Balve. Die Familie Schweitzer aus Balve will ausgerüstet mit neusten Techniken ein Vorzeigeobjekt in Sachen artgerechter Tierhaltung betreiben: In idyllischer Umgebung haben sie einen neuen Kuhstall gebaut, der neue Maßstäbe beim Melken setzen soll.
Hoch oben auf einem Hügel hinter dem Haupthaus thront das neue Gebäude. Es ist groß, hell und bietet einen beeindruckenden Ausblick über die anliegenden Weiden, auf denen friedlich die Kühe grasen. Es wäre die perfekte Stelle für ein Hotel. Aber Familie Schweitzer hat sich entschieden, hier einen neuen Kuhstall zu bauen. Ausgerüstet mit den neuesten Techniken und ein Vorzeigeobjekt in Sachen artgerechter Tierhaltung. Sozusagen ein Hotel für Kühe.
Ein Jahr Arbeit steckt in dem Neubau. Vergangenes Jahr am 15. August wurde der erste Spatenstich gesetzt, jetzt liegen die Bauarbeiten in den letzten Zügen. „Es war ein Jahr Dauerstress“, sagt Dieter Schweitzer rückblickend. Die Entscheidung bereut er aber ganz und gar nicht. „Der Zeitpunkt bot sich einfach an“, meint der Landwirt.
Denn sein Sohn, Dieter junior, hatte vor drei Jahren seine Ausbildung zum Agrarbetriebswirt abgeschlossen und ist mit in den Familienbetrieb eingestiegen. „Es ist hauptsächlich sein Stall“, meint Dieter senior, „es ist seine Idee, sein Lebenswerk“. Und weiter hinauszögern wollten es sowohl der Sohn, als auch der Vater nicht. „Solange man jung ist, kann man noch viel selber machen“, meint Dieter Schweitzer. Außerdem guckt er in die Zukunft: „Wir haben den Betrieb erweitert, damit irgendwann zwei Generationen davon leben können.“
Kyrill hat für ausreichend Platz gesorgt
Und noch einer hat der Familie Schweitzer in die Karten gespielt: Sturm Kyrill. „Kyrill war für alle schlecht. Nur für uns war er ein Vorteil“, sagt Dieter senior. Denn viele hofnahe Waldflächen konnten wegen der Sturmschäden in Grünflächen umgewandelt werden. Und die Voraussetzung für den neuen Stall sind 110 Hektar hofnahe Flächen als Weide für die Kühe und die schnelle Futterbeschaffung.
So ist die Entscheidung gefallen, und für die Familienmitglieder war klar: Jetzt müssen alle mit anpacken. Zunächst haben sich Vater und Sohn andere Ställe angeschaut, um dann selbst mit der Planung zu beginnen. Nach ihren Vorstellungen hat ein Architekt Zeichnungen des Stalls angelegt, und spezielle Baufirmen haben ihn umgesetzt.
Wunsch Nummer eins war ein eingebautes Melkhaus, mit einem Doppel-14er-Melkstand und einem extra Warteraum für die Kühe. In dem Warteraum gibt es einen Schieber, der die Kühe langsam vorwärts treibt und gleichzeitig laut hupt. So sollen die Kühe auf das Geräusch konditioniert werden, damit das Melken leichter zu organisieren ist. Familie Schweitzer hat sich allerdings gegen einen Melkroboter entschieden, bei dem alles automatisch ablaufen würde. „Das bietet sich bei uns einfach nicht an“, erklärt Dieter Schweitzer. „Wir betreiben 200 Tage im Jahr Weidehaltung. Der Melkroboter arbeitet aber 23 Stunden am Tag. Wir müssten also die Kühe ständig rein treiben. Das ist gar nicht machbar.“
Also bleibt die Familie beim typischen Bauernhof-Rhythmus: Morgens um 5.30 Uhr werden die Kühe zum Melken in den Stall getrieben und abends um 17 Uhr noch einmal. „Mit dem neuen System können wir 80 bis 100 Kühe pro Stunde melken, vorher waren es nur 40“, erklärt Gabriele Schweitzer, die jeden Tag Hand an die Kühe anlegt.
Neuer Stall bietet mehr Platz für mehr Kühe
Durch den Neubau können die Schweitzers außerdem ihre Kuhzucht insgesamt ausbauen. Statt nur 70 Tiere haben sie inzwischen 100 und wollen sich auf 130 steigern. Platz ist genug. Und dabei haben Dieter senior und Dieter junior natürlich auf die artgerechte Tierhaltung geachtet. „Laut Gesetz sind fünf Quadratmeter Platz pro Tier Minimum für eine artgerechte Haltung. Bei uns hat jede Kuh elf Quadratmeter“, sagt Dieter senior. Neben einer eigenen Tiefbox hat jede Kuh außerdem ihre eigene Futterbox. Neu ist auch, dass die Kühe, die gerade frisch gekalbt haben, von den anderen getrennt werden.
Ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Ein Gemeinschaftsprojekt. Dieter junior hat vor allem beim Neubau mitgeholfen, hat die Inneneinrichtung eingebaut, gestrichen und sich um die Wasserversorgung gekümmert. Dieter senior hat dafür gesorgt, dass der normale Tagesablauf weiter geht. Und Gabriele Schweitzer war die gute Seele während der ganzen Zeit, hat alle unterstützt und Freunde und Helfer versorgt.
Sie ist froh, dass das Ende nun in Sicht ist. „Es ist schon eine Belastung für die Familie. Alle Gespräche haben sich immer um den neuen Stall gedreht“, erzählt die Leveringhauserin mit einem Lächeln und fügt hinzu, „natürlich schweißt es auch zusammen. Und es ist schön, wenn man das Ergebnis sieht. Da macht die Arbeit sofort mehr Spaß.“
Hoffest in Leveringhausen
Am 26. August findet ein passendes Hoffest statt. Von 10 bis 16 Uhr will Familie Schweitzer allen Interessierten den neuen Kuhstall präsentieren.
Es gibt Führungen durch den noch kuhfreien Stall sowie Gegrilltes, Waffeln und Kaffee. Außerdem präsentieren sich die Firmen, die an dem Bau beteiligt waren, und beantworten Fragen. Für Kinder werden eine Heuburg, ein Riesensandkasten und eine Treckerlandschaft aufgebaut.