Balve. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU ist Podiumsgast beim Wirtschaftsgespräch und findet klare Worte zur Bedeutung der EU.
„Krieg und Krisen – Europa hat die Wahl“ ist das Wirtschaftsgespräch beim Balve Optimum überschrieben. Dass diese schweren Themen bei der inzwischen 17. Auflage der Veranstaltung leichter zu ertragen sind, ist dem Podiumsgast Wolfgang Bosbach, Mitglied der CDU und ehemaliger Bundestagsabgeordneter, zu verdanken, resümiert Gastgeberin Rosalie Freifrau von Landsberg-Velen nach einer kurzweiligen Stunde.
Souverän moderiert von Dr. Ralf Geruschkat, Hauptgeschäftsführer der SIHK zu Hagen, macht Wolfgang Bosbach dem Publikum vor der anstehenden Europawahl am Sonntag die Bedeutung der Europäischen Union klar, erläutert Chancen dieser Gemeinschaft, aber benennt auch offen Fehler der deutschen und internationalen Politik. „Im Moment erleben wir leider, dass vieles auseinander läuft. Es ist wichtig, dass wir wieder eine gemeinsame Sprache finden. Denn wenn man in einer mutilpolaren Welt eine relevante Wirtschaftskraft sein, will, muss man sich in den Grundzügen einig sein.“ Deshalb sei der Sonntag – bei allen Krisen und Problemen – so wichtig.
Und diese Probleme benennt er ganz konkret:
Stichwort Eurokrise: „Ich wäre froh, wenn alle Regeln eingehalten würden. Die Linien werden immer weiter weg gesetzt. Das ist der Webfehler bei der Euro-Einführung“, antwortet Bosbach. Neue Regeln seien nicht notwendig. Einer Steuerhoheit der EU erteilt er eine klare Absage. „Nein, wir haben keinen Mangel an Steuerarten und -einnahmen. Man kann nicht alles vereinheitlichen. Es gibt kulturelle, historische und politsche Unterschiede in den Mitgliedsländern Und die sollen auch erhalten bleiben, es muss nicht alles eingeebnet werden.“
Stichwort Ukraine/Krim-Annexion: Auf die Frage, ob die EU 2014 richtig gehandelt habe, als Russland die Krim annektiert hat, wird Bosbach deutlich: „Damals waren wir der Meinung, wenn wir jetzt hart reagieren, wird Putin auch hart reagieren. Jeden Boykott, jede Sanktion wird er als Provokation ansehen. Aber so war es nicht. Er hat es als Schwäche angesehen. Und nun sind wir Zeuge eines zähen Abnutzungskampfes.“
„Aber“, so der CDU-Politiker weiter: „wir sollten alles unterlassen, was dazu führt, dass wir als Kriegspartei wahrgenommen werden.“ Da sei die NATO gefragt, nicht die EU. „Aber Putin wird entscheiden, was für ihn Kriegsbeteiligung ist.“ An dieser Stelle äußert Bosbach seine Skepsis zur Aussage des Bundesverteidigungsministers Boris Pristorius: „Wir müssen kriegstüchtig werden.“ „Das finde ich sehr schwierig. Ich denke, wir müssen verteidigungstüchtig werden.“
Stichwort Energiepolitik: „Natürlich haben wir uns mit Nordstream 2 von Russland abhängig gemacht. Aber wir machen es uns manchmal selber schwer. In Deutschland verbieten wir aus Klimaschutzgründen das Fracking, importieren aber fleißig gefracktes Gas aus den USA. Ich denke, dem Klima ist es egal, wo gefrackt wird.“
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Stichwort Flüchtlinge: „Wir waren 2015 nicht darauf vorbereitet. Die Belastungen für die Kommunen und Landkreise sind nicht mehr zu stemmen. Bürgermeister und Landräte, egal welcher Partei, sagen: Wir können nicht mehr! Aber, was die EU beschlossen hat, wird nicht funktionieren. Wer soll die Verteilung kontrollieren? Ich sage Ihnen, wer es von Syrien aus nach Europa geschafft hat, der schafft es auch von Osteuropa nach Westeuropa.“ Und leider nehme auch in der EU das nationalstaatliche Denken deshalb weiter zu. Die Migrationspolitik sei dafür die Ursache.
Stichwort AfD: „Wir dürfen nicht blauäugig sein. Ein Drittel der AfD-Wähler sind stramme Rechtsextremisten, zwei Drittel sind Protestler. Nicht jeder, der da sein Kreuz macht, ist ein Nazi, aber man muss die Motive der AfD-Wähler ernst nehmen“, sagt Bosbach. Dann könne man viele wieder zurückgewinnen, aber die AfD werde nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Stichwort Übergriff auf Mandatsträger: „Als ich in meiner Amtszeit für die Terrorabwehr zuständig war, stapelten sich die Morddrohungen bei mir. Da kam das Bundeskriminalamt und hat mein Haus umgebaut. Da konnte ich mich gar nicht wehren. Später habe ich zu meiner Frau gesagt: Also wenn bei uns mal einer einbricht, dann soll er auch was mitnehmen, wenn er sich so viel Mühe macht.“
In seiner Position habe man gewusst, worauf man sich einlasse. Aber bei Kommunalpolitikern dürfe das nicht passieren. Denn dann, so befürchtet Bosbach, gibt es bald niemanden mehr, der das machen wolle. Er beobachte mit Sorge, dass die Umgangsformen immer rauer würden: „Wenn man Kritik nicht mehr unter Einhaltung mitteleuropäischer Umgangsformen üben kann, dann schadet das dem politischen Diskurs. Und schon jetzt sind nur 1,5 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer demokratischen Partei. Und deshalb bestimmen die Lauten den Diskurs und nicht die Schlauen“.
Mit einem deutlichen Appell an jeden Bürger und auch an die Unternehmen, sich parteipolitisch stärker zu engagieren, beendet Wolfgang Bosbach schließlich seine gewohnt ehrlichen Ausführungen. Beim anschließenden Sektempfang schließen sich viele Gespräche im kleineren Rahmen an.