte mit flüssigem Metall umzugehen. Heute bin ich Schmied bei einer großen Firma in Hagen.
Bailo Conte ist der Name meines Bruders. Ich lernte ihn erstmals 2013 kennen, beim ersten Besuch in meinem Dorf 13 Jahre nach meiner Flucht. Bailo war sehr krank. Wenige Tage nach meiner Abreise ist er verstorben – im Alter von 13 Jahren. Sein größter Wunsch war es, mit allen Kindern des Dorfes zur Schule zu gehen. Sein Wunsch ist zu meiner Lebensaufgabe geworden.“