Düsseldorf. Erst heftig kritisiert haben neue Spielformen einen Boom im Jugendfußball ausgelöst. Resultat: So viele Bambinis gab’s in Düsseldorf noch nie.

Es gibt es einen regelrechten Boom, was den Kinderfußball angeht. In der Stadt und im Fußballkreis Düsseldorf werden überraschend immer mehr Bambinis, F- und E-Jugendliche beider Geschlechter registriert. „In Düsseldorf gibt es eine Austrittsquote in diesen Altersklassen, die sich nur noch bei einem Prozent (wegen Umzug) bewegt“, erklärt Michael Klause, Jugendtrainer und Geschäftsführer der Fußball-Jugendabteilung bei Sparta Bilk, einem der Vereine, der wegen des großen Andrangs keine Nachwuchstalente mehr aufnehmen kann.

Grund für den positiven Trend sind die neuen Spielformen in den drei jüngsten Klassen im Kinder-Fußball. Diese funktionieren, obwohl viele Kritiker der Reform vorher behauptet hatten, dass man die Kinder früh abhärten und an Siege sowie bittere Niederlagen gewöhnen müsse. „Das ist absoluter Quatsch, wenn man sieht, dass die Eltern ihre Kinder im SUV direkt vor die Schultüre bringen“, sagt Klause, der die neuen Spielformen für die fußballerische Entwicklung genauso wichtig einschätzt wie auch für die Bewegungsfreude der Kinder. „Es geht nicht mehr darum, dass sich Trainer profilieren und Eltern auf Kosten ihrer Kinder den Ehrgeiz ausleben können.“ Viel schöner sei es zu beobachten, wie sich alle Kinder eines Teams mehr bewegen und im Spiel Drei gegen Drei viermal so viele Pässe spielen und viel öfter am Ball sind als beim Sieben gegen Sieben.

Zunächst muss investiert werden

Bei Sparta Bilk musste zwar zunächst investiert werden, um weitere Mini-Tore anzuschaffen – und an einem Spieltag müssen mehr Spielfelder eingerichtet werden, aber das Ergebnis der Bemühungen sei an den strahlenden Gesichtern der Kinder sehr eindeutig abzulesen, heißt es bei Sparta,

Nur noch kleine Tore und ein Mini-Spielfeld, kein überehrgeiziger Wettkampf mehr, der in Tabellen nachzulesen ist, und keine rivalisierenden Trainer mehr, die sich fast an den Kragen gehen. Letzteres gibt es mit den neuen Spielformen nicht mehr, die ab der Saison 2024/25 für alle Verbände im Deutschen Fußball-Bund verbindlich sein werden.

Der Fußballkreis Düsseldorf hat mit dem Pilotprojekt bewiesen, dass bekannte Fußballgrößen wie Ralf Rangnick, Steffen Baumgart oder Hans-Joachim Watzke mit ihrer Kritik nicht unbedingt richtig liegen. Denn jetzt haben nicht nur die talentiertesten kleinen Kicker Spaß. Jetzt können sich auch Talente über die Zeit entwickeln, die vielleicht am Anfang noch zu klein oder noch nicht so beweglich waren, um mitzuhalten.

Das Pilotprojekt im Fußballkreis Düsseldorf läuft seit zwei Jahren. Immer wieder setzen sich die Verantwortlichen zusammen, um Regeln oder Verfahrensweisen zu verändern, und damit den Kindern noch mehr gerecht zu werden. „Bei den Vereinen haben wir offene Türen eingerannt, auch Fortuna unterstützt uns“, sagt Rudolf Schwarzer, Vorsitzender des Kreisjugend-Ausschusses. „Wir wollen früh die Individualität und nicht den System-Fußball fördern.“ Er ergänzt das mit den erfreulichen Zahlen: 70 Bambini-Mannschaften mit gut 1000 Kindern, doppelt so viele F-Jugend- sowie 163 E-Jugend-Teams sind im Bereich des Fußball-Kreises aktiv, so viele wie nie zuvor.

Ute Groth: Der Leistungsgedanke kommt noch früh genug

„Ich finde diese Reform sensationell gut“, sagt Ute Groth, die Vorsitzende der DJK TuSA Düsseldorf. „Den Kindern wird der Druck genommen, sich zu behaupten. Sie bewegen sich nun viel mehr, haben öfter den Ball.“ Ute Groth hat selbst Jugendmannschaften trainiert und weiß, dass die Entwicklung der Kinder völlig unterschiedlich sein kann und sich das Bewegungsgefühl im Raum bei jedem Kind zeitlich anders ausprägt. „Die Eltern müssen sich keine Sorgen machen, dass ihre Kinder keine Erfolgserlebnisse haben. Es sind zwar Spiele dabei, in denen die Kinder mal 3:10 verlieren, aber in anderer Formation gewinnen sie dann auch mal hoch.“ Aber die Ergebnisse haben keine Konsequenz, weil sie nicht in einer Tabelle nachzulesen sind. Der Leistungsgedanke komme noch früh genug, meint die TuSA-Vorsitzende, die übrigens inzwischen in Düsseldorf keinen Unterschied mehr zwischen Mädchen und Jungen ausmachen kann. „Das war früher anders, weil die Mädchen meist später mit Fußball angefangen hatten.“

Der Fußballverband Niederrhein ist sehr zufrieden mit der Entwicklung des jüngsten Nachwuchses im Fußballkreis Düsseldorf. Der Kritik, dass der Leistungsgedanke unbedingt früh im Vordergrund stehen sollte, begegnet auch Stefan Wiedon mit einer einfachen These. Der Düsseldorfer Ratsherr (CDU), der beim Fußballverband Niederrhein als pädagogische Fachkraft für Jugendbildung arbeitet, erklärt: „Es gibt im Kindergarten auch noch keine Noten, warum sollen wir also dann im Fußball so früh mit Leistungsstress anfangen?“

Spielenachmittage und Festivals statt ehrgeizigem Meisterschaftsbetrieb

Spielenachmittage mit Festivals mehreren Mannschaften und Spielfeldern sind für die Altersklasse U6 bis U11 vorgesehen. Integriert in die Spielformen ist ein Rotationsprinzip mit festen Wechseln der Spielerinnen und Spieler, um für alle Kindern Einsatzzeiten zu schaffen. Es wird auf Minitore – zum Teil mehrere – gespielt. Wichtigstes Ziel der Reform ist es, mit einer kindgerechten Art des Fußball den Spaß am Spiel nachhaltig zu fördern, es werden mehr Aktionen und Erfolgserlebnisse ermöglicht. Es gibt keine Meisterschaftsrunde mehr. Torhüter kommen erst ab der E-Jugend regelmäßig zum Einsatz.