Ennepetal. . Stadtverwaltung und Stadtbetriebe Ennepetal müssen sich aufgrund einer geänderten Rechtslage mit dem Thema Umsatzsteuer beschäftigen.

Die Stadtverwaltung und die Stadtbetriebe Ennepetal (SBE) müssen sich in den kommenden Monaten mit dem Thema Umsatzsteuer beschäftigen. Theoretisch könnte eine gesetzliche Neuregelung in Deutschland, mit der EU-Recht umgesetzt wird, dazu führen, dass die Stadt die als Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) ausgegliederten SBE wieder eingliedern muss. Doch SBE-Vorstand Joachim Hübner bleibt gelassen: „Die unbedingte Notwendigkeit einer Rekommunalisierung kann ich nicht erkennen“, meint er.

Hintergrund der Problematik ist, dass das deutsche Umsatzsteuerrecht mit europäischem Recht kollidiert. „Die EU setzt stark auf Wettbewerb“, erläutert Kämmerer Dieter Kaltenbach. Daher werde auch die öffentliche Hand als Anbieter im Wettbewerb gesehen. Abgesehen von einigen hoheitlichen Aufgaben wäre demnach alles andere – wie eben bei privatrechtlichen Unternehmen – umsatzsteuerpflichtig. Bisher hatte Deutschland darauf gesetzt, den Status Quo zu erhalten, doch auf Druck der EU-Kommission wurde das Umsatzsteuerrecht ergänzt.

Problem wird 2018 angegangen

Das sei ein Problem für den interkommunalen Bereich, in dem mehrere Kommunen gemeinsam selbstständige Unternehmen gegründet haben, sowie für ausgegliederte rechtsfähige Einrichtungen wie eben die SBE, so der Kämmerer. Künftig müssten dann Leistungen, die die Stadtbetriebe für die Stadt erbringen, mit Umsatzsteuer belegt werden. Umgekehrt würden auch Personaldienstleistungen für die AöR, aber auch private Unternehmen, umsatzsteuerpflichtig. Das könnte unter dem Strich zur Verteuerung der Leistungen und zum Ansteigen des Haushaltsvolumens der Stadt führen.

„Wir müssen das Thema 2018 intensiv angehen“, erklärt Dieter Kaltenbach. Im Sommer 2016 hatte die Politik die eingeräumte Option eines Aufschubs per Beschluss angenommen, so dass das neue Recht erst zum 1. Januar 2021 greift. Ein denkbare Lösung des Problems, die allerdings einen großen Aufwand mit sich bringen könnte, wäre es, die AöR rechtlich in die Stadtverwaltung zurückzuholen. „Sollten wir zu dem Schluss kommen, dass wir das tun müssen, dann möchte ich das nicht erst auf den letzten Drücker tun“, so der Kämmerer. Dann sollte eine Umsetzung nach Möglichkeit schon ein Jahr früher, zum 1. Januar 2020, erfolgen. Finanziell bringe ein solcher Schritt der Stadt keine Nachteile, betont Kaltenbach. Allerdings wäre der Arbeitsaufwand erheblich.

Zuvor in die AöR ausgelagerte Mitarbeiter müssten dann zurückgeholt werden. Nicht zuletzt seien von den SBE in der Zwischenzeit neue Mitarbeiter eingestellt worden, die zuvor nicht bei der Stadt waren. Mit diesen müsste man erst klären, ob sie überhaupt Angestellte der Stadt werden wollten.

„Ohne Druck von außen würde niemand auf die Idee kommen, die AöR wieder einzugliedern“, meint Kaltenbach. Letztlich müsse man prüfen, ob das Aufrechterhalten des Status Quos wirtschaftlich vertretbar sei. „Ich gehe da ergebnisoffen ran“, so der Kämmerer.

Bis Ende des Jahres sollte es nach seinen Vorstellungen eine Entscheidung der Politik geben, damit gegebenenfalls 2019 die Umsetzung angegangen werden könnte.

Projektgruppe wird eingerichtet

SBE-Vorstand Joachim Hübner kündigt an, dass es eine Projektgruppe mit Mitarbeitern der SBE und aus dem Rathaus geben werde, um das Thema des geänderten Umsatzsteuerrechts abzuarbeiten, sagt der SBE-Vorstand. „Wir müssen auch erst einmal gucken, was dazu an Erlassen kommt. Wir sind ja nicht die einzigen Betroffenen. Er gehe aber davon aus, dass es keine gravierenden Veränderungen geben muss. „Wir erfüllen viele hoheitliche Aufgaben der Daseinsvorsorge“, erklärt Hübner. „Der Charakter dieser Tätigkeiten liegt nicht im wettbewerbsrelevanten Bereich.“ Anderes, wie beispielsweise die Müllentsorgung, werde bereits ausgeschrieben. „Es kann sein, dass wir in weiteren Geschäftsfeldern ausschreiben müssen.“ Diese sehe er aber eher in Randbereichen. Bauherrenaufgaben im Tief- und Hochbau beispielsweise seien gar nicht vollständig an Private delegierbar. Er betonte, dass sich die Mitarbeiter der SBE keine Sorgen machen müssten. Außerdem liege seiner Meinung nach eine Chance in dem Thema, so Hübner. „Wir können noch einmal beleuchten, welche Dinge wir selber machen und welche Leistungen wir vielleicht besser einkaufen sollten.“

INFO:

Die eigenbetriebsähnliche Einrichtung „Infrastrukturbetrieb Ennepetal“ (ISBE) wurde zum 1. Dezember 2010 gegründet. Darin eingebracht wurde das Vermögen von Ennepetaler Stadtentwässerung, Gebäudemanagement der Stadt Ennepetal sowie Straßenbau und Betriebshof der Stadt Ennepetal. Der ISBE hat kein Personal, abgesehen vom Betriebsleiter, der zugleich Vorstand der Stadtbetriebe Ennepetal (SBE) ist.

Die Aufgaben des ISBE werden von den gleichzeitig als Anstalt öffentlichen Rechts gegründeten SBE erledigt. Dazu zählen unter anderem Planung, Bau und Unterhaltung der städtischen Verkehrsinfrastruktur, der öffentlichen Grün- und Parkanlagen, der städtischen Spiel- und Sportplätze sowie der städtischen und angemieteten Gebäude, Beschaffung, Bereitstellung und Unterhaltung des Fuhrparks, allgemeine Serviceleistungen für die Stadt (z. B. zur Durchführung von Wochenmärkten und Sonderveranstaltungen, zu Wahlen und Maßnahmen des Umweltschutzes), kaufmännische Tätigkeiten wie Buchhaltung, Kostenrechnung, Vorbereitung des Jahresabschlusses sowie Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge für investive Maßnahmen des ISBE.

Die SBE sind zudem zuständig für die Abwasserbeseitigung, die Abfallentsorgung (an AHE bzw. Fischer & Co. vergeben), die Straßenreinigung und den Winterdienst sowie das Friedhofswesen.

Durch die Gründung der ISBE und der AöR konnte die Stadt vor dem Hintergrund eines zuvor verzeichneten dramatischen Einbruchs bei den Gewerbesteuereinnahmen in der Finanzkrise 2009 stille Reserven in einer Größenordnung von insgesamt etwa 40 Millionen Euro als Sondervermögen heben. Dadurch wurde man in Sachen Haushaltsführung wieder handlungsfähig.