Balve. .

Beim Bier hört die Heimatliebe auf. Ist „Glaube, Sitte, Heimat“ sonst der unantastbare Leitspruch der Schützenbrüder, schweifen sie ausgerechnet beim wichtigsten Getränk für ihre Feste in die Ferne. Keine einzige Bruderschaft in der Stadt Balve setzt mehr auf das Heimatbier „Iserlohner“. Die Brauerei scheint das noch nicht einmal großartig zu stören.

Während in Eisborn seit Jahrzehnten Warsteiner aus den Zapfhähnen kommt und die Langenholthauser vor vielen Jahren bereits von Iserlohner zu Veltins wechselten, floss in den anderen vier Schützenhallen seit mindestens 50 Jahren, in der Balver Höhle sogar länger als 100 Jahre, das Iserlohner Pils, das aus Lokalpatriotismus heraus auch den Kritikern gegenüber stets verteidigt wurde. Bis zum vergangenen Sommer. Da schäumten während der Schützenfeste nicht nur die Bierkronen, sondern auch die Gäste vor den Theken.

In Garbeck ließ sich das Bier laut Bruderschaft kaum zapfen. In Mellen gab es Beschwerden darüber, dass Flaschenbier verdorben sein sollte, in Balve soll dies bei Flaschen und zwei Fässern der Fall gewesen sein. Ähnliche Beschwerden kamen aus Volkringhausen und Beckum. Die Kritik am Iserlohner Bier war derart massiv, dass sich sämtliche Bruderschaften dazu veranlasst sahen, während ihrer Generalversammlungen die Pils-Frage zu stellen. Ergebnis: In Balve, Beckum und Volkringhausen wird nun Veltins gezapft, in Garbeck und Mellen fließt Krombacher Bier.

Die Vorstände aller Bruderschaften hatten im Vorfeld der Versammlungen Angebote mehrerer Brauereien eingeholt, darunter auch immer eines der Iserlohner. Die Mitglieder gaben schließlich ihr Votum ab. Dieses bindet jedoch nicht nur die Bruderschaft, sondern ist stets mit der Halle beziehungsweise der Höhle gekoppelt. Das heißt: Auf allen Veranstaltungen muss das Bier aus Kreuztal beziehungsweise Grevenstein ausgeschenkt werden, andernfalls droht eine Konventionalstrafe. Unklar ist einzig, was in Balve passiert. Hier pochen Iserlohner und Krombacher auf Einhaltung des Vertrags bis 2015 und hatten weitere Schritte angekündigt. „Von rechtlichen Maßnahmen ist mir bisher aber nichts bekannt“, sagt Brudermeister Engelbert von Croy auf WP-Nachfrage.

Die Trauer bei der Privatbrauerei Iserlohn hält sich über diese Entwicklung jedoch laut deren Geschäftsführer Lars Junker sowieso in engen Grenzen. „Von 60.000 verkauften Hektolitern Fassbier haben wir etwa 5.000 in Balve abgesetzt. Doch ich freue mich mindestens genauso über einen zukünftigen Absatz von 30.000 oder 40.000 Hektolitern, die dann aber wirklich nachgefragt sind“, sagt Junker im Gespräch mit der WP. Absatz bedeute schließlich überhaupt nichts, wenn der Profit nicht stimme und das sei durch starkes Entgegenkommen bei den Bruderschaften und teure Marketingmaßnahmen in Balve schon lange nicht mehr der Fall. „Wir hätten besonders die Höhle als Werbeträger gern gehalten, können aber bei dem, was die Top-3-Marken bieten, einfach nicht mithalten.“

Das Unternehmen habe es finanziell sehr schwer, daher vollziehe es aktuell einen Strategiewechsel, der wie folgt aussieht: „Wir müssen den Kern der Iserlohner Brauerei stärken. Balve ist Grenzgebiet für die Marke und kippt am schnellsten.“ Dieser finanzielle Druck habe auch dazu geführt, dass die Privatbrauerei ihre Lieferrechte für Fassbier an Krombacher verkauft hat. Also eine logische Konsequenz der freien Marktwirtschaft und keinesfalls mangelnde Qualität im vergangenen Sommer? Schließlich halten sich die Gerüchte hartnäckig, dass erhebliche Mengen des Bieres nicht in gewohnter Qualität geliefert wurden. „Das ist Quatsch! Wir haben mit dem Fresenius-Institut externe Prüfer, die uns zu jedem Zeitpunkt eine außerordentlich gute Qualität bescheinigen und bescheinigt haben“, sagt Lars Junker.

Vielmehr leide das Bier aus Iserlohn unter einem angekratzten Image, was sich bei Diskussionen am Tresen verselbstständige. „Wenn man unten ist, wird von den Leuten auch viel überinterpretiert“, sagt Junker, der sich eine Mammutaufgabe als Ziel gesetzt hat. Er will die wankende Privatbrauerei zu einem regionalen Spitzenprodukt, zu einer Spezialität machen. „Das haben andere Brauereien sehr gut geschafft, in diversen Lebensmittelsparten ist dies Gang und Gäbe.“

Der gesamte Markenauftritt soll hochwertiger werden. „Die Menschen sollen gern etwas mehr für unser Bier ausgeben.“ Damit müssen sie bald beginnen, denn Iserlohner wird laut Junker am 15. März die Preise erhöhen. Davon bekommen die meisten Biertrinker in der Hönnestadt jedoch nichts mehr mit.