Gevelsberg. .

Es ist ein großer Tag für den kleinen Ben Elias, auch wenn er sich später nicht mehr daran erinnern wird. „Guck mal, er ist gelaufen“, freut sich seine Oma Claudia Ellinghaus und Mutti Melissa strahlt über das ganze Gesicht. Mit 16 Jahren ist die Gevelsbergerin schwanger geworden, mit 17 hat sie ihr Kind geboren. Schritt für Schritt hat sich eine Katastrophe, wie ihre Mutter damals dachte, in einen Glücksfall verwandelt. Der Vater ist immer an ihrer Seite geblieben. „Ich bin total stolz auf die drei“, sagt Claudia Ellinghaus heute.

Gemeinsam zum Happyend

Der Schock, als sie erfahren hat, dass ihre minderjährige Tochter von einem wesentlich älteren Mann schwanger war, ist verflogen: „Michel war immer da. Er arbeitet, um seine Familie zu ernähren. Das ist nicht überall so“, lobt die Großmutter den Vater ihres Enkels. Damit die Geschichte von Melissa, Michel und Ben Elias zu einem Happyend kommen konnte, dazu hat auch Jutta Reinicke-Brückelmann entscheidend beigetragen. Sie ist die Familienhebamme, die das Gevelsberger Jugendamt den jungen Eltern zur Seite gestellt hat.

Melissa Ellinghaus hat ihren kleinen Wonneproppen in Witten geboren und mit ihm die ersten vier Monate in einer Mutter-Kind-Einrichtung verbracht. Dann ging es in die eigenen vier Wände. Aber auch hier wird der Teenager nicht allein gelassen. „Ich bin eine Sozialarbeiterin rund ums Kinderkriegen“, beschreibt Jutta Reinicke-Brückelmann ihren Beruf als selbstständige Familienhebamme. Sie beherrscht die Kunst, immer da zu sein, wenn man sie braucht. „Bei Melissa läuft alles. Sie hat das gut im Griff“, lobt die Familienhebamme die junge Mutter, die nun seit einigen Wochen auf eigenen Beinen stehen muss und will.

Zusammen haben die beiden Frauen den ersten Babybrei gekocht. „Es war Zucchini“, erinnert sich Melissa Ellinghaus noch ganz genau. Jutta Reinicke-Brückelmann hat die junge Mutter auch mit ihrem Smartphone angerufen, als sie im Supermarkt von dem Angebot an Babynahrung erschlagen wurde: „Ich wusste einfach nicht, was ich kaufen sollte.“ Jutta Reinicke-Brückelmann wusste es.

Sie führt die Frauen in ihre neuen Aufgaben als Mutter ein. Die Familienhebamme kümmert sich einfach. Sie achtet auf die richtige Versorgung und Ernährung der Kinder. Sie schaut in den Kühlschrank, ob alles da ist. Sie bespricht die regelmäßigen Besuche beim Arzt und nimmt auch die kleinen oder manchmal auch großen finanziellen Probleme in Angriff. Als Melissa Ellinghaus mit einem Sachbearbeiter des Jobcenters nicht klar gekommen ist, ging sie mit ihr hin und wurde energisch. Jutta Reinicke-Brückelmann versteht ihre Rolle auch als Vermittlerin mit den Behörden.

Begehrt und selten

Hat Melissa Ellinghaus die Arbeit der Familienhebamme als Einmischung in ihr Leben betrachtet? Auf den Gedanken wäre sie gar nicht gekommen. „Nein, auf keinen Fall“, sagt sie, „es war eher so, als hätte ich eine neue Freundin gefunden.“ Wenn eine Frau noch lernen müsse, sich in der Rolle der Mutter wiederzufinden, so könne sie nur zu einer Familienhebamme raten. In diesem Fall wurde sie vom Jugendamt vermittelt. Wer davor zurückschreckt, der muss sich aber auch gar nicht zum Schritt in das Rathaus überwinden. „In Gevelsberg“, erklärt Jutta Reinicke-Brückelmann, „gibt es ein Gutscheinsystem. Die Gutscheine gibt es zum Beispiel bei Gynäkologen und Kinderärzten. Wenn man in der Praxis merkt, dass eine Frau Unterstützung brauchen könnte, dann werden sie herausgegeben. Jeder kann damit den Einsatz einer Familienhebamme für eine Probezeit bezahlen, ohne dass jemals das Jugendamt irgend etwas davon erfährt.“

Solche Hilfe gibt es nicht nur für Mütter, die besonders jung sind. Auch Alleinerziehenden oder Frauen mit Wurzeln im Ausland wird geholfen. Die Familienhebammen betreuen Mütter, die durch eigene Krankheit oder gesundheitliche Probleme in der Familie mehr Unterstützung brauchen, finanzielle Probleme haben oder vielleicht einmal mit Drogen in Kontakt gekommen sind und sich nun Sorgen machen. Eben, eine Frau für alle Fälle. Jutta Reinicke-Brückelmann rät aber auch, sich so früh wie möglich um eine Hilfe zu kümmern. Familienhebammen wie sie sind genauso begehrt wie selten.

Jutta Reinicke-Brückelmann ist überzeugt, dass Melissa Ellinghaus ihre Rolle als Mutter inzwischen beherrscht: „Ich wollte Ben Elias für eine Krabbelgruppe anmelden, aber das hatte sie schon getan.“ Die junge Familie – Mutter, Vater und Kind – ist intakt. Und Melissa schmiedet auch schon Zukunftspläne: „Wenn mein Sohn in den Kindergarten kommt, dann werde ich eine Ausbildung zur Altenpflegerin machen, wie meine Mutter.“ Und Ben Elias soll auch nicht alleine bleiben. Die 18-Jährige wünscht sich noch ein zweites Kind.