Balve/Menden/Iserlohn. Viele Lehrstellen, wenige Bewerber: Dennoch ist für Arbeitagentur wie Schulen in Balve wie Menden viel zu tun. Warum?
Not macht erfinderisch. Heimische Unternehmen füllen die Volksweisheit gerade mit neuem Leben. Die Balver Unternehmerin Sandra Lüngen hat im vorigen Herbst die Vier-Tage-Woche eingeführt, um Fachkräfte zu binden. Nancy Hempel, in Balve wie Neuenrade im Immobilien-Sektor und im Online-Marketing unterwegs, lässt sich coachen: Führen heißt Lernen – so lautet ihre Botschaft an die Generation Z. Die Agentur für Arbeit hilft ebenfalls bei der Werbung um Nachwuchs. Sie hat die „Woche der Ausbildung“ ausgerufen. Agentur-Chefin Sandra Pawlas ist in Garbeck gar persönlich vor Ort. Was hat sie vor?
„Das Thema Ausbildung hat für mich einen total hohen Stellenwert“, bekennt Sandra Pawlas. Sie verrät auch, warum: Sie startete einst als Berufsberaterin. „Wir können alle miteinander gar nicht genug Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken – auch wenn es sich ganz gestaltet als zu der Zeit, als ich selbst bei der Agentur für Arbeit begonnen habe.“ Damals gab es eine riesige Bewerberschar. Ihr stand eine übersichtliche Zahl an Ausbildungsplätzen gegenüber. Längst ist es umgekehrt. „Wir haben ganz deutlich einen Bewerbermarkt“, stellt Sandra Pawlas fest, „die jungen Leute können sich aussuchen, welcher Ausbildungsplatz am besten zu ihnen passt.“
Unternehmen müssen sich um Nachwuchs bemühen. Das klingt nach paradiesischen Zuständen auf dem Ausbildungsmarkt. Sandra Pawlas setzt aber umgehend ein deutliches „Aber“ hinzu. Welche Probleme hat sie ausgemacht?
„Ich beobachte, dass die Orientierung für die jungen Leute immer schwieriger wird“, entgegnet die Chefin der heimischen Arbeitsagentur. Bei der Ursachenforschung kommt sie auf Corona. Die sozialen Nebenwirkungen der Pandemie – Unterricht per Videoschalte wegen zeitweiligen Schulschließungen könnte bei einem Teil der jungen Leute zu „Perspektivlosigkeit“ und Trägheit geführt haben.
Sandra Pawlas will aber diese Erklärung nicht als Entschuldigung für versäumte Chancen gelten lassen. Vielmehr nimmt sie die Generation Z in die Pflicht: Sie solle sich „mit ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen beschäftigen“ – auch wenn das manchmal „etwas unbequem“ sei. Die Mühe werde belohnt. Junge Leute, die wissen, was sie wollen, können Unternehmen davon überzeugen, die Richtigen zu sein.
Hilfe für Schüler, Eltern, Chefs
Die Arbeitsagentur unterstützt sie. Schulabgängerinnen und -abgängern zeigt sie, wo und wie sie Hilfe im Internet finden. Sandra Pawlas und ihr Berufsberatungsteam setzen aber in der Nach-Corona-Zeit obendrein verstärkt auf persönliche Kontakte. „Ansprache in der Schule ist und bleibt das A und O“, weiß Sandra Pawlas.
Das sieht auch Thomas Münch so. Seit Monatsbeginn ist er Leiter der Realschule Balve. Er sieht Berufsvorbereitung als eine der Kernaufgaben seiner Schule. „Unsere Neuner sind zurzeit im Praktikum“, sagt Thomas Münch. „Wir machen mit unseren Kooperationspartnern vorab Workshops, wo die Jugendlichen reinschnuppern können. Aber trotzdem ist das natürlich ein riesengroßer Schritt.“ Nach Thomas Münchs Wahrnehmung scheuen sich manche Mädchen und Jungs davor, diesen Schritt zu gehen. Er spricht von „Lethargie“: „Es ist alles ein bisschen gedämpfter als früher.“
Deshalb ermutigt Thomas Münch seine Schülerschar – mit Ausbildungsbörse, Azubi-Talk, Unternehmensdating. Der Rektor stimmt die Neun- und Zehntklässler zudem darauf ein, die Party auf dem Markt der Möglichkeiten womöglich bald enden könnte. Er sieht, dass Unternehmen in der Wirtschaftskrise von Kurzarbeit sprechen, von Stellen, die nicht wieder besetzt werden sollen, ja von Entlassungen. Auch Künstliche Intelligenz ersetze zunehmend bisherige Aufgaben von Arbeitnehmern. Deshalb ist schulische Berufsvorbereitung so wichtig. Thomas Münch: „Die Kinder in die richtige Richtung schubsen – genau das machen wir.“
Die Arbeitsagentur wirbt jedoch nicht nur bei den Jugendlichen und ihren Freundeskreisen um Vertrauen. Nach wie vor haben Mütter und Väter für die Berufsberatung einen großen Stellenwert – auch wenn der Erfolg digitaler Elternabende zunächst übersichtlich war.
Zudem spricht die Arbeitsagentur mit Chefs. „Wir haben eine total hohe Ausbildungsbereitschaft im Märkischen Kreis“, freut sich Sandra Pawlas. Sie hilft Betrieben, die richtigen Strategien bei der Werbung um Nachwuchs zu entwickeln. Beim Garbecker Pumpen-Hersteller Rickmeier ist sie am Donnerstag, 14. März, gar persönlich vor Ort – ebenso Balves Bürgermeister Hubertus Mühling. Ähnlich läuft’s am selben Tag beim Mendener Unternehmen VTI Ventil Technik. Bürgermeister Dr. Roland Schröder kommt selbst. Der Kampf um die Fachkräfte der Zukunft – er ist längst Chef-Sache.
Mehr Infos gibt es beim Berufsinformationszentrum Iserlohn: https://www.arbeitsagentur.de/vor-ort/iserlohn/biz-iserlohn