Balve. Vereine haben sich nach Corona erholt. Doch sie nervt zu viel Bürokratie. Ist das Ehrenamt noch zu retten? Ein Gespräch mit MdL Matthias Eggers.

Weder die „Night of Music“ vom Musikverein Amicitia Garbeck noch „Filmmusik-Gala“ des Musikvereins Balve wären ohne Herzblut und Engagement zu stemmen. Zugleich spüren die Vereine im Hönnetal, dass es immer schwieriger wird, Ehrenamtler für verantwortungsvolle Aufgaben zu gewinnen. Der heimische CDU-Landtagsabgeordnete Matthias Eggers weiß um beides. So ist dem Mendener beim Redaktionsbesuch klar, dass er für die Verein in der Region auch ein Kummerkasten ist. Zugleich wirbt er beim Land NRW um mehr Geld für ehrenamtliche Projekte.

Seit Ende der Corona-Beschränkungen erleben viele Vereine einen neuen Mitglieder-Boom. Das gilt allerdings nicht für die Vorstandsarbeit, wie vielerorts zu hören ist.

Filmmusik-Gala des Musikvereins Balve in der ausverkauften Höhle: Dirigent Philipp Cramer bedankt sich beim Publikum.
Filmmusik-Gala des Musikvereins Balve in der ausverkauften Höhle: Dirigent Philipp Cramer bedankt sich beim Publikum. © WP | jürgen overkott

Silke Hoppe vom Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Balve hat aufgelistet, was aus ihrer Sicht ehrenamtliches Engagement erschwert. Die Regularien für Vereine, zum einen steuerliche, zum anderen beim Registergericht, aber gerade auch bei der Beantragung von Fördermitteln – etwa Coronahilfen – seien mittlerweile so kompliziert, dass kaum ein Verein noch ohne Steuerberater oder Rechtsanwalt auskomme. Als Beispiel nennt Hoppe: Verdiene ein Übungsleiter mehr als die Übungsleiterpauschale, so kommt häufig mit der Deutschen Renten-Versicherung (DRV) eine Diskussion über Scheinselbstständigkeit auf. Ein Verein müsse zur Vermeidung dieser Diskussion „erhebliche Mehrkosten für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Kauf nehmen“. Zudem beklagt Hoppe, Antragsformulare, gerade im Netz, seien „häufig schwer verständlich und selten auf einen konkreten Fall zutreffend“. Die Gemeinde habe sich aus der Trägerschaft der Kita „Arche Noah“ unter anderem wegen der Kibiz-Finanzierung zurückgezogen.

+++ KOMMENTAR: RETTET DAS EHRENAMT - JETZT +++

Presbyterin Silke Hoppe (Mitte) überreicht Antje Kastens (links) zum Abschied ein Buch prall gefüllten mit guten Wünschen. Die Kirchmeisterin kennt sich mit Ehrenamt bestens aus - und kennt auch bürokratische Hindernisse.
Presbyterin Silke Hoppe (Mitte) überreicht Antje Kastens (links) zum Abschied ein Buch prall gefüllten mit guten Wünschen. Die Kirchmeisterin kennt sich mit Ehrenamt bestens aus - und kennt auch bürokratische Hindernisse. © WP | Alexander Lück

Eggers kann den Umut verstehen, „wenn man bedenkt, was man an Auflagen erfüllen muss, allein Sicherheitsauflagen zum Beispiel für den Brandschutz.“ Der Landtagsabgeordnete aus Menden wirbt bei den Kommunalverwaltungen dafür, ihren Ermessensspielraum zu nutzen. Von „Überregulierung“ will er jedoch nicht sprechen. Die Auflagen seien oft als Reaktion auf Unfälle bei ehrenamtlich organisierten Events erhöht worden.

