Ennepetal/Hagen. .
Diese drei Schlagworte reißen wohl kaum einen Jugendlichen vom Hocker, und auch die meisten Erwachsenen dürften sie nicht als ihr größtes Freizeitvergnügen bezeichnen: Weltethos, Weltinnenpolitik und weltweite ökosoziale Marktwirtschaft. Den Ennepetaler Physik- und Philosophielehrer Klaudius Gansczyk begeistern sie seit mehr als drei Jahrzehnten. Und: Er vermag es, seinen Enthusiasmus für die großen politischen Fragen unsere Zeit auf seine Schüler zu übertragen. Mit durchschlagendem Erfolg: Ex-Schüler Tobias Orthen (26) ist das jüngste Mitglied aller Zeiten der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler.
Erster Todestag des Ex-Präsidenten
Klaudius Gansczyk wohnt mit seiner Ehefrau Hannelore, die am Märkischen Gymnasium Schwelm unterrichtet, in Ennepetal, er selbst arbeitet am Hagener Theodor-Heuss-Gymnasium, das nicht zuletzt wegen des Engagements des Klutertstädters einen exzellenten Ruf in der ganzen Republik genießt. Über allem schwebt der klangvolle Name von Weizsäcker. Der Gedanke der „Weltinnenpolitik“ des Physikers, Philosophen und Friedensforschers Carl Friedrich von Weizsäcker war es, was Klaudius Gansczyk selbst faszinierte. Dahinter verbirgt sich – stark vereinfacht ausgedrückt – das Auflösen der Grenzen zwischen Innen- und Außenpolitik, um die großen Probleme global zu lösen. Mehr als 50 Jahre nach der Weizsäcker-Vision ist dies heute in Bezug auf Migrationsbewegungen, Sicherheitspolitik und globale Wirtschaft aktueller denn je.
Gansczyk beschäftigt sich seit Beginn der 80er Jahre mit dem Thema, hat mehrere Bücher herausgegeben, korrespondiert nicht zuletzt als Mitglied des Vereins Deutscher Wissenschaftler mit den größten Vordenkern des Planeten. Wenn er über dieses Thema spricht, lächelt er permanent, die Augen glänzen, und man glaubt ihm ohne Vorbehalte, wenn er sagt: „Ich bin nicht so wichtig. Aber diese Gedanken müssen fortgeführt werden.“ Um so mehr traf ihn der Tod des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 31. Januar 2015. „Überall wurde von seiner Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes berichtet“, sagt er und will ein Jahr später auf etwas anderes aufmerksam machen: „Er war ein ähnlicher Visionär wie sein Bruder. Er hat bereits vor 20 Jahren gesagt, dass wir die Flüchtlingsströme als einzelne Staaten nicht händeln können.“
Mehr und mehr Schüler begeistert
Gedanken, die aktueller sind als jemals zuvor. Gedanken, die er in seinen Unterricht einfließen lässt. Gedanken, die „ungefähr 25 Prozent der Schüler ebenso faszinieren.“ An vorderster Front Tobias Orthen, der von seinem Ex-Lehrer tief beeindruckt an seiner Kieler Universität eine Veranstaltung zum 100. Geburtstag Carl Friedrich von Weizsäckers 2012 organisiert hat. „Richard von Weizsäcker hat der Bundesregierung abgesagt, ist aber nach Kiel gekommen, weil er von dem Engagement eines so jungen Menschen begeistert war“, sagt Klaudius Gansczyk. Das machte am Hagener Gymnasium die Runde.
Mehr und mehr Schüler beschäftigen sich intensiv mit Politik, Gansczyk chartert Reisebusse, um mit den Jungen und Mädchen zu politischen Vorträgen in die gesamte Republik zu fahren. „Auch ehemalige Schüler kommen von überall her.“ Kontakt halten sie via E-Mail und per WhattsApp. Und zumeist sehen sich ohnehin alle einmal im Jahr zur Zukunftsveranstaltungsreihe im Theodor-Heuss-Gymnasium. Nobelpreisträger und hohe Politiker geben sich hier unter Federführung Gansczyks die Klinke in die Hand.
Im Publikum sitzen junge Menschen, die von der viel besungenen Politikverdrossenheit Lichtjahre entfernt sind. Im vergangenen Jahr – und hier schließt sich der Kreis – kamen zwei ganz besondere Gäste: Tobias Orthen und Ernst Ulrich von Weizsäcker, Sohn des Carl Friedrich von Weizsäcker und einer der größten Visionäre und Befürworter der Weltinnenpolitik unserer Zeit.