Balve/Menden. Die Ampel-Koalition dreht an der Steuerschraube. Bauern fürchten Mehrkosten und bringen ihren Protest Montag auf die Straße.
Heimische Landwirte fühlen sich durch Steuer-Pläne der Berliner Ampel-Koalition ausgebremst. Am kommenden Montag, 8. Januar, gehen sie buchstäblich auf die Straße. Balver Bauern beteiligen sich an einer Kundgebung in Lüdenscheid. Mendener Landwirte werben an der Unteren Promenade um Zustimmung der Bevölkerung. Was sorgt für Verärgerung bei den Produzenten von Milch und Fleisch, Getreide und Gemüse?
Nach bisherigen Plänen der Bundesregierung soll Agrar-Diesel künftig voll besteuert werden. Bislang gab es für Landwirte eine Rückerstattung von rund 21 Cent pro Liter. Wie groß die Belastung werde, hänge von Größe und Art der Betriebe ab, sagt Reinhard Linsmann. Der Garbecker Schafzüchter ist Vorsitzender des WLV-Ortsverbandes Balve-Neuenrade: „Kleine Betriebe brauchen 10.000 Liter Sprit pro Jahr. Da sind wir dann schon mal bei 2500 Euro mehr. Die größeren Betriebe brauchen bis zu 100.000 Liter.“ Kleine Betriebe könnten nach Einschätzung von Linsmann prozentual durch die steuerlichen Mehrbelastungen durchaus härter getroffen werden als große Unternehmen.
Der Balver Ortslandwirt Clemens Gödde verweist darauf, dass Höfe selbst dann Mehrkosten zu tragen haben, wenn sie Lohnunternehmer beschäftigen: „Die Lohnunternehmen reichen die Kosten weiter.“
Ob Hofbetreiber jedoch Mehrkosten an ihre Kundschaft weitergeben können, stehe dahin, wie Hans-Georg Ammelt aus Halingen meint. Er sieht die heimische Landwirtschaft im europäischen Wettbewerb. Dabei sieht Ammelt einen Unterschied: Gemeinsamer Markt bedeutet für ihn nicht zwangsläufig gemeinsame Regeln. Deutsches Recht gilt nicht zwangsläufig auch andernorts: „Wenn Vergütungen für die Landwirtschaft in Frankreich oder Polen weiter gezahlt werden oder vielleicht sogar noch mehr, dann werden sich die Mühlen beispielsweise das Getreide da holen, wo es günstiger ist als hier. Die Welt ist ein Dorf.“
Das grüne Kennzeichen indes bleibt. Die Bundesregierung nahm kurzfristig die geplante Einführung einer Kraftfahrzeugsteuer für Trecker, Mähdrescher und andere Landmaschinen zurück.
Die Landwirtschaft lässt der Kurswechsel allerdings kalt. „Zuviel ist zuviel“ ist das Motto der angekündigten Proteste. An dieser Grundstimmung in der Branche habe sich nichts geändert, betonte WLV-Sprecherin Barbara Kruse am Donnerstagnachmittag.
Die Proteste werden von örtlichen Gliederungen des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) organisiert. Sie sind Teil einer bundesweiten Aktionswoche des Deutschen Bauernverbandes.
Die größere der beiden Veranstaltungen findet auf der Hohen Steinert in Lüdenscheid statt. Die Teilnehmer rollen im Rahmen einer Sternfahrt mit ihren Schleppern an. Erwartet werden Hunderte Trecker. „Wir rechnen mit 30 bis 50 Schleppern“, sagte Reinhard Linsmann. Teilnehmer aus Balve sammeln sich gegen 8.30 Uhr an der Schützenhalle Beckum. In Neuenrade stehen Schützenhalle Küntrop oder Hagebaumarkt als Sammelpunkte zur Debatte.
Mendener Bauern treffen sich am Montag um 10 Uhr in Halingen bei Hans-Christian Freiherr von Gemmingen, bevor ein Konvoi zur Innenstadt rollt. An der Unteren Promenade wollen sie von 11 bis 14 Uhr mit der Bürgerschaft ins Gespräch kommen. „Das Dezentralere bringt ein bisschen mehr“, hofft Wilhelm Spiekermann aus der Asbeck. Die Route durchs Stadtgebiet stand am Donnerstagnachmittag noch nicht fest.
Nach Informationen der Westfalenpost liegen die behördlichen Genehmigungen für die Aktionen in Menden und Lüdenscheid inzwischen vor.
Im Laufe der Woche sind nach Angaben des WLV weitere Informationstermine auf heimischen Wochenmärkten geplant.
Doch zunächst geht es um rollenden Protest. Dem WLV ist durchaus bewusst, dass die Schlepper-Konvois zu Verkehrsbehinderungen sorgen. Der Verband bittet die Bevölkerung um Verständnis. Er betont in einer Stellungnahme: „Wir Landwirtinnen und Landwirte aus Westfalen-Lippe streiten ausdrücklich um die Sache und stehen für friedlichen und demokratischen Protest.“