Gevelsberg . Es war eine spektakuläre Aktion, die am Samstag auf der Eichholzstraße in Gevelsberg zu sehen war. Die Behelfsbrücke wurde über die A1 geschoben.

Die Brücke auf der Eichholzstraße beschäftigt die Gevelsberger schon seit Jahren. Seit dem Sommer 2015, als schwere Mängel an dem Bauwerk festgestellt und – aus Sicherheitsgründen – Lastkraftwagen ausgesperrt wurden. Seitdem warten sie auf eine neue Brücke, und stehen sogar mitten in der Nacht auf, weil sie dabei sein wollen, wenn der lang ersehnte 400 Tonnen schwere Koloss über die Autobahn geschoben wird. Zentimeter für Zentimeter.

Einen Meter pro Minute

Eigentlich sollte am Samstag gegen 5 Uhr morgens die Brücke eingeschoben werden, doch die Vorbereitungen verzögerten sich.
Eigentlich sollte am Samstag gegen 5 Uhr morgens die Brücke eingeschoben werden, doch die Vorbereitungen verzögerten sich. © WP | Jens Pommerenke / AirPictures.de

Samstag 5 Uhr morgens. Es dämmert. Zuschauer lehnen am Geländer, 40 Arbeiter verteilen sich über die Baustelle, die sich über zwei Ebenen erstreckt. Auf der Eichholzstraße und einige Meter unterhalb, auf dem Mittelstreifen der A1, an der Anschlussstelle Gevelsberg. Dort steht ein Kran, weniger Meter davor ragt ein blauer Turm in die Höhe. Er dient später als Stütze, als Zwischenstation für die Brücke auf ihrem Weg auf die andere Seite. Doch dieser Weg verzögert sich.

19.30 Uhr. Fast 15 Stunden später als von Straßen NRW angekündigt setzt sich die Brücke endlich in Bewegung. Computer gesteuert, auf drei Rollenkonstruktionen und mit 2,5 Prozent Gefälle. „Ohne die vielen Sicherungen würde sich die Brücke von alleine bewegen“, erklärt die Bauaufsicht des Landesbetriebs. Jetzt sorgen die Seile dafür, dass die Brücke kontrolliert, etwa einen Meter pro Minute zurücklegt.

Abriss beginnt Ende August

70 Meter ist die Behelfsbrücke lang und wurde in den vergangenen Wochen stückweise zusammengeschraubt. Die Stahlseile am Widerlager halten sie in Position. Jetzt geben sie nach, lassen die Brücke rollen. und spannen sich wieder. Per Knopfdruck. Immer wieder wird eine Pause eingelegt, damit die Arbeiter auf dem Turm grüne Netze an den Anschlussstellen unter der Brücke anbringen können. Damit herunterfallende Teile aufgefangen werden können, als Schutzmaßnahme für die Autofahrer, die die Brücke in den kommenden Monaten unterfahren. Bis zum Sommer 2020, dann soll die neue und endgültige Brücke stehen und das Provisorium wieder abgebaut und zu einer der vielen anderen Baustellen im Land gebracht werden.

Alle Brücken im Blick

Bei der bisherigen Brücke über die A1, die Silschede und Gevelsberg verbindet, handelt es sich um eine Bogenbrücke aus dem Jahr 1956. Eine Überprüfung hatte ergeben, dass sie nicht mehr ausreichend tragfähig ist.

Die Behelfsbrücke stammt aus dem Bestand des Bundes und kann einen sich begegnenden Schwerlastverkehr aufnehmen. Sie fungiert als Übergangslösung, während das neue Bauwerk an der Stelle der Bogenbrücke ab diesem September errichtet wird. Im Juli 2020 soll sie betriebsbereit sein.

Die neue Brücke besteht aus einem Stahl-Beton-Verbundsystem, ist ebenfalls uneingeschränkt nutzbar und ein SS80-Festbrückengerät.

Jetzt muss sie aber erst einmal in Gevelsberg für Entspannung auf der Eichholzstraße sorgen. In etwa drei, vier Wochen wird auch die Fahrbahn fertig sein und für den Verkehr freigegeben – ohne Einschränkungen. Jetzt sorgt die Baustelle erst einmal für Rückstau auf der A1, weil seit Donnerstag jeweils eine Spur in beide Richtungen gesperrt ist. Wenn alles gut geht, sind bis zum Berufsverkehr am Montag die dritten Spuren wieder frei, teilt Straßen NRW am Sonntag mit. Eigentlich sollte bereits der Turm wieder abgebaut und die Mittelstreifenplanken zurückgebaut sein. Und genau hier liegt die Schwierigkeit, die für die Verzögerung sorgte. Die Fundamente mussten angepasst werden, wurden mit Schotter und Splitt gesichert, die Baustelle anders eingerichtet, als zuvor geplant. Das dauerte länger als erwartet.

Seit Donnerstagabend ist die A1 an der Anschlussstelle Gevelsberg zweispurig, weil Platz für einen Stützturm benötigt wurde.
Seit Donnerstagabend ist die A1 an der Anschlussstelle Gevelsberg zweispurig, weil Platz für einen Stützturm benötigt wurde. © WP | Jens Pommerenke / AirPictures.de

Gearbeitet wurde in den vergangenen drei Tagen fast rund um die Uhr, im Drei-Schicht-Betrieb. Auch die Zuschauer versammelten sich zu jeder Tag- und Nachtzeit auf der alten Brücke. „Das war ganz großes Kino“, sagt der Gevelsberger Dieter Schmidt. „Es war eine spannende Baustelle“, sagt die Bauleitung. Nicht weil sie sonderlich anspruchsvoll sei, vieles sei Routine, sondern weil so viele mitfieberten. Weil sie immer wieder vorbei schauten, auf den großen Moment des Einschubs warteten, weil die Spannung spürbar war, eine besondere Stimmung herrschte.

Noch ist die Brücke nicht ganz dort, wo sie sein sollte. Sie schwebt etwa 80 Zentimeter darüber. In den nächsten Tagen wird das Konstrukt mithilfe von Pressen hochgebockt, damit die Rollen entfernt werden können. Wenn die Straßenführung in Richtung Behelfsbrücke geändert ist, wird die 60 Jahre alte Bogenbrücke für immer aus dem Verkehr gezogen. An einem Wochenende Ende August, Anfang September wird die Autobahn voll gesperrt und die Brücke entweder gesprengt oder abgerissen, um Platz zu schaffen für die endgültige Lösung – auf die die Gevelsberger seit Jahren warten.