Balve/Werne. Zielstrebig und humorvoll: Dr. Marie-Theres Thiell kann beides. Die Balverin hat in der Wirtschaft Karriere gemacht. Jetzt fördert sie Frauen.
Vom Dorf in die weite Welt oder etwas konkreter gesagt: von Balve bis nach Osteuropa. Diesen Weg bestritt Marie-Theres Thiell, ehemalige Managerin in der Energiebranche und heute als Freiberuflerin Mitglied des Verbandes deutscher Unternehmerinnen. Ihr Geheimrezept?
Selbstbewusstsein und ein offenes Ohr für Kritik und Tipps. Im WP-Interview in der Serie „Balves Starke Frauen“ beschreibt die promovierte Juristin ihre Karriere in der männerdominierten Branche der Energiewirtschaft. Dazu hat sie wegweisende Tipps an junge Unternehmerinnen auf Lager.
Von Balve nach Budapest
Die erste Station in Thiells Lebenslauf war das Rechtswissenschaftsstudium in Münster. Danach arbeitete sie als Juristin im Gesellschaftsrecht und später operativ als Vorstandsvorsitzende der Stromversorgung in Budapest und Ungarns Nordosten. „Das hat für mich ein neues Leben in einer anderen Stadt mit einer fremden Sprache bedeutet und mich aus meiner Komfortzone herausgeholt“, kommentiert sie.
Seit Ende 2020 nutzt Thiell ihre Zeit im Ruhestand für ihr Engagement, unter anderem als Mitglied des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU), welcher Vernetzung auf regionaler bis zur internationalen Ebene bietet. „Dort strebe ich an mit Kolleginnen aus Balve und dem Hochsauerlandkreis eine Region des Verbands zu gründen“, sagt die Co-Vorsitzende des Landesverbandes Westfalen, „der VdU steht für die branchen- und generationsübergreifende Vernetzung von Frauen in der Wirtschaft. Die Vernetzung von Frauen in der Wirtschaft war schon während meines Berufslebens mein Thema.“
Schon im Jahr 2007 rief sie ein RWE konzerninternes Frauennetzwerk ins Leben. „Frauen brauchen eine gemeinsame Stimme“, weiß die bekennende Netzwerkerin.
Die inzwischen in Werne an der Lippe beheimatete Unternehmerin möchte jungen Frauen Unterstützung und Motivation bieten. Thiell bezeichnet sich selbst als „Feministin im besten Sinne“. „Die Urmütter des Feminismus hatten eine Selbstbestimmung der Frau und ihres Lebenswegs im Auge. Sie haben für das Wahlrecht und Berufsfreiheit der Frauen gekämpft. Das sind die Urgedanken des Feminismus und die kann ich natürlich voll unterschreiben“, betont sie.
„Ich habe immer sehr gerne mit Männern zusammengearbeitet. Es stimmt, dass die Energiewirtschaft Anfang der 1990er Jahre sehr männerdominiert war, das hat sich aber mittlerweile stark gewandelt. Es hat mir aber auch immer sehr viel gegeben, mich mit Frauen auszutauschen und zusammen Projekte zu starten“, betont Thiell.
Suche nach Vorbildern
Dabei ist ihr wichtig, dass die Frauen nicht unter sich bleiben, sondern, dass sie ihre Arbeit auch nach außen tragen und diese Projekte gemeinsam mit Männern vorantreiben. „Nie waren die Chancen für junge Frauen besser als heute. Aber trotzdem spüre ich, dass viele Frauen nach Vorbildern, Rat und Austausch suchen. Ich spüre, dass junge Unternehmerinnen sehr offen dafür sind, sich gegenseitig zu unterstützen“, berichtet sie. Der Wert von Vernetzungen werde von Frauen oft unterschätzt, so Thiell.
Ihr ist wichtig, dass sich Frauen in jeder Lebensphase unterstützen und gegenseitig weiterbringen. Prägend für ihren Karriereweg war vor allem ein heimatliches Vertrauen. Wie war es ihr selbst?
„Ich bin von meinen Eltern mit einem sehr gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet. Mein Vater hat sehr an mich, als seine älteste Tochter geglaubt, was mich schon in sehr jungen Jahren geprägt hat,“ entgegnet Thiell.
Auch ihr Wochenendjob als Kellnerin im Hotel zur Post in Eisborn brachte Fähigkeiten mit sich, die sie im Berufsleben wiederfanden: Standhaftigkeit, Leistungsbereitschaft, Multitasking und eine selbstbewusste Kommunikation. „Dort habe ich gelernt, mich mit jedem Menschen unterhalten zu können“, beschreibt sie.
Gerade die Arbeit im Ausland sensibilisierte die Unternehmerin dafür, wie bedeutend eine Vielfalt der Meinungen ist. „Mir ist immer zugutegekommen, wenn ich in Ungarn die Menschen selbst nach ihrer Meinung gefragt habe. Zu der Diversität gehört auch, älteren Menschen und Experten mit viel Erfahrung zuzuhören“, findet die Unternehmerin. Zuhören und Lernen sind dabei lediglich die ersten Schritte zum Erfolg.
Klare Linie
„Frauen sollten sich möglichst früh eine Lebensplanung machen und diesen Weg möglichst klar gehen“, weiß Thiell. Sie ist sich sicher, dass auch der Partner und die Familie die notwendige Unterstützung bieten können. Dazu rät Thiell, die Pläne auch mit dem Arbeitgeber zu besprechen, damit bei der Verwirklichung mitwirken kann. „Eine verlässliche Partnerschaft zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiterin ist ein ganz hohes Gut“, betont Thiell, „Packt´s an!“.