Schwelm. . Deka-Bank-Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater spricht auf Einladung der Sparkasse vor 180 Gästen. Gast aus Frankfurt ist zum dritten Mal in Schwelm.
Schwelm ist nicht Frankfurt am Main. Doch mit Dr. Ulrich Kater wehte in dieser Woche auch ein Hauch von Hochfinanz aus der hessischen Bankenmetropole durch die Städtische Sparkasse zu Schwelm. Der Chefvolkswirt der Deka-Bank Frankfurt sprach bei seinem dritten Besuch in der Kreisstadt über „Politik und Finanzmärkte – wie lange geht das gut?“ Eingeladen zum sechsten Kapitalmarktforum waren 180 Gäste: „Ein neuer Rekord“, wie Vorstandsvorsitzender Michael Lindermann in seinem Grußwort feststellte.
Schuldenuhr läuft rückwärts
Nach seinem fast zweistündigen Vortrag waren den aufmerksamen Zuhörern nicht nur die Zusammenhänge zwischen Politik und Wirtschaft etwas klarer, sondern sie konnten mit dem sicheren Gefühl den Heimweg antreten, das Wirtschaft und Finanzmärkte ein größeres Gottvertrauen in das Handeln der Politikerkaste haben, als Otto Normalverbraucher vermuten würde.
Trotz der politischen und wirtschaftlichen Weltlage sind die Finanzmärkte stark, zeigen sich weitgehend unbeeindruckt vom Tagesgeschäft und sind in Richtung Wachstum orientiert. „Es geht uns doch hervorragend – auch ohne Politik“, sagt Dr. Kater mit Blick auf Deutschland und die seit über vier Monate fehlende neue Regierung. Belgien habe zwei Jahre lang keine Regierung gehabt und Spanien auch und dort wachse die Wirtschaft im vierten Jahr in Folge jährlich um drei Prozent. Der ehemalige Wirtschaftsweise führt das auch auf die stabilen, durch die Politik gesetzten Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zurück.
Für Dr. Kater besteht aus wirtschaftlicher Sicht für Anleger kein Grund zur Sorge. Das Wachstum setzt sich für den Chefvolkswirt fort. Die deutschen Staatsschulden gingen zurück, „die Maastricht-Grenzen für den Euro werden wir 2019/20 nach unten reißen. Die Schulden-Uhr des Bundes der Steuerzahler läuft rückwärts.“ Auf langfristige Sicht sind für Dr. Kater Aktien erste Wahl. „In vier bis fünf Jahren steht der DAX bei 20 000 Punkten“, so Dr. Kater.
Das ist der Teil des Vortrags, der die Zuhörer in der Sparkasse aufhorchen lässt. Zwar bleibt der studierte Volkswirt seiner Rolle treu und gibt keine direkten Anlageempfehlungen, aber zwischen den Zeilen seiner Ausführungen lassen sich Anlagetipps ableiten und die gelten eindeutig Immobilienfonds (für Gewerbeimmobilien) und der Beteiligung am Produktionsvermögen (Aktien/Aktienfonds). Aktien-Käufer brauchen allerdings starke Nerven. Nach dem ersten Rückgang des DAX von ca. 10 Prozent rechnet er noch in diesem Jahr mit einer zweiten Welle. „Es wird holprig bleiben, weitere DAX-Rückschläge in 2018 werden folgen“, so die Prognose von Dr. Kater für die restlichen Monate des Jahres. Der Fachmann sieht den DAX zum Jahresende bei 13 500 Punkten stehen – „wie zum Jahresbeginn 2018“.
Sparzins 2022 bei bis zu 2 Prozent
Stichwort: Zinsen. „Es wird eine sehr, sehr langsame Zinswende werden“, ist die Einschätzung des Finanzfachmanns. Für Juni 2019 prognostiziert Dr. Kater eine erste Zinserhöhung und zwar durch die Notenbanken, die Abschied von den Negativzinsen für Einlagen nehmen. Im März 2020 rechnet er mit einem ersten Zinsaufschlag für das Sparbuch um ¼ Prozent. Bis 2022 sieht er den Sparbuchzins bei 1,5 bis 2 Prozent. „Aber die Inflation wird dann auch bei 2 Prozent liegen. Und einen Kaufkraftgewinn erhalten sie dann erst bei einem Zinssatz, der über 2 Prozent liegen muss.“ Sein ziemlich ernüchterndes Resümee: „Die gesamte Zinslandschaft bleibt unten.“
Auch einige Gedanken zur Strukturreform und zum Verschwinden der Industrie gab es für das Schwelmer Publikum. „Der Anteil der Industrieproduktion an den Volkswirtschaften in Deutschland und Amerika geht zurück“, sagt Dr. Kater und nennt für den Zeitraum von fünf Jahren Zahlen: In Deutschland sinkt er von 45 auf 25 Prozent, in den USA von 30 auf unter 10 Prozent. Ursache sei zu 80 Prozent die technologische Entwicklung, der Rest auf Verlagerung der Produktion zum Beispiel nach China. Dr. Kater sieht aber keinen Grund zur Panik: „Keine Angst, die Wirtschaftssystem werden damit fertig, aber die Übergangszeit macht vielen Leuten Angst.“
Die Weltwirtschaft dehnt sich aus, das BIP wächst, betrug im Jahr 2000 noch 50 Billionen US-Dollar, 2015 bereits 115 Billionen und werde in 2030 bei 200 Billionen US-Dollar liegen. Die Wachstumsmärkte liegen nicht in der westlichen Welt, sondern beispielsweise in China und Indien. „Die wirtschaftliche Neuaufteilung der Welt zieht auch eine politische Neuaufteilung nach sich“, ist sich Dr. Kater sicher.
So viele Daten, Fakten und Prognosen mussten die Zuhörer erst einmal verdauen. Das lässt sich am besten in kleinen Diskussionsrunden bewältigen. Dazu hatten die Besucher nach Abschluss der Fragerunde beim anschließenden Imbiss Gelegenheit, zu dem die Stadtsparkasse in ihr Foyer gebeten hatte.