Düsseldorf. Baumaßnahmen und OSD-Präsenz sollen die Drogen- und Wohnungslosen-Szene aus der City verbannen. Experten warnen, das verschärfe die Probleme nur.
Wohin sollen Menschen gehen, die kein Zuhause haben? Mit dieser Frage haben sich am gestrigen Dienstag Obdachlose, Suchtkranke, Streetworker und die Politik auseinandergesetzt. Treffen plus Kundgebung fanden auf dem leerstehenden Platz neben dem Gesundheitsamt an der Kölner Straße in Oberbilk statt, der eigentlich ein Kandidat für einen solchen „Szene-Treffpunkt“ wäre. Die Situation von Suchtkranken und Wohnungslosen ist dramatisch, heißt es.
Die „Bemühungen seitens der Stadt, mittels Baumaßnahmen wie am Worringer Platz oder dem Immermannhof auf der Rückseite der Zentralbibliothek die Drogenszene zu vertreiben“, hätten mehr geschadet als genutzt, sagt Oliver Ongaro, Sozialarbeiter beim Straßenmagazin Fiftyfitfty. Durch die Präsenz des Ordnungs- und Service-Dienstes (OSD) gerade am Worringer Platz sei die Drogenszene eben nicht unter Kontrolle gekommen, sondern nur verdrängt worden. In der Konsequenz seien die Menschen jetzt in der Baugrube auf dem ehemaligen Postgelände des Grand Centrals. Dort hätten aber weder der OSD noch die Streetworker Zugriff auf die Szene.
Das Geschehen verlagert sich
Was das bedeutet, erklärt Betti Tielker von der Wohnungslosenhilfe Care24. Die Grube sei ein rechtsfreier Raum und für alle Beteiligten gefährlich. So werde nicht nur offen mit Drogen gedealt, es komme auch in zunehmenden Maße zu Vergewaltigungen. Tielkers Dienst leistet seit 23 Jahren medizinische Versorgung bei Wohnungslosen. Aus der Praxis könne sie berichten, dass die Gewalt innerhalb der Szene drastisch zugenommen habe. So müssten immer mehr Messerschnitte und -stiche versorgt werden. Außerdem hätten sich die Drogenproblematiken verschärft. „Das große Problem heute ist Crack. Die Leute sind wie Zombies, achten gar nicht mehr auf sich.“ Hinzu komme der Mischkonsum: „Immer jüngere Menschen sind multitoxisch.“ Das schlage sich auch in der psychischen Gesundheit nieder, demnach seien etwa 90 Prozent der Wohnungslosen psychisch krank, was wiederum verstärkend auf die restlichen Problematiken wirke.
Eine große Szene
Michael Harbaum von der Drogenhilfe Düsseldorf sprach von etwa 1800 Drogenkranken, die in Behandlung seien. Die Dunkelziffer sei natürlich deutlich höher, hier müsse mit etwa 3500 gerechnet werden. Diese Menschen zu vertreiben, habe keinen positiven Effekt, ganz zu schweigen davon, dass sie ein Recht hätten, sich draußen aufzuhalten, sich zu vernetzen. Deswegen brauche es Plätze, an denen sie „einfach sein dürften“.
Dies sieht auch Thomas Tackenberg so, Lehrbeauftragter an der Hochschule Düsseldorf und Streetworker bei „aXept“ in der Altstadt. „Es gibt Menschen, die den Lebensmittelpunkt Straße haben.“ Diese gelte es auch zu respektieren. Durch die ordnungspolitischen Maßnahmen würden diese Menschen aber nicht nur vertrieben, auch der „Gesundheitszustand ist gesunken“. Durch die längeren Wege käme es vermehrt zu Fußwunden. Die Suchtkranken und Obdachlosen verteilten sich nun in den Wohngebieten. Eine Situation, die keiner der Beteiligten so wolle.
„Hammerschläge in Quark“
Thomas Wagner von der Altstadt-Armenküche teilt die Ansicht. Er vergleicht die Stadtpolitik mit „Hammerschlägen in Quark“. Durch die massive Präsenz des OSD zu bestimmten Zeiten würden die Menschen vertrieben, hielten sich in den Wohngebieten auf und strömten nach Abzug des OSD zurück auf die Plätze. Dabei komme es zu Konzentrationen und damit zu mehr Konflikten.
Diese Einschätzung teilt auch der stellvertretende Bürgermeister des Stadtbezirks 3, Marko Siegesmund (SPD). Am Worringer Platz kumuliere sich die Szene. Eine gewisse Verteilung brauche es also durchaus, nur eben keine unkontrollierte, wie es momentan der Fall sei. Er wisse von Fällen zu berichten, in denen sich die Drogenszene schon weit in die Wohngebiete um den Hauptbahnhof verteilt hätten. Damit verbunden war eine deutliche Kritik an die Verwaltung: „Dass die Gründen die Law-and-Order-Politik der Stadtspitzen mitmachen, betrübt mich.“
Tackenberg und Wagner heben hervor, dass solche Plätze naturgemäß nah am Hauptbahnhof liegen müssten. „Das ist in jeder Großstadt der Fall. Hier trifft sich die Szene.“ Und das sorge auch für eine gewisse Steuerbarkeit, hier seien die Leute für Sozialarbeiter erreichbar. So hob Tielker hervor, dass durch die massive OSD-Präsenz nachhaltiges Streetworking unterbunden würde. „Wir werden von der Stadt bezahlt, genauso wie der OSD: Die Stadt arbeitet hier gegen sich selbst:“