Balve. .
Geht Tierliebe über Nächstenliebe? Offenbar haben die Menschen mehr Mitleid mit einem geprügelten Hund als mit geschlagenen Erwachsenen, weil die emotionale Bindung zu Tieren größer ist. Zu dem Ergebnis kommen die Forscher von der Universität Boston.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Katzen und Hunde den Tierärzten aus Balve und Altenaffeln zur Behandlung zugeführt wurden. Wenn es jedoch um die Bezahlung der Rechnung ging, sind die Tierärzte zumeist auf ihren Kosten sitzen geblieben. „Wir sind natürlich gerne bereit, den Fundtieren zu helfen, aber unsere Ausgaben müssen uns erstattet werden“, erklärten die beiden Tierärzte Dr. Alexandra Gaberle (Balve) und Dr. Stephan Schweizer (Altenaffeln) im Gespräch mit dieser Zeitung.
„Stadt beruft sich auf uraltes Urteil“
Da dies nicht immer der Fall ist, sind die beiden Tierärzte verärgert, aber weniger auf die Bürger, die die Fundtiere in ihre Praxen bringen, als vielmehr auf das Ordnungsamt. „Das Ordnungsamt geht mit den Bürgern um, als wären sie Verbrecher. Die Katze ist eine Fundsache und muss aufgenommen werden, egal, ob sie entlaufen oder als Hauskatze ausgesetzt worden ist. Die Stadt macht sie einfach zu wild lebenden Katzen, um sie nicht aufnehmen zu müssen. Dabei beruft sie sich auf ein uraltes Urteil des Oberlandesgerichts Münster und fordert die Bürger auf, die verletzten Tiere wieder auszusetzen“, sagen Dr. Gaberle und Dr. Schweizer, die gegenüber dieser Zeitung erklärten, schlechte Erfahrungen mit der Leiterin des Ordnungsamtes, Christiane Schärfke, gemacht zu haben.
Als Beispiel führte Dr. Schweizer eine im Dezember aufgefundene Katze an, die er behandelt hatte und die Stadt Balve anschließend bat, die Kosten zu übernehmen. Diese Forderung lehnte das Ordnungsamt der Stadt Balve mit dem Hinweis ab, es bestehe keine gesetzliche Verpflichtung, wild lebende Katzen zu versorgen. „Hier wird der Standpunkt vertreten, kranke, altersschwache oder verletzte und herrenlose Tiere ihrem Lebensraum zu überlassen, wo sie natürlichen Abläufen entsprechend sterben. Ein solcher Standpunkt entspricht überdies dem Interesse der Allgemeinheit an einer überschaubaren und sinnvollen Verwendung öffentlicher Mittel. Als Kommune mit hohen finanziellen Defiziten sind sämtliche freiwilligen Leistungen reduziert worden, so dass uns hier kein Handlungsspielraum gegeben ist“, ließ das Ordnungsamt den Tierarzt aus Altenaffeln wissen.
Zudem handele es sich bei dem Katzenfund um ein herrenloses Tier, das weder gechipt noch tätowiert gewesen sei, argumentiert die Stadt Balve und reiht auch diesen Fund unter die Kategorie wild lebende Katzen in der Amecke ein. „Für deren Versorgung ich leider nicht aufkommen kann. Eine Gefahrensituation ist ebenfalls nicht erkennbar gewesen“, erklärte Christiane Schärfke gegenüber Dr. Stephan Schweizer, der die Behandlungskosten nicht erstattet bekam, aber auf eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Stadt Balve verzichtete.
In Richtung Stadt wetterte er jedoch: „Das Ordnungsamt setzt sich über das Tierschutzgesetz hinweg. Das geht mir gegen den Strich, weil das Verhalten der Stadt gesetzeswidrig ist. Keine Gemeinde weit und breit fährt einen so harten Kurs wie die Stadt Balve. Und dies, obwohl wir viele Fundtiere umsonst behandeln und versuchen, sie einem neuen Besitzer zuzuführen.“
Einmal in Rage fährt der Tierarzt fort: „Ich erwarte von der Stadt Balve, dass sie ihre Aufgaben erfüllt und respektvoll mit den Bürgern, aber auch mit uns Tierärzten umgeht. Wir werden von der Stadt Balve wie Deppen behandelt. Ich kann den Bürgern nur raten, lassen Sie sich nicht verunsichern. Gehen Sie mit den Fundtieren ins Rathaus, denn nur wenn die Stadt Balve grünes Licht gegeben hat, werden uns die Behandlungskosten ersetzt.“
Da sich die Katzen extrem vermehren, raten die beiden Tierärzte der Stadt Balve, auf die Einhaltung der Kennzeichnungs- und Kastrierpflicht zu achten. Dies ist nach Aussage von Ordnungsamtsleiterin Christiane Schärfke nicht möglich. Obwohl die Verordnung seit Januar 2013 durch den Rat der Stadt Balve in Kraft gesetzt worden ist, hat bisher nicht eine Kontrolle stattgefunden. „Wir haben nicht das Personal, um zu kontrollieren“, räumt Christiane Schärfke ein.
„Jederzeit erreichbar“
Dass die Bürger das Ordnungsamt nicht erreichen, wenn sie ein Tier gefunden haben, ist für Christiane Schärfke nicht nachvollziehbar. Nach ihrer Meinung ist der Bauhof, der den Notdienst für das Ordnungsamt übernimmt, jederzeit erreichbar. Er entscheidet auch darüber, ob das Fundtier einem Tierarzt zugeführt wird oder im Bauhof verbleibt. Christiane Schärfke: „Wir haben eine Mitarbeiterin, die sich um die aufgefundenen Hunde und Katzen kümmert.“