Balve/Perth.
Von Balve bis ans andere Ende der Welt, knapp 14 0000 Kilometer, an die Westküste Australiens. Dahin hat es Janina Kletke verschlagen. Die Garbeckerin lebt in Perth, der „einsamsten Großstadt der Welt“.
Rund herum ist „Nichts“. Die nächste Metropole ist die Stadt Adelaide und bis dahin sind es mehr als 2000 Kilometer. Gen Süden geht es zur Antarktis, und im Westen liegt der Indische Ozean. Immerhin haben die Bewohner von Perth sich aber untereinander arrangiert, um bei so viel Abgeschiedenheit nicht zu vereinsamen. Etwa 1,65 Millionen Menschen leben in Perth.
Seit zwei Jahren ist Janina Kletke eine von ihnen. Die Balverin arbeitet in einem Dressur- und Ausbildungsstall mit angeschlossenem Gestüt. Hier tut sie, was sie am liebsten mag: Reiten, Reiten, Reiten. Zwischen acht und zehn Pferde müssen am Tag von ihr bewegt werden, insgesamt stehen über 45 Rösser auf der Anlage. Für die Pferde schlägt das Herz der 28-Jährigen schon seit sie denken kann. „Als kleines Mädchen bin ich damit angefangen. Erst beim Reiterverein Balve, später bin ich zum Stall Kampmann nach Garbeck gewechselt bis ich Balve für meine Ausbildung als Bereiterin verlassen musste“, sagt Kletke. Nach der Mittleren Reife an der Realschule Balve, ging sie nach Essen und absolvierte ihre Lehre als Bereiterin. Später wechselte sie zum renommierten DOKR (Deutsches Olympiade Kommitee für Reiterei) nach Warendorf. Über Kunden entstand der Kontakt nach Australien. „Bevor ich 2010 hierher gekommen bin, war ich die drei Jahre zuvor schon immer dort, um Lehrgänge abzuhalten. Daraus hat sich im Laufe der Zeit eine Freundschaft entwickelt, und als man mich anrief und fragte, ob ich jemanden wisse, der Interesse habe nach Australien zu kommen und die Pferde zu reiten, habe ich die Chance genutzt, mein Pferd eingepackt und bin losgeflogen“, erinnert sich die junge Frau.
Seitdem beginnt ihr Tag zwischen 4.30 Uhr und 7.30 Uhr, je nach dem, welche Jahreszeit es ist. „Im Sommer kann es vorkommen, dass wir um 6 Uhr morgens schon mehr als 30 Grad haben, da will man früh starten; ich habe keine Reithalle, und wenn um 10 Uhr schon 40 Grad herrschen, will man nicht mehr auf dem Pferd sitzen. Wenn es richtig heiß ist, fängt man halt wirklich früh an und macht so bis 10.30 Uhr; dann zieht man sich zurück und versucht, versäumten Schlaf nachzuholen“, beschreibt Janina Kletke den australischen Ablauf im Reitstall. „Meistens geht’s dann um 17 Uhr weiter, bis es dunkel wird, was gegen 19.30 Uhr ist.“ Dieser Ausnahmezustand herrscht glücklicherweise nur acht bis zehn Wochen im Jahr. Trotzdem sind auch die restlichen Sommermonate für Balver Verhältnisse kaum vorstellbar: „Es ist extrem heiß, und alles ist absolut trocken. Der Wind kann so glühend werden, dass er schon fast weh tut, wenn man ihn einatmet. Man kann sich das gar nicht richtig vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. An manchen Tagen kann man geradezu spüren, dass es nur einen klitzekleinen Funken benötigt, um ein Inferno auszulösen, und wenn man bedenkt, dass die Flammen zum Teil mehr als einen Kilometer weit springen können, ist das wirklich sehr beängstigend, vor allem wenn man viele Tiere hat.“
Vor zwei Jahren hat die Garbeckerin erlebt, wie es ist, wenn ein australisches Buschfeuer wütet. „Etwa 500 Meter von unserer Anlage entfernt, also auf dem Nachbargrundstück, hat es gebrannt. Innerhalb von zwei Stunden hatte sich das Feuer acht Kilometer von Nord nach Süd gefressen – was nicht einmal besonders schnell ist. Ich war mittendrin, habe das Feuer bekämpft, während um mich herum die Helikopter flogen und immer wieder Wasser herabgeworfen haben. Da merkt man, wie schnell sich das Leben ändern kann.“ Immerhin, an den Wochenenden kann die Hitze auch ihr Gutes haben: Dann nämlich verbringt die Reiterin ihre Zeit meist am Strand oder auf dem Motorrad. Auch das Schießen gehört neuerdings zu ihren Hobbies. „Wer hätte das gedacht: Ich schieße allerdings nur auf Scheiben, wobei das alles für mich auch einen ernsten Hintergrund hat: Wir sind hier 20 Minuten vom nächsten Ort und damit Tierarzt entfernt. Wenn wirklich mal etwas schief läuft mit irgendeinem unserer Pferde oder Kangaroos, ist es auf jeden Fall von Vorteil, wenn man einen Waffenschein hat und weiß, wie man mit so einem Ding umgeht.“
Trotz harter Sitten, bereut hat sie den Schritt in die Ferne nicht. Wenn alles nach Plan läuft, hat sie bald ihre australische Staatsbürgerschaft in Händen. „Durch den Kontakt über das Internet, höre ich von vielen meiner Freunde, Bekannten und Schulkollegen den Satz: ,Du hast ja immer schon davon gesprochen, in Australien zu leben.’ Das war mir gar nicht bewusst, dass ich offensichtlich schon früher davon gesprochen habe.“ Sie sind es auch, die Janina Kletke am meisten vermisst. „Mir fehlen an Balve vor allem meine Freunde, wobei die sich schon sehr früh mit meinem unruhigen Geist abfinden mussten. Für mich ist es einfach ein Stück Stabilität in meinem Leben, auf das ich immer wieder zurückgreifen kann und mag. Ein großer Teil meiner Freunde ist nach wie vor in Balve beheimatet“, sagt sie. Seit sie Deutschland verlassen hat, war Kletke noch nicht wieder dort, aber im März soll es klappen mit einem Besuch. „Ich bin wirklich sehr gespannt, was sich so alles verändert haben mag – oder auch nicht.“