Ennepetal. . Speläologie liegt im Trend. Die Mitglieder des Arbeitskreises Kluterthöhle in Ennepetal sind weltweit als Entdecker unterwegs

Mit seinem Quad jagt der Ennepetaler Stefan Voigt über einen geernteten Mais-Acker in Hagen-Holthausen. Mitten auf einer Brache sind zwei weitere Mitglieder des Arbeitskreises Kluterthöhle mit Kleinbagger, Schaufel und Spitzhacke im Einsatz und legen einen 50 mal 50 Zentimeter kleinen Höhleneingang frei. Das Feld hat Vereinsvorsitzender Voigt gepachtet, um eine weitere Höhle zu einem Naturschutzdenkmal zu machen. Unter den Sohlen seiner Stiefel vermutet der 52-Jährige nicht weniger als ein Felsenmeer wie in Hemer.

7000 Euro hat Voigt, der Chef eines Garten- und Landschaftsbetriebes ist, aus eigener Tasche in das Projekt gesteckt. 23 000 Euro Fördermittel bekommt er von der Bezirksregierung Arnsberg.

Preußens hilfreiche Landkarte

Seit 1979 betreibt Stefan Voigt Höhlenforschung, seit 1976 gibt es den Verein. Die Zahl der Mitstreiter wächst stetig - von 20 auf mittlerweile 110. Ein allgemeiner Trend, der bei Höhlenvereinen zu beobachten ist.

Die Ennepetaler gelten in Fachkreisen als besonders raffinierte Entdecker, zuletzt vor wenigen Monaten in Wuppertal. Dann schlagen sie in ihrer Freizeit Zelte auf, graben Felslöcher frei und kriechen im Schein der Helmlampen in die Dunkelheit. Ihre Aufgaben: Sie vermessen Höhlen, sie kartieren sie, sie analysieren ihre Geologie und erforschen ihre Bedeutung für den Wasserhaushalt.

Voigt wird unter Forschern eine besonders gute Nase für neue Höhlen nachgesagt. Die brauche man auch, weil es „bis heute nicht möglich ist, Höhlen zu orten“, sagt er. In Holthausen, gibt der 52-Jährige zu, habe auch eine preußische Landkarte aus dem Jahr 1934 geholfen.

„Ein Bach der verschwindet, Kalkstein, all das ist immer gut für eine Höhle“, erklärt Stefan Voigt. In Hagen-Holthausen habe es allerdings 21 Jahre gedauert, bis er sein neues Projekt in Angriff nehmen konnte. Erst 2015 erlaubte ihm die Stadt, Erde zu bewegen.

Immer noch sind viele Höhlenforscher illegal unterwegs. Der Arbeitskreis Kluterthöhle schließt hingegen Verträge mit den Grundstückseigentümern ab. Auf zehn Seiten ist alles rund um Sicherheit und Forschung geregelt. Der erste Vertrag wurde 1990 mit Hagen abgeschlossen. Städte wie Ennepetal, Wuppertal oder der Bergische Kreis folgten und traten hoheitliche Aufgaben ab. Mittlerweile besitzen die Verträge deutschlandweit Modellcharakter.

Kaum ein zweiter Höhlenforscherverein hat in Deutschland mehr Höhlen entdeckt. So wie die Heilenbecker Höhle 1983 am Rande eines Ennepetaler Steinbruchs, eine der längsten Höhlen Deutschlands, oder die wegen ihrer berühmten Knochenfunde von Menschen aus der frühen Mittelsteinzeit und Jungsteinzeit bekannte Hagener Blätterhöhle.

Auch international sind die Mitglieder des Ennepetaler Arbeitskreises als nimmermüde Entdecker gefragt: 2014 waren sie in Laos unterwegs. „Wir sollten für die Regierung Höhlen finden, damit sie dann touristisch genutzt werden können“, berichtet Voigt.

Weltweit haben die Ennepetaler in Höhlen Unerwartetes entdeckt, so wie Leichen aus dem Bürgerkrieg zu Zeiten des kambodschanischen Diktators Pol Pot. Im kambodschanischen Kampot fühlten sie sich gar wie Filmabenteurer Indianer Jones. Dort stießen sie in einer Höhle auf einen Tempel aus dem 5. Jahrhundert.

Die Angst vor dem Dschinn

Besonders im Gedächtnis bleibt dem Vereinsvorsitzenden ein Ereignis nahe der syrischen Stadt Rakka, heute Hochburg der radikal-islamischen IS. Einheimische Helfer hatten sie noch angefleht, „nicht ins Dunkle zu gehen“. Statt eines Dschinns (Geistwesen) entdeckten sie die größte Gipshöhle Vorderasiens. Aus purer Erleichterung, der damaligen Regierung nicht erklären zu müssen, warum die Deutschen spurlos verschwunden sind, wurde ein Fest gefeiert.

Dem modernen Höhlenmenschen Stefan Voigt lässt das Höhlenfieber nicht mehr los: „Man schiebt ein paar Felsen zur Seite und stößt in Gebiete vor, die nie zuvor ein Mensch betreten hat.“ Wenn man einmal etwas Neues entdeckt habe, habe man Blut geleckt. „Höhlen sind das Archiv der Erde.“ Ihm reiche ein faustgroßes Loch und ein Luftzug, um sich Wochen später furchtlos durch enge Felsspalten zu quetschen. Ein „Handicap“, sagt er mit Blick auf seinen nicht existierenden Waschbrettbauch, setze ihm ab und zu Grenzen auf: „Manchmal habe ich den Eindruck, dass Höhlen zuwachsen können.“

1200 Höhlen sind im Rheinischen Schiefergebirge bekannt. 59 davon gelten als Großhöhlen. Das Mittelgebirge umfasst die Länder NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.

Speläologie (Höhlenforschung) kann man in Österreich studieren.

Weitere Informationen zum Arbeitskreis Kluterthöhle unter www.akkh.de