Balve. Dr. Peter Liese gilt als Brüssels Lauterbach. Doch die beiden Ärzte können nicht miteinander. Es war nicht die einzige Überraschung bei Kolping.
Engagiert verteidigt er die EU und kritisiert scharf einen Mann, mit dem er gern verglichen wird. Dr. Peter Liese sprach beim Balver Kolpingforum über aktuelle politische Entwicklungen. Nebenher wurde klar, dass Brüssel mehr mit Balve zu tun hat, als es auf den ersten Blick scheint.
Ungewöhnlich ist der Termin, denn die Balver Kolpingsfamilie musste für dieses Forum auf einen Mittwoch in den Sommerferien ausweichen. Ungewöhnlich ist auch die Begrüßung, denn das Gesicht des Balver Kolpingforums, Engelbert Falke, ist dieses Mal verhindert. So übernimmt der Vorsitzende der Gruppe Bernward Midderhoff die einleitenden Worte, „ins kalte Wasser wie geworfen“, wie er grinsend meint.
Brüssels Lauterbach
Den Referenten, den heimischen CDU-Europaabgeordneten Dr. Peter Liese, stellt er vor als einen Politiker, der auch in der eigenen Partei mal aneckt und der vor allem auch immer wieder mit jemandem aus der Berliner Ampel-Koalition verglichen wird: „der Karl Lauterbach Brüssels“. Liese, wie Lauterbach Arzt, ist dort nämlich neben Umwelt- auch für Gesundheitsthemen zuständig. Auf den Epidemiologen aus dem Rheinland und vormaligen Erklärer der Coronapandemie ist Liese aber nicht so gut zu sprechen: „Karl Lauterbach redet nicht mit mir“, sagt er. Lauterbach habe sogar seinen Mitarbeitern verboten, mit dem Europaabgeordneten zu reden. Dr. Liese beschreibt SPD-Gesundheitsminister Lauterbach überhaupt als Eigenbrötler: „Der nimmt auch keinen Rat von seinen Mitarbeitern an.“ Das sind sicher die bemerkenswertesten Formulierungen an diesem Abend.
Auch sonst bringt der gebürtige Olsberger, nun in Meschede zuhause, vieles auf den Punkt. Ob bei einer drohenden Medikamentenknappheit in Deutschland oder der viel zu großen Energieabhängigkeit von Russland und anderen autoritären Staaten: Liese sagt, dass er viele Probleme schon habe kommen sehen – nach seiner Wahrnehmung ohne Unterstützung, um schon rechtzeitig einzugreifen. Aber auch jetzt noch lasse sich die Aufgabe, Arzneimittelproduktion zurück zu holen, am besten EU-weit lösen. Wie auch vieles andere. Der Ukrainekrieg kommt an diesem Abend natürlich auch zur Sprache. Liese spricht von persönlichen Erfahrungen und solchen, die ihm berichtet wurden aus Polen und baltischen Staaten: „Die Menschen dort haben Angst.“ Auch deshalb sieht er die Zukunft der Ukraine in der EU, in der Bekämpfung etwa der früher allgegenwärtigen Korruption habe das Land Fortschritte gemacht. Weitere Schlaglichter, die der EU-Abgeordnete wirft: zu der Flüchtlingsfrage gebe es bei Ukrainern natürlich eine andere Einschätzung als quasi Nachbarschaft Deutschlands. Aber in anderen Weltregionen solle man auch Fluchtursachen bekämpfen: „Die beste Lösung ist es nicht für alle, nach Deutschland zu kommen, sondern den Menschen in der Heimat Perspektiven zu geben.“
Zum AfD-Erfolg bei der Landratswahl in Kreis Sonneberg, Thüringen, sagt Liese: „Die Sorgen der Menschen müssen wir ernst nehmen. Aber kein, ich wiederhole: kein Problem wird gelöst durch die Wahl dieser Partei.“
Der Sauerländer wirbt bei Bauprojekten für beschleunigte Verfahren. Das zeige das Brückendesaster in Lüdenscheid.
Aus den Reihen der 30 Zuhörer kommen in der anschließenden Diskussionen Vorwürfe, die man in Brüssel immer wieder hört: zu viel Bürokratie, zu lange Entscheidungswege. Liese appelliert eindringlich an die Zuhörer, trotzdem nicht in Politikverdrossenheit zu verfallen. Auf dem Weg von Einstimmigkeits- zu Mehrheitsentscheidungen sei das Parlament ein gutes Stück weiter gekommen.
Zu sehen, wie man selbst etwas bewirken kann, das habe seine eigene politische Karriere geprägt. In seiner Heimat habe er mit der Jungen Union die Verrohrung eines Baches stoppen können. Und dass Liese sich beim Kolpingforum als Teil der Gemeinschaft empfindet, unterstreicht er mit den eigenen Geschichten. Weil der strenge Herr Pfarrer damals für ihn und seine Freunde keinen Schlüssel für das Pfarrheim herausrücken wollte, wo die Jugendliche eine Party feiern wollten, habe man einfach eine Kolpingjugend gegründet – und dann den Schlüssel bekommen.
Malteser und Bültmann gefördert
Lieses Thesen stießen auf Anklang bei der Zuhörern, einmal aber auch auf Widerspruch eines Gastes, der, anders als der Politiker, nicht an einen baldigen Regierungswechsel in Polen glaubt.
Und was Europa konkret auch vor Ort bedeutet hatte Liese mit zwei Förderprojekten unterstrichen: den Umbau auf dem Gesundheitscampus für die Balver Malteser und Förderung für die Firma Bültmann in Neuenrade. „Dort wird etwas entwickelt, dass der ganzen Welt hilft.“ Gemeint ist ein sogenannter Dauermagnetheizer. Er soll Energie sparen.