Neben bürokratischen Hürden kennt der Abgeordnete noch ein weiteres Problem, das Vereine drückt: „finanzielle Risiken“. Der Land habe Vereine gerade nach der Corona-Zeit ohne Veranstaltungen absichern wollen. Es habe Programme für finanzielle Unterstützung aufgelegt. Eggers räumt ein, dass aus Vereinen oft Kritik an Regeln komme, die als zu kompliziert empfunden werden. Er könne den Verdruss von Vorständen „ein Stück weit“ nachvollziehen. Zugleich aber betont Eggers, „dass öffentliche Geldgeber ein Interesse daran haben, dass Gelder vernünftig eingesetzt werden – und zielgerichtet eingesetzt werden“.

+++ BÜRGERSTIFTUNG BALVE WILL EHRENAMT MIT FÖRDERGELD UNTERSTÜTZEN +++

Neuer Träger übernimmt Kita „Arche Noah“ in Balve: Pfarrerin Antje Kastens übergibt den symbolischen Schlüssel an Fabian Tigges (Mitte) von der Diakonie. Kastens Nachfolger Sven Körber (r) übernimmt in Zukunft die religiöse Ausbildung in der Kita.
Neuer Träger übernimmt Kita „Arche Noah“ in Balve: Pfarrerin Antje Kastens übergibt den symbolischen Schlüssel an Fabian Tigges (Mitte) von der Diakonie. Kastens Nachfolger Sven Körber (r) übernimmt in Zukunft die religiöse Ausbildung in der Kita. © WP | Sven Paul

Überdies nimmt er die Programme von Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) von der Kritik aus: „Das ist schon sehr einfach, da Anträge zu stellen – vor allem wenn es um den Heimatcheck geht, um da 1000 Euro zu bekommen.“

Eggers macht sich für eine stärkere Bezuschussung von Vereinsarbeit stark – gerade im Kultur-Bereich. Er zeigt sich beeindruckt von ehrenamtlich organisierten Events wie der „Filmmusik-Gala“ des Musikvereins Balve – vom künstlerischen Ergebnis, aber auch von der komplett privaten Finanzierung durch Sponsoren. Eggers kann sich eine Vernetzung der Akteure in der Region vorstellen. Viele Veranstaltungen seien attraktiv über die jeweilige Kommune hinaus: „Man kann sich vernetzen oder gegenseitig voneinander profitieren.“

Fördergeld für Events

Sänger Ramona Pröpper, Alexander Schulte, Ingo Mettken (von links), am Piano Dirigent Scott Lawton bei der „Night of Music“
Sänger Ramona Pröpper, Alexander Schulte, Ingo Mettken (von links), am Piano Dirigent Scott Lawton bei der „Night of Music“ © WP | jürgen overkott

An dieser Stelle kommt für Eggers Landespolitik ins Spiel: „Wir müssen uns die Frage stellen: Wie können wir Kultur vor Ort unterstützen?“ Und: „Uns ist es sehr wichtig, das ehrenamtlich organisierte Kultur-Angebote im ländlichen Raum zu unterstützen. Deshalb haben wir für das nächste Jahr in Planung, eine regionale Kulturförderung mit einer Fördersumme von über sechs Millionen Euro. Dazu kommt das Dritte-Orte-Programm für den ländlichen Raum. Das ist seit 2017 ein Programm gewesen, mit dem man versucht, kulturelle Angebote im ländlichen Raum zu unterstützen. Dritter Ort kann eine Ruine sein, die wieder instand gesetzt wurde, es kann aber auch die eigene Bibliothek sein. Da geht es auch noch mal um fünf Millionen.“

Zuschüsse sollen laut Eggers dazu dienen, ehrenamtlichen Einsatz bei Events zu unterstützen – „und wenn es nur ein Scheck über 1000, 2000 oder 5000 Euro ist“. Eggers: „Dem Land geht es darum, besondere Highlights zu unterstützen. Wir wollen nicht in eine strukturelle Förderung rein – wir wollen projektorientiert arbeiten.“ Eine Projektförderung verringere das Finanzierungsrisiko von Vereinen: „Wenn ich schon 5000 Euro im Rücken habe, kann ich ganz anders auf Sponsoren zugehen.“