Balve/Werl. Joshua Baumeister ist ein Mann für alle Fälle. Der junge Balver wird in Werl Beamter im Vollzugsdienst. Was fasziniert ihn daran?

Schön geht anders – auch wenn der älteste Teil der Justizvollzugsanstalt Werl aus der Gründerzeit stammt. Die Sitzflächen vorm Haupteingang wirken wie Panzersperren, die fast fensterlose Eingangsfront erscheint kalt, hart. Grundstücksmauern sind mit Nato-Draht gesichert. Die stumme Botschaft ist unüberhörbar: Vorsicht, Fluchtgefahr! Ich jedoch bin unterwegs zu einem jungen Balver, der sich freiwillig dorthin begeben hat: Joshua Baumeister.

Hohe Mauern, Nato-Draht: Die JVA geht auf Nummer sicher.
Hohe Mauern, Nato-Draht: Die JVA geht auf Nummer sicher. © WP | jürgen overkott

Am Eingang werde ich gecheckt: Perso, bitte. Smartphones sind im Gefängnis tabu, von Geld, Waffen, Drogen gar nicht zu reden. Die Pforte überprüft meinen Gesprächstermin per Anruf bei Ausbildungsleiter Benedikt Schumacher. Ich unterschreibe eine Rechtsbelehrung mit mehreren Punkten. Es fühlt sich ein bisschen wie bei „Monopoly“ an. Die Insassen befinden sich hinter Gittern, ich bin nur zu Besuch.

Joshua Baumeister, Benedikt Schumacher und ich treffen uns im Ausbildungsbüro. Der nüchterne Charme von Behördenräumen wird aufgebrochen durch Immergrün. Auf Schumachers Tisch liegt eine Pralinenpackung. „Kleiner Dank“ steht darauf. Schumacher ist Ausbildungsleiter für rund 80 Auszubildende und Beschäftigte. Der Allgemeine Vollzugsdienst stellt die größte Gruppe, zwei Drittel. Dazu kommen Sozialarbeiter, Psychologen, Gefängnisseelsorger, Juristen und Verwaltungskräfte.

Arbeitspflicht im Strafvollzug

Die Küche ist intern: „Sie wird von Gefangenen bewirtschaftet; sie haben in Nordrhein-Westfalen eine Arbeitspflicht“, erläutert der Ausbildungsleiter. 1034 Plätze hat die Einrichtung, davon 140 Plätze für die Sicherungsverwahrung, voll belegt. Alles Männer.

Joshua Baumeister aus Balve ist in Werl im Knast - er wird Beamter im Vollzugsdienst. Sein Ausbildungsleiter ist Benedikt Schumacher.
Joshua Baumeister aus Balve ist in Werl im Knast - er wird Beamter im Vollzugsdienst. Sein Ausbildungsleiter ist Benedikt Schumacher. © WP | jürgen overkott

Mittendrin: Joshua Baumeister. Er will Beamter im Allgemeinen Vollzugsdienst werden. Gefangene betreuen, versorgen, verpflegen: Das gehört zu seinen Aufgaben.

Ich will wissen, was ihn zur JVA gezogen hat: „Ich wollte einen Beruf, in dem ich eine hohe Herausforderung finde“, entgegnet er mit Blick auf seine zuweilen anstrengende Zielgruppe. „Vorher war ich Kaufmann im Einzelhandel, habe da meine Ausbildung, auch anderthalb Jahre gearbeitet, aber da fehlte mir die Herausforderung, auch wenn ich den Kundenkontakt gut fand, da ich gerne mit Menschen arbeite.“ Auf einen Berufswechsel kam Joshua Baumeister durch eine Anzeige: „Meine Mutter hat auch einen Bekannten, der hier, in der JVA, arbeitet.“ Zugegebenermaßen konnte er sich unter den Aufgaben für Beschäftigte im Gefängnis „nicht viel vorstellen“. Der Besuch eines Info-Tages brachte Klarheit. Wie sieht der Arbeitsalltag aus?

Joshua Baumeister organisiert den Lebensrhythmus Gefangener. „Morgens mache ich Vitalkontrolle“, erzählt der lange, breitschultrige Balver. Ich sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich muss gucken, ob alle da sind und ob alle noch leben.“ Bei einigen, wenigen besteht Selbsttötungsgefahr.

Nach dem Frühstück werden die Gefangenen zur Arbeit abgeholt. Dazu kommen Besuche oder Arzttermine, auch Haftraumkontrollen und Antragsbearbeitung. Wie hat der 22-Jährige den Umgang mit den Insassen gelernt?

Trübe Aussicht: die JVA in Werl
Trübe Aussicht: die JVA in Werl © WP | jürgen overkott

„Man bekommt eine viermonatige Einweisung“, berichtet er. „Dann durchläuft man alle Bereiche, alle Abteilungen, acht Wochen war ich da. Erst läuft man mit einem Kollegen mit, danach wird man herangeführt, immer selbstständiger zu arbeiten. Da kann man immer Fragen stellen.“

Mich interessiert, wie Gespräche mit Insassen laufen, wo doch persönliches Interesse und professionelle Distanz sorgsam ausbalanciert werden müssen: „Das habe ich hier gelernt, auf der Abteilung. Am Anfang guckt man bei den Kollegen, wie die das machen.“ Smalltalk geht immer. Manche Insassen erzählen auch Persönliches. „Die haben jeden Tag etwas anderes auf dem Herzen“, weiß Ausbildungsleiter Schumacher. Ziviler Zimmerton ist angesagt. „Da habe ich vorher gar nicht gerechnet“, gesteht Joshua Baumeister, „dass die Insassen so respektvoll mir gegenüber sind.“

Was Klientel schwierig macht

Nicht alle sind so. „Es gibt