Gevelsberg. . Sven Wiesel von der Drogenberatungsstelle sieht Lücken in der Substitutionsbehandlung von Suchtkranken. Beratungsangebot in Gevelsberg gut
Weil das Wetter im vergangenen Jahr so schön war, zählte die Drogenberatungsstelle viel weniger Hilfesuchende als in den Jahren zuvor. „Die Probleme sind durch den schönen Sommer und den warmen Herbst in den Hintergrund gerückt“, sagt Sven Wiesel. Er leitet die Einrichtung an der Hagener Straße und weiß, dass die Zahl der Süchtigen nicht gesunken sei, sie sich nur verschoben habe: in den dunklen Januar und Februar, als ihnen die Notwendigkeit bewusst wurde, dass sie Unterstützung benötigen, weil die Depressionen, Selbstzweifel und damit die Einsicht hervorkamen. So komplex wie sich eine Sucht äußert, so komplex ist auch das Thema. Der Diplom-Sozialarbeiter sagt, „der Südkreis ist mangelhaft aufgestellt, was die Substitution von Suchtkranken angeht“.
Substitution
Sven Wiesel meint damit ehemalige Heroinsüchtige, die mit Ersatzstoffen wie Methadon behandelt werden und sich in eine kontrollierte Abhängigkeit begeben. Sie müssen täglich zum Arzt, sich ihre Dosis abholen, und engmaschig betreut werden. Wie lange das notwendig ist, dass sei bei jedem anders. „Manche bleiben sie ihr Leben lang süchtig.“ Ein normales Leben zu führen sei schwer, wenn sie tagtäglich Stunden unterwegs sind, um Hilfe zu bekommen. Und das müssen sie, wenn sie nach Hagen und Wuppertal unterwegs sind, denn nur dort gebe es derzeit die Möglichkeit dazu. „Man wird zum Sklaven seines Substituts“, sagt der Diplom-Sozialarbeiter und fragt, ob nicht im Helios-Klinikum in Schwelm eine Art Ambulanz eingerichtet werden könnte.
Was fehlt, seien Ärzte vor Ort, die sich um diese Menschen kümmern. Es gebe eine Praxis in Gevelsberg, doch die sei ausgelastet. Die Ärzte müssen eine Zusatzausbildung haben, sagt Wiesel und weiß, dass das zusätzlicher Aufwand sei, Substituierte dazu nicht immer „wartezimmertauglich“ seien. Doch man könne diese Menschen nicht sich selbst überlassen. 30 substituierte Gevelsberger werden aktuell in der Drogenberatungsstelle betreut. Doch die tatsächliche Zahl sei höher, weil durch eine Gesetzesänderung die psychosoziale Betreuung nicht mehr verpflichtend, sondern freiwillig ist. 2015 waren es noch 41.
Angebote
Das Beratungsangebot in Gevelsberg sieht er gut aufgestellt. Mehr als 30 Stunden sind Wiesel und seine Kolleginnen an der Hagener Straße zu sprechen, nicht nur für Süchtige, sondern auch für Angehörige. Viel mehr als in den meisten Städten im Umkreis. Es gebe viele Kooperationspartner und eine große Konstanz bei der Betreuung. Sven Wiesel ist seit 2005 in Gevelsberg im Einsatz, im vergangenen Jahr sind noch Sabine Michel und Laura Kemper dazu gekommen, wodurch das Angebot noch erweitert werden konnte, das aus viel mehr als nur Beratung besteht. Dazu zählen Vermittlung von Therapieplätzen, Präventionsangebote, Spritzentauschprogramme und vieles mehr.
Im Zentrum für seelische Gesundheit in Elsey hat die Stadt Gevelsberg Belegbetten für Alkoholkranke, die eine Entgiftung benötigen. Sechs bis acht Wochen dauert es, bis jemand einen Therapieplatz hat.
Entwicklung
„Die Zahl der Heroinsüchtigen nimmt kontinuierlich ab“, sagt Sven Wiesel, weil es hier keine Infrastruktur dafür gebe. „Eine Drogenszene wie in Hagen, Wuppertal oder Dortmund haben wir nicht“, erklärt Wiesel. Dafür seien andere Süchte im Kommen. Mediensucht zum Beispiel.
Sehr gut ausgestattet sei der Südkreis mit Selbsthilfegruppen, die eine wichtige Arbeit leisten würden. Und noch etwas ist auffällig. Erstens: Es werden immer mehr Frauen suchtkrank. Zweitens: Suchtkrankheiten ziehen sich durch alle Gesellschaftsschichten und treffen jedes Alter, wobei hierbei gilt, je jünger der Betroffene ist, desto schneller werde er süchtig. Die größte Gefahr liegt beim Heroin: Schon der erste Schuss kann einer zu viel sein.
Sven Wiesel nennt ein Beispiel für eine der weit verbreitetesten Abhängigkeit, der Alkoholsucht. Wenn ein Mann tagtäglich mehr als 24 Gramm Alkohol zu sich nimmt, und das über einen längeren Zeitraum, gilt das als Sucht. Das ist der Alkoholgehalt einer Flasche Bier oder von einem Glas Wein. „Frauen sind bei der Alkoholgrenze nicht gleichberechtigt“, weiß der Drogenberater. Bei ihnen gilt die Hälfte als Richtwert. Meist ist von einem Jahr die Rede.
Die Sucht folgt immer einem festen Muster. „Erst kommt der Missbrauch, dann die Gewohnheit und dann das Verlangen des Körpers.“ Ein Teufelskreis, der jeden treffen kann.