Balve/Menden. . Die Anklageschrift liest sich wie der Streifzug eines skrupellosen Gangsters. Doch diesen Anschein erweckt der milchgesichtige 23-jährige Balver ganz und gar nicht, als er umrahmt von zwei Justizbeamten gestern in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wird. Vorwurf: Räuberische Erpressung in sieben Fällen, einmal mit Körperverletzung, einmal blieb es beim Versuch.

Die kriminelle Karriere, die der junge Balver, der kurz vor seiner Verhaftung nach Dortmund gezogen war, hingelegt hat, liest sich beeindruckend. Im Jahr 2009 wird er wegen Marihuana-Handels zu einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. 49 Tage sitzt er in U-Haft. In diesem Verfahren belastet er andere zu Unrecht. Es folgt ein Prozess wegen falscher Verdächtigungen. Die Strafe wird auf ein Jahr und sechs Monate aufgestockt.

Zusätzlich muss er eine Drogentherapie wegen seines Cannabis-Konsums machen. Eine Woche nach der Therapie kifft er nicht mehr. Er ist auf Kokain umgestiegen. Doch das ist teuer. Der damals 21-Jährige will ein Kiosk in Sölde überfallen, scheitert aber an der resoluten Bedienung, wird gefasst. Urteil: zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis. Im Spätsommer bekommt er per Post seinen Termin zum Haftantritt zugestellt. „Da wollte ich nach der U-Haft nie wieder hin. Wollte einfach nur nicht daran denken“, sagte er.

Das funktionierte seiner Meinung nach am besten mit Kokain, Amphetaminen und Ecstasy. Ein paar Wochen vorher hatte er sich von einem Gewinn in einer Spielhalle eine Gaspistole zugelegt. Die kam ihm genau recht, als er pleite war, mittlerweile per Haftbefehl gesucht wurde und dringend neue Drogen benötigte.

Am 10. Oktober raubt er mit vorgehaltener Waffe eine Balver Spielothek aus, erbeutet 1 700 Euro. Von da an sieht sein Leben auf der Flucht knapp drei Wochen immer gleich aus: Vom Geld aus Überfällen holt er sich Kokain, verzockt den Rest in Spielhallen. „Ich habe etwa alle sieben Tage für ein paar Stunden geschlafen.“ Am 15. Oktober überfällt er mit einem 17-jährigen Komplizen, der mittlerweile in einem Intensivtäterprogramm in der JVA Iserlohn ist, einen Kiosk in Dortmund. Beute: 480 Euro. „Angst hatte ich nur vor der Pistole“, sagte die Bedienung gestern im Zeugenstand. „Das waren Milchbubis. Ich hätten die am liebsten übers Knie gelegt und dann Hausarrest verteilt“, sagte sie.

Doch der Balver zockt, schnupft und überfällt weiter. Mit einem anderen Komplizen am 21. Oktober eine Tankstelle in Hemer, am 23. Oktober eine Tankstelle in Menden. Nur einen Tag später taucht er allein in Bestwig auf, will ein Tabakgeschäft überfallen, wird von der Bedienung jedoch vor die Tür gesetzt und sucht das Weite. Am 26. Oktober steht er mit durchgeladener Waffe in einem Mendener Drogeriemarkt, einen Tag später in einem Drogeriemarkt in Fröndenberg. Sein letzter Überfall findet auf eine Spielhalle in Münster am 30. Oktober statt. „Ich bin wohl im Zug eingeschlafen.“ Am nächsten Tag klicken auf der Balver Hauptstraße die Handschellen. Bereits eine Woche zuvor entkam er der Polizei in der Hönnestadt nur ganz knapp.

Gestern gestand er vor dem Landgericht alle Taten. Eine Entschuldigung bei den Opfern, die im Zeugenstand saßen, kam ihm jedoch nur nach Aufforderung seines Verteidigers über die Lippen. Der 23-Jährige muss mit einer hohen Haftstrafe rechnen, wenn Richter Erdmann am nächsten Verhandlungstag das Urteil sprechen wird.