Ennepe-Ruhr. . Die Polizei fokussiert sich zunehmend auf Smartphonenutzung am Steuer, überforderte Senioren und Temposünder. Unfallzahlen bleiben konstant.

Die Kreispolizeibehörde des Ennepe-Ruhr-Kreises hat die Unfallstatistik für das vergangene Jahr vorgelegt. Die Gesamtzahl ist leicht steigend, die Todesopfer haben sich von vier auf acht verdoppelt.

Landrat Olaf Schade, der gleichzeitig Chef der Kreispolizeibehörde ist, betont jedoch: „Wir liegen wieder unter den fünf sichersten Gebieten in Nordrhein-Westfalen, und verzeichnen eine gleichlaufende Entwicklung.“ Mario Klein, Leiter der Verkehrsdirektion, der die Zahlen aufschlüsselte, bestätigt: „Wir haben keine Unfallschwerpunkte in unserem Gebiet, das den EN-Kreis ohne Witten umfasst.“ Gleichwohl sieht er Handlungspotenzial für die Behörde.

Neben den Rasern, die vermehrt nicht mehr nur geblitzt, sondern angehalten und zur Rede gestellt werden sollen, will die Kreispolizeibehörde vor allem Senioren, Pedelec-Fahrer und Elterntaxis vor den Schulen ins Auge fassen und auf diesen Feldern präventiv handeln. „Außerdem werden wir intensiv die Ablenkungsdelikte kontrollieren“, sagt Klein. Vor allem die Handy-Nutzung – und hier wird das Schreiben noch mehr als das Telefonieren vermehrt zur Unfallursache. Aber auch die vernetzten Autos an sich bieten immer mehr Ablenkungspotenzial.

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Ursachen

Weiterhin ist überhöhte Geschwindigkeit die Hauptursache für Unfälle auf den EN-Straßen. Um dem entgegenzuwirken, wird die Kreispolizeibehörde ihre Kontrollen umstellen. „Wir werden ab der kommenden Woche nicht mehr bekannt geben, wo wir die Geschwindigkeit kontrollieren“, sagt Pressesprecherin Sonja Wever. Und auch die Art der Kontrolle wird sich ändern. Mario Klein möchte die Verkehrsteilnehmer, die zu schnell unterwegs sind, vermehrt persönlich ansprechen. Das soll in der Praxis so laufen, dass zwar noch die Radarfallen mit den Bezirksbeamten an den Straßenrändern aufgebaut werden, aber zusätzlich werden Polizeibeamte vermehrt die Raser herauswinken und auf ihr Vergehen ansprechen.

Einen noch größeren Fokus legen die Beamten ab sofort auf Kontrollen, was Ablenkungen im Verkehr anbelangt. Bei vielen Unfällen, bei denen die Ursache ungeklärt ist, liege laut Mario Klein zumindest nahe, dass der Verursacher sein Smartphone bedient hat. „Dabei geht es mittlerweile noch nicht einmal mehr so stark um das Telefonieren. Das Schreiben hat zugenommen und ist viel gefährlicher.“ Ebenso böten die neuen, vernetzten Autos immer mehr Möglichkeiten, als Fahrer das Verkehrsgeschehen aus dem Auge zu verlieren.

Senioren

Die Unfälle, die Senioren verschulden, haben im Vergleich zum Jahr 2017 um knapp zwölf Prozent zugenommen. In 72 Prozent der Fälle passieren diese Unfälle beim Abbiegen oder Wenden. Von den acht Verkehrstoten sind fünf Senioren. „Sie rasen nicht, sie trinken nicht, aber sie sind zunehmend überfordert“, sagt Mario Klein. Zudem wächst der Anteil derjenigen, die älter als 65 Jahre sind, an den Verkehrsteilnehmern stetig. „Natürlich ist die Selbsteinschätzung fast immer eine andere als die Realität, außerdem ist es ein schleichender Prozess, dass man mit zunehmendem Alter im Verkehr überfordert ist“, sagt Klein. Er stellt aber gleichzeitig auch die Frage: „Ist es denn wirklich sinnvoll, mit 98 Jahren noch am Straßenverkehr teilzunehmen, wenn man noch nicht einmal mehr den Kopf richtig drehen kann?“

Die Polizei arbeite eng mit der Bußgeldstelle zusammen, wenn die Behörden der Meinung sind, dass jemand nicht mehr in der Lage dazu ist, ein Fahrzeug im zunehmenden Verkehr sicher zu bewegen. Immer wieder gebe es Überprüfungen und dann würden die Führerscheine auch eingezogen. „Allerdings muss man bei diesem Thema sehr sensibel vorgehen, schließlich nimmt man den Menschen ein großes Stück ihrer individuellen Mobilität“, sagt der Leiter Verkehrsdirektion.

Junge Erwachsene

Bei den jungen Erwachsenen, die über viele Jahre die größten Sorgenkinder der Polizei waren, gehen die Unfallzahlen um 13,3 Prozent zurück. Erhöhte Geschwindigkeit ist bei ihnen die Hauptursache für Unfälle. „Alkohol und Drogen sind rückläufig als Ursache“, sagt Klein. Er führt dies auf das begleitete Fahren mit 17 Jahren zurück. Durch einen Erwachsenen auf dem Beifahrersitz während des ersten Jahres, würden die jungen Leute deutlich mehr zur Zurückhaltung und Rücksichtnahme im Straßenverkehr sensibilisiert.

Kinder

Die Anzahl der verunglückten Kinder – sowohl aktiv als auch in der Rolle als Beifahrer – gingen leicht nach oben. Auch hier wird die Polizei ihre Präventionsveranstaltungen weiter durchführen. Mit die größten Sorgen machen der Kreispolizeibehörde weiterhin die Grundschulen. „Hier müssen wir gar nicht blitzen. Da kann niemand rasen, weil alles von den Eltern kreuz und quer zugeparkt wird“, sagt Klein. Das erhöhe jedoch deutlich das Risiko für die Kleinen, wenn sie die Straßenseite wechseln. Das Thema sei seit Jahren akut. Jede neue Elterngeneration müsse auch erneut dafür sensibilisiert werden.