Gevelsberg. . Partei ehrt Heinz-Walter Lingemann, den Vogelsanger aus Leidenschaft, mit der Willy-Brandt-Medaille im Bürgerhaus Alte Johanneskirche.
Das Bundesverdienstkreuz hat er schon seit 14 Jahre. Jetzt kommt die höchste Auszeichnung seiner Partei hinzu. Heinz-Walter-Lingemann bekommt am Sonntag im Bürgerhaus Alte Johanneskirche die Willy-Brandt-Medaille von der SPD verliehen.
Dabei ist es eigentlich Zufall, dass der Vogelsanger aus Leidenschaft 1964 Mitglied bei den Sozialdemokraten geworden ist. Damals war der ehemalige Postbeamte bereits acht Jahre bei den Gewerkschaften aktiv. „Der Vogelsang“, sagt Lingemann, „war in dieser Zeit in Gevelsberg wie das fünfte Rad am Wagen.“ Er habe deshalb seinen Mund nicht halten können: „Ich wurde damals von einem Ratsmitglied angesprochen, doch besser mitzumachen, als immer nur zu reden.“ Zugegeben: Als die Frage auf ihn zugekommen sei, habe er sich noch gar keine Vorstellungen von der Parteiarbeit gemacht. Das Ratsmitglied, das ihn angesprochen habe, sei von der SPD gewesen. Es hätte aber auch die CDU sein können, wenn es anders gelaufen wäre.
Zuerst im Jugendhilfeausschuss
Damals vertrat der heute 78-Jährige den DGB bereits im Gevelsberger Jugendhilfeausschuss. Zwei Jahre nach seinem Eintritt war Heinz-Walter-Lingemann schon im Vorstand des Ortsvereins Vogelsang seiner Partei. Darin ist er geblieben – 52 Jahre sind daraus geworden. Er wurde in den Rat gewählt, hatte als stellvertretender Bürgermeister sogar die Ehre, einmal die Gevelsberger Kirmes zu eröffnen. Lingemann engagierte sich auch im Bauverein, führte dessen Aufsichtsrat. Der Kommunalpolitiker wurde als Rekord-Blutspender geehrt. Er arbeitete ehrenamtlich als Schöffe und als Richter. Seit 1999 ist er Stadtältester.
Wenn der Sozialdemokrat sich an seine ersten Jahre in der Partei erinnert, dann klingt das wie Geschichten aus einer anderen Zeit. Damals hielten es die Genossen nicht nur für ihre Aufgabe, Anträge zu stellen, sie packten auch zu.
Breddepark mit den Genossen errichtet
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So errichtete die SPD in Vogelsang den Breddepark, der in diesen Wochen umgebaut wird. Eine Seilbahn wurde zum Beispiel gebaut und ein Basketball-Feld errichtet. Feste wie den Tanz in den Mai und einen Silvesterball organisierten die Politiker für die Menschen in dem Gevelsberger Stadtteil an der Grenze zu Hagen. „Wir hatten schnell Erfolg“, zieht Lingemann die Bilanz seiner ersten Jahre in der Partei. Ob es nun eine Ampel an der Hagener Straße war oder, dass ein Jugend- und ein Altenheim am Vogelsang das Angebot für die Bürger erweiterten. Parteigenosse Walter Heukeroth besorgte eine alte Lokomotive von der Hasper Hütte, die im Stadtgarten aufgestellt wurde, als Attraktion für die Kinder. „In unserem Skatclub haben wir solche Ideen entwickelt“, sagt Lingemann im Gespräch mit unserer Zeitung
Lingemann war damals noch bekannter als ein bunter Hund. Nicht nur als Politiker. Als Briefträger war er sicherlich jedem Bürger der Stadt persönlich einmal begegnet: „Briefkästen an den Häusern gab es damals noch nicht.“ Später leitete er die Postfiliale am Vogelsang und war in dieser Rolle ein gefragter Gesprächspartner und auch Kummerkasten.
Nicht zufrieden mit der Partei
Den Bekanntheitsgrad hat er nie genutzt, um über die Grenzen der Heimatstadt hinaus eine politische Karriere in Angriff zu nehmen. Seine Erklärung dafür ist für einen Politiker, dem man immer Machtstreben nachsagt, durchaus verblüffend: „Ich war mit den Menschen, die uns vertreten haben, eigentlich immer sehr zufrieden.“ Willi Michels, Hans-Jürgen Augstein, Eugen von der Wiesche und René Röspel – das seien alles Sozialdemokraten als Bundestagsabgeordnete gewesen, denen man in ihrer Zeit vertrauen konnte: „Vor allem René Röspel hätte ich es bei seinem ganzen Engagement gewünscht, dass er ein Ministeramt bekommen würde. Er ist immer für die Bürger da.“
Lingemann erklärt aber auch offen, dass er die Willy-Brandt-Medaille in einer Zeit verliehen bekommt, in der er selbst mit seiner Partei, der SPD, nicht eben zufrieden sei. „Man hört nichts von den Sozialdemokraten im Bund. Ich höre nur etwas von der CDU und CSU“, meint Lingemann, der die prägenden Köpfe an der Spitze der Sozialdemokraten vermisst. Selbst in Bayern, wo im Augenblick der Wahlkampf im vollen Gange sei, würde die Partei nicht das Wort ergreifen: „Wenn ich Umfragen lese, dass wir dort bei 19 Prozent liegen und die AfD bei 17 Prozent, dann stimmt mich das schon bedenklich.“
Für Schröder – gegen die Agenda
Hannelore Kraft habe er geschätzt, bis sie sich still und heimlich verabschiedet habe. Fan von Altkanzler Gerhard Schröder sei er gewesen: In vielen Punkten wie der Außenpolitik, aber die Agenda habe er als Gewerkschafter nicht mittragen können: „Auch wenn viele meinen, sie sei gut für die deutsche Wirtschaft gewesen.“
Auch heute sitzt Hans-Walter Lingemann – verheiratet, zwei Kinder und stolzer Opa von sechs Enkeln – noch regelmäßig auf der Zuschauertribüne im Rathaus, wenn Sitzungen sind. Danach schaut er gerne mal in der Kantine vorbei: „Da sitzt jede Partei in ihrer eigenen Ecke. Früher waren wir alle bunt gemischt durcheinander.“ Ein Zeichen für ihn, das damals der Zusammenhalt besser gewesen sei.