Ruhrgebiet. Keine Entwarnung fürs Land: Es regnet und die Pegel werden weiter steigen. Entspannt ist die Lage nur an der Emscher.

Es regnet schon wieder, mehr oder weniger ohne Pause. Ist nach dem Hochwasser Ende 2023 also vor dem Hochwasser Anfang 2024? Für eine Entwarnung sei es zu früh, sagen die Behörden.

Die Wetterlage

„Alles andere als gemütlich“, findet Tanja Sauter, Meteorologin des Deutsche Wetterdienstes. „Sehr regnerisch, sehr wolkig, sehr windig!“ Man rechne für weite Teile NRWs weiterhin mit Dauerregen, entsprechende Warnungen seien bereits „raus“. Der Regen werde erst ab Mittwoch zu Schauern übergehe. Am Freitag könnten aber „gerade in Nordrhein-Westfalen erneut große Niederschlagspakete reinkommen“. Gegen Ende der Woche wird es zudem wieder kälter. Die vergleichsweise milden Temperaturen von derzeit zwölf bis 15 Grad sinken voraussichtlich auf Höchstwerte von drei, vier Grad. „Nachts wird’s dann auch wieder frostig“, so Sauter. Ihre Hochwasser-Prognose? Wird es wieder so schlimm wie Weihnachten? „Ich sag mal so“, sagt Sauter, „in den betroffenen Regionen ist die Situation ja noch immer angespannt und die neuen Niederschläge kommen nun ja noch obendrauf.“

Die Talsperren

„Wir sind vorbereitet“, sagt Britta Balt, Sprecherin des Ruhrverbandes. Die „Regenpause“, die letzten Tage mit geringeren Niederschlägen, habe man genutzt, „um Freiraum in den Talsperren zu schaffen“. Der Füllstand liegt aktuell bei 85,5 Prozent, Tendenz fallend. Vor Weihnachten waren die Talsperren zu über 90 Prozent voll. Man rechne mit flächendeckendem, sehr ergiebigen Dauerregen und hoffe, erneut das zurückhalten zu können, was oberhalb der Talsperren an Regen falle und so „die Hochwasserspitzen zu meistern“. Zu Weihnachten, erklärt die Expertin, sei am Pegel Hattingen der höchste Wasserstand mit 6,1 Meter gemessen worden. „Ohne den Rückhalt der Talsperren wäre das ein halber Meter mehr gewesen.“

Die Flüsse

Deich in Duisburg: Auch hier kann von Entwarnung in Bezug auf die Hochwasserlage noch nicht die Rede sein.
Foto: Fabian Strauch / FUNKE Foto Services GmbH
Deich in Duisburg: Auch hier kann von Entwarnung in Bezug auf die Hochwasserlage noch nicht die Rede sein. Foto: Fabian Strauch / FUNKE Foto Services GmbH © Funke Foto Services | Fabian Strauch

Am Dienstagmorgen wurde laut Landesumweltamt NRW noch an acht Flusspegeln die Warnstufe 2 überschritten. Das heißt: Dort könnten Grundstücke oder Keller überflutet werden. Warnstufe 3 wurde nirgendwo mehr erreicht, auch nicht mehr an der Weser. Beim Ruhrverband geht man aber davon aus, dass die Pegel hier „weiter deutlich steigen werden“. Am Dienstagmittag hätten, so Sprecherin Britta Balt, im Einzugsgebiet der Ruhr bereits vier Pegel über dem „Informationswert 1“ gelegen, der die drohende „Ausuferung eines Gewässers“ und die mögliche Überflutung land- und forstwirtschaftlicher Flächen kennzeichnet. Sorgen bereite weiter der Deich am Ruhrpark in Oberhausen, hieß es bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Vor Ort würden Ruhrbogen und Deich intensiv beobachtet. Für den Rhein erwartet die Hochwasservorhersagezentrale ab Mittwoch wieder steigende Pegelstände.

„Grünes Licht“ zeigen dagegen die Hochwasser-Ampeln an der Emscher, so Ilias Abawi Sprecher von Emschergenossenschaft/Lippeverband. „Wir sind weit weg von einer kritischen Hochwasserlage. Unsere Maßnahmen im Zuge der Renaturierung entfalten Wirkung. Sie haben dazu beigetragen die Welle abzumildern.“

Anders stelle sich die Lage an der Lippe da: Die sei im Gegensatz zum „Sprinter“ Emscher eher ein „Langstreckenläufer“ und stark beeinflusst von Zuläufen außerhalb des Verbandsgebiets. Bereits drei „Lippe“-Ampeln zeigten (im Bereich Dorsten) „rote Tropfen“. Das bedeutet: „Wir sind dort im Hochwassereinsatz, kontrollieren rund um die Uhr die Schutzmaßnahmen, laufen die Strecken regelmäßig ab.“ Bis Ende der Woche werde die Lage angespannt bleiben, denkt Abawi. Er rechnet mit einem Scheitern des Pegels für den 4. Januar. Unter anderem der Lippedeich in Hamm, der mit 17 Metern übrigens höchste Flußdeich Europas, sei in der letzten Woche vorsorglich verstärkt worden. „Wir kommen durch“, verspricht Abawi, „mit einer dicken Lippe, aber ohne blaues Auge“.

Unna: Risse im Mauerwerk

Aufgeschreckt im Zusammenhang mit den heftigen Niederschlägen der letzten Tage hat ein Vorfall in Unna. Am Tag vor Silvester mussten dort in der Hortensienstraße insgesamt 37 Menschen ihre Einfamilienhäuser verlassen – nachdem sie Risse im Mauerwerk entdeckt hatten. Feuerwehr und Experten des Technisches Hilfswerks hatten auf „Einsturzgefahr“ für 20 betroffene Gebäude erkannt und zur Evakuierung geraten. Inzwischen durften die meisten Bewohner wieder in ihre Häuser zurückkehren. Das Betretungsverbot gelte nur noch für zwei Gebäude, erklärte Anna Gemünd, Pressesprecherin der Stadt Unna, am Dienstag. Am Neujahrstag sei ein externer Gutachter vor Ort gewesen, der die Schäden erneut beurteilt habe.

Unklar bleibt deren Ursache, „es wird auch dauern, bis das endgültig geklärt ist“, meint Gemünd. Bisher gehe man aber davon aus, „dass die aktuellen hohen Niederschlagsmengen in Kombination mit dem ohnehin hohen Grundwasserstand in dem betroffenen Gebiet die Ursache für die zu beobachtenden Schäden sind.“ Für die weiterhin gesperrten Häuser untersagte die Untere Bauaufsichtsbehörde am Dienstag formal die Nutzung. Gefahr für Leib und Leben sei nicht auszuschließen.

Minden: Bakterien im Trinkwasser

In Minden müssen die Menschen wegen der Wetterlage seit einigen Tagen ihr Trinkwasser abkochen: Durch das massive Hochwasser der letzten Woche seien Bakterien ins Wasser gelangt, heißt es auf der Seite der Stadt. Betroffen sei fast das gesamte Stadtgebiet. Laut Mindener Gesundheitsamt könnten die Keime Durchfälle und andere Erkrankungen verursachen. Von einem ähnlichen Fall hat Birgit Kaiser de Garcia vom Lanuv zuvor nie gehört. Dass Schadstoffe in Oberflächengewässer ausgespült würden, wenn im Sommer bei Starkregen Felder gedüngt würden, käme dagegen häufiger vor. „Und dann können diese Gewässer auch umkippen.“