Schwelm. . Das Suchthilfezentrum Schwelm der Caritas hat Kinder mit suchtkranken Eltern im Blick und unterstützt Familien mit dem Programm Fitkids.
Wenn Sucht den Alltag bestimmt, sind meist die direkt Betroffenen im Fokus. Aber was ist mit den Kindern, die die Sucht ihrer Eltern miterleben und darunter leiden? Das Suchthilfezentrum Schwelm der Caritas Ennepe-Ruhr hat genau diese Kinder im Blick und unterstützt sie und ihre Eltern mit dem Programm Fitkids, mit dem das Suchthilfezentrum nun zertifiziert wurde.
Zahlen und Fakten
2,65 Millionen Kinder unter 18 Jahren leben aktuell mit alkoholkranken Eltern zusammen. Mehr als 30 Prozent der Kinder suchtkranker Eltern werden später selbst süchtig.
1700 Neugeborenewurden pro Jahr durch Drogenkonsum und 2.500 durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft dauerhaft geschädigt (Quelle: Zeitschrift „Trauma“)
6 Millionen Erwachsene sind als Kinder in süchtigen Familien aufgewachsen. Jedes sechste Kind ist von Suchtkrankheit in der Familie betroffen.
110 Mädchen und Jungen konnten 2018 von den Fitkids-Angeboten im Caritas Suchthilfezentrum profitieren.
„Mia, Mats und Moritz…und ihre Mama, wenn sie wieder trinkt“ – das ist zwar nur der Titel einer Broschüre, die im Caritas-Suchthilfezentrum als Arbeitshilfe genutzt wird, aber im Alltag der Suchtberater ist es Realität. „Wir haben in unseren Beratungen immer wieder mit süchtigen Menschen zu tun, die mit Kindern in einem Haushalt leben.
Wir sind uns der besonderen Verantwortung gegenüber diesen Kindern bewusst und möchten ihnen dabei helfen, gesünder und geschützter aufzuwachsen“, sagt Anke Duarte, Leiterin des Suchthilfezentrums Schwelm der Caritas Ennepe-Ruhr.
Und dafür wurde das Suchthilfezentrum nun ausgezeichnet. Mit dem Fitkids-Zertifikat, das nun bunt und gut sichtbar an der Tür der Beratungsstelle in der August-Bendler-Straße hängt.
Mehr als 30 Prozent der Kinder suchtkranker Eltern werden später selbst süchtig. „Umso wichtiger ist es, vorher aktiv zu werden“, betont die Sozialpädagogin.
2015 hat sich das Suchthilfezentrum Schwelm deshalb für das Organisationsentwicklungsprogramm Fitkids beworben. Seitdem haben die Mitarbeiter der Caritas in zehn Coaching-Terminen Inhalte für die praktische Arbeit mit Kindern suchbelasteter Eltern erarbeitet.
Sechs Bausteine
Das Fitkids-Programm besteht aus sechs Bausteinen:
Die Kinder in den Blick nehmen – interne Voraussetzungen
Netze knüpfen – Kooperation und Vernetzung
Bevor es zu spät ist – praktische Arbeit mit den Kindern
Früh hilft früh – Schwangere und frühe Hilfen
Sprache finden – süchtige Eltern
Voneinander lernen – Multiplikatorenschulung
„Insbesondere in der Arbeit mit Suchterkrankten schwingt bei der Frage nach den Kindern immer auch Scham und ein schlechtes Gewissen mit“, erklärt Sandra Groß von Fitkids Wesel, die das Programm 1996 ins Leben gerufen hat. „Hilfe in Anspruch zu nehmen und den Kontakt zum Jugendamt zu suchen, das ist eine große Hürde“, sagt die Projektkoordinatorin.
„Die Angst bei suchtkranken Eltern ist groß, dass die Kinder aus der Familie genommen werden. Wir fungieren da als Vermittler“, betont Anke Duarte.
Freude über neue Ausrichtung
Das bestätigen auch Olaf Menke und Dagmar Ante, Jugendamtsleiter in Schwelm und Ennepetal. „Wir sind froh, dass wir durch diese neue Ausrichtung der Suchthilfe mit dem Blick auf Kinder unser Netzwerk erweitern, um noch früher helfen zu können“, sagt Olaf Menke. Seine Ennepetaler Kollegin Dagmar Ante ergänzt: „Suchterkrankungen und die Gefährdung des Kindeswohls liegen ganz nah beieinander.“ Deshalb sei es wichtig, früh hinzuschauen und zu helfen.
Das tun die Suchtberater in Schwelm, Ennepetal und Breckerfeld nun verstärkt. „Wir haben einen kinderfreundlichen Beratungsraum eingerichtet, damit die Kinder während der Beratung spielen können. Und so kommen wir auch mit den Kindern ins Gespräch“, erklärt Anke Duarte.
Außerdem können durch Spenden der Schwelmer Grünewald-Stiftung Ausflüge angeboten werden. „Wir waren gemeinsam im Zoo oder im Trampolinpark. Dort bekommt man einen viel genaueren Eindruck vom Umgang mit den Kindern und wie es ihnen in der Familie geht.“
Stärkung in Elternrolle
Die Suchtberaterin stellt aber auch klar: „Wir stärken und unterstützen die Eltern in ihrer Elternrolle.“ Die meisten hätten trotz Sucht ein großes Interesse daran, gute Eltern zu sein. „Durch die Fitkids-Zertifizierung ist eine engmaschigere Vernetzung von Hilfsangeboten im Ennepe-Ruhr-Kreis gewährleistet“, betont auch Caritasdirektor Dominik Spanke.
„So wird verhindert, dass Betroffene, und in diesem Fall besonders Hilfsbedürftige, nämlich Kinder, durchs Netz fallen.“ Und die Leiterin des Suchthilfezentrums Schwelm ergänzt noch: „Wir sind sehr stolz, dass wir nun das Fitkids-Siegel tragen. Auf diese Weise können wir Kinder aus suchtbelasteten Familien und ihrer Probleme viel mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.“