Dortmund. NRW mietet ein Hotel für Flüchtlinge, im Januar sollen bis zu 400 Menschen einziehen. Dortmund nennt das Verfahren ein „Stück aus dem Tollhaus“.
Wochenlang war über die Ankündigung gerätselt worden, nun steht es fest: Das Land wird in Dortmund schon zum 1. Dezember ein Hotel anmieten, in das bis zu 400 Geflüchtete einziehen sollen. Das zuständige Landesministerium ringt seit Monaten um weitere Zentrale Unterbringungseinrichtungen (ZUE), nun wurde sie im Ruhrgebiet doch noch fündig. Der Vertrag läuft zunächst für fünf Jahre.
Buchbar ist noch bis zum 13. November, danach ist für Tagungsgäste kein Zimmer mehr frei im „lebendigen und preiswerten Hotel, das allen offensteht“. So wirbt das „Ibis Dortmund West“ für sein Drei-Sterne-Haus im Stadtteil Oespel, ganz in der Nähe des Autobahnkreuzes Dortmund-West (A40/A45), des Einkaufszentrums Indupark und des Technologiezentrums. Eigentlich ein Ort für Geschäftsreisende, 109 „komfortable“ Doppelzimmer ab rund 90 Euro pro Nacht, Tagungsräume, Restaurant in einem schmucklosen Zweckbau auf der grünen Wiese.
Land hat es eilig: Tausende Plätze für Flüchtlinge dringend gesucht
Die Stadt nennt das Haus „leerstehend“, aber das letzte Zimmer ist noch am 13. November buchbar. Dann jedoch nur noch für eine Nacht. Ab dem 1. Dezember ist das Land NRW Mieter des ganzen Hotels. Schon zum 1. Januar sollen die ersten Menschen einziehen, bis zu 400 in 109 Räumen – das heißt, dass Betten zugestellt werden müssen. „Ambitioniert“ nennt Jörg Süshardt, Leiter des Dortmunder Sozialamts, den Zeitplan. Aber den hatte Flüchtlings-Ministerin Josefine Paul (Grüne) bereits Ende September so angekündigt.
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Denn das Land hat es eilig. Man prüfe „alle landesweit in Frage kommenden Liegenschaften mit Hochdruck“, teilte die Bezirksregierung Arnsberg am Dienstag mit. Dabei sei ein „Hauptkriterium“ für die Auswahl, wie schnell eine Inbetriebnahme erfolgen könne. Im Ibis-Hotel nun seien „die notwendigen Maßnahmen zur Herrichtung zügig umzusetzen“. Die Verträge mit dem Eigentümer und „die erforderlichen rechtlichen Absprachen mit der Stadt Dortmund“ sowie dem Fachministerium in Düsseldorf seien unter Dach und Fach.
Oberbürgermeister an Flüchtlingsministerin: „Danke für gar nichts!“
Tatsächlich wurde vor wenigen Tagen zunächst der Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk Lütgendortmund informiert. Nachdem die Ruhrnachrichten den Namen des Hotels zu Wochenbeginn veröffentlichten, zogen Stadt und Bezirksregierung am Dienstag nach und bestätigten die Pläne. „Die bisher als Hotel genutzte Immobilie ermöglicht die Unterbringung von 400 Personen und soll zunächst für fünf Jahre genutzt werden.“
Ursprünglich hatte Paul im September von einer Einrichtung für bis zu 500 Menschen gesprochen. Dass sie es überhaupt tat, in einer Ausschusssitzung des Landtags, hatte Dortmund „sehr irritiert“ zur Kenntnis genommen. Zwar habe die Stadt gewusst, dass der Standort geprüftwerde, sagt Oberbürgermeister Thomas Westphal am Dienstag, man war ja schon seit einem Jahr in Gesprächen. Man habe das aber erst öffentlich machen wollen, wenn die Sache konkret sei und „nicht informieren über etwas, das womöglich gar nicht kommt“. Das Verfahren und seine Kommunikation sei „ein Stück aus dem Tollhaus“, so Westphal, das habe er auch der Ministerin telefonisch mitgeteilt. „So geht’s nicht! Danke für gar nichts.“
Landeseinrichtung: „Wir wollen das gemeinsam realisieren“
Die ZUE kommt wahrscheinlich trotzdem, und damit ist der OB auch grundsätzlich einverstanden. Er selbst hatte gemeinsam mit dem Städtetag immer wieder gefordert, das Land müsse mehr Plätze für Geflüchtete in Einrichtungen schaffen. 70.000 halten die Kommunen für nötig, NRW hat bislang die Zielmarke 35.000 ausgegeben, sie aber noch nicht erreicht. Nun sollen in Dortmund 400 weitere Flüchtlinge vorübergehend aufgenommen werden. „Wir glauben, dass das so funktioniert“, sagt Westphal nun, „wir wollen das gemeinsam realisieren.“
Kommt Gegenwehr aus dem Rat? Keine ZUE „in einer Stadt, die nicht zustimmt“
Auch das spricht aus Sicht der Stadt dafür: Das Land übernimmt für eine ZUE die Kosten, die Zuweisungen von Geflüchteten werden der Kommune angerechnet. Derzeit kommen jede Woche bis zu 130 neue Geflüchtete in Dortmund an, in dieser und der nächsten Woche jeweils 79. Rein rechnerisch könnte die neue Übergangs-Einrichtung bedeuten, dass die Kommune etwa fünf Wochen keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen muss.
Trotzdem tagt zunächst der Stadtrat, eine Sitzung ist für den 8. November terminiert. Ein Ratsbeschluss allein kann formal die Entscheidung des Landes nicht kippen. Dennoch sieht der Oberbürgermeister hier noch eine Hürde: „Man baut eine ZUE nicht in einer Stadt, die nicht zustimmt.“ In Gladbeck hatte sich die Politik erfolgreich gegen eine Landeseinrichtung gewehrt, in Arnsberg protestierten Bürger so heftig, dass die Unterkunft ebenfalls nicht kam. In Dortmund ist ein Bürgerdialog erstmals für den 15. November geplant. Das ist in drei Wochen.
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Flüchtlingsunterkunft: „Umfeldmanager“ soll zwischen Nachbarn vermitteln
Unterdessen sucht die Bezirksregierung für die neue Einrichtung Dienstleister für Betreuung und Sicherheit. Dortmunds Stadtspitze hatte wiederholt darauf hingewiesen, dass auch in einer Landesunterkunft – in der Geflüchtete nur maximal zwei Jahre bleiben sollen, bis über ihren Asylantrag entschieden ist – Standards bei der Qualität der Betreuung eingehalten werden müssten. Das Land kündigt nun neben Kleiderkammer und regelmäßigen Mahlzeiten auch eine Sanitätsstation und Beschäftigungsmöglichkeiten an. Erst nach einem Jahr, im Frühling 2025, soll es auch Bildungsangebote und Integrationskurse geben.
Zudem plant NRW für Dortmund sogenannte „Umfeldmanager“, die zwischen der Einrichtung und den Nachbarn vermitteln. Rund um die ZUE etwa in Mülheim hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Ärger gegeben. Dort leben seit Juni etwa 600 Geflüchtete am Rande der Stadt in einem Neubaugebiet.
In Dortmund zieht die Unterkunft nun ebenfalls an den Stadtrand, mehrere Wohngebiete, vor allem aber der Indupark sind fußläufig erreichbar. Zunächst hatte man in der Stadt über einen anderen Standort spekuliert: das Landhaus Syburg tief im Süden, das bereits seit 2015 unter anderem als Flüchtlingsheim genutzt wurde. Das allerdings galt mit seinen 61 Betten von Beginn an für die Pläne des Landes als zu klein.