Ennepetal. . Draußen Demo – drinnen Kriegsrhetorik: In Ennepetal ist die AfD in den Europa-Wahlkampf gestartet. 300 Gegner demonstrierten friedlich.
Auf die Kopfbedeckung der Dame hat es soeben geschneit. Frische Flocken im April, drei Grad. In der Hand hat sie ein buntes Pappschild, das sie an einen Stock gedengelt hat. „Ennepetal ist bunt“, steht darauf. „Ich mache mir Sorgen“, sagt Simone Grünke-Tobies. Deshalb steht sie dort – in der Gasstraße in Ennepetal, in die die Alternative für Deutschland (AfD) ins „Haus Ennepetal“ geladen hat. Auftakt in Nordrhein-Westfalen in den Wahlkampf für die Europawahl am 26. Mai. Partei-Prominenz wie Jörg Meuthen, Bundessprecher und Spitzenkandidat für die Europawahl, vorneweg. Motto: „Wir für ein Europa der Vaterländer“.
In den Ohren derer, die draußen warten, klingt das nicht nur sperrig, sondern weitestgehend „ekelhAFD“, wie eine junge Frau ihr auf Plakat schrieb. Der Kreisverband der Grünen und die Linken riefen zu Gegendemonstrationen auf. Etwa 300 Teilnehmer - zuerst war von 200 die Rede - verzeichneten die beiden angekündigten Veranstaltungen. Mehr als 300 Polizisten – unterstützt aus Teilen zweier Hundertschaften aus Wuppertal und Recklinghausen – sicherten das Areal ab. „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“, skandieren die Demonstranten. Und: „AfD, Rassistenpack.“ Verbaler Konfrontationskurs. Auf ein großes Banner haben Demonstranten geschrieben: „Hier marschiert der rationale Widerstand.“ Zu Zwischenfällen kam es nicht, alles blieb friedlich.
„Schwert schärfen im Kampf gegen vaterlandslose Gesellen“
„Feindliches Feuer unserer Gegner“ hat Helmut Seifen, NRW-Landessprecher der AfD, wahrgenommen. Er benutzt drinnen die Wendung, um zu beschreiben, wie die Arbeit an der Basis für den einen oder anderen AfD-Abgeordneten so ist. Man müsse das „Schwert schärfen im Kampf gegen vaterlandslose Gesellen“.
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„Ich will nicht, dass die hier Fuß fassen und wichtig werden“, sagt Simone Grünke-Tobies, die Ennepetalerin mit dem selbst gebastelten Schild, über die AfD. „Hätte man diese Veranstaltung hier nicht verhindern können?“, fragt sie. Hätte man offenbar nicht. Weil das „Haus Ennepetal“ eine öffentliche Veranstaltungsstätte sei und das Versammlungsrecht im Grundgesetz einen sehr hohen Stellenwert habe. Unbegründet dürfe das Haus potenzielle Mieter nicht ablehnen.
„Natürlich darf sich die AfD hier treffen“, sagt Landrat Olaf Schade, der die Gegenveranstaltung als Privatperson besucht. „Aber wir dürfen auch sagen, was wir von den Inhalten halten, die die AfD anbietet: nämlich nichts. Hier ist kein Platz für Rassismus und der Nähe zu Rechts.“ Ennepetals Bürgermeisterin Imke Heymann appelliert über das Mikrophon an die Demonstranten: „Menschen, die ausgrenzen wollen und Ängste schüren, haben nicht nur hier keinen Platz.“
„Liebe Damen und Herren, hoch verehrte Andersgeschlechtliche.“
Jörg Meuthen betritt im Saal die Bühne. „Liebe Damen und Herren, hoch verehrte Andersgeschlechtliche.“ Ein sicherer Lacher im Publikum. Meuthen arbeitet sich – wie seine Vorredner Gottfried Curio (Mitglied des Bundestages und innenpolitischer Sprecher) und Guido Reil (EU-Listenkandidat) – in seiner Rede an der Europäischen Union ab, vor allem am Regelungswahn. An vielseitigen Verordnungen zu Honig, Pizza Napolitana und Schnullerketten. Und er sagt, dass ein Austritt aus der EU auch für Deutschland eine Möglichkeit sei. „Das wäre der Fall, wenn die Entwicklung immer weiter hin zu vereinigten Staaten von Europa geht.“ Und er sagt auch, dass alle anderen Wege, außer der der AfD, zur Zerstörung der EU führen würden. Matthias Renkel, AfD-Kreissprecher Ennepe-Ruhr, hatte zuvor schon wissen lassen: „Mit dem Einzug ins Europaparlament holen wir uns Stück für Stück unser Land zurück.“ Am Ende erhebt sich das Publikum und applaudiert. Die Nationalhymne wird gesungen.
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Die Gegendemonstration draußen ist da auch wegen einsetzendes Schneefalls längst beendet, was drinnen im Saal mit Zufriedenheit festgestellt wird. Der Klimawandel, den die AfD für eine Verirrung der Wissenschaft hält, habe den „versprengten Haufen, der sich Gegendemo genannt hat“ vertrieben. Ein sicherer Lacher auch das.
Man müsse an die deutsche Vergangenheit denken, allein deshalb sei die AfD unwählbar, sagt Siegfried Flüshöh aus Ennepetal. Diese Partei habe „keine Daseinsberechtigung“. Simone Grünke-Tobies hat schon das Gefühl, dass in Deutschland nicht alles läuft, wie es laufen sollte. Es müsse zum Beispiel mehr in die Bildung investiert werden. Denn mangelnde Bildung führe zu weniger gut gebildeten Menschen. Und die seien anfällig „für sowas“, sagt sie und neigt den Kopf in Richtung Veranstaltungsstätte. „Die AfD ist nicht der richtige Weg.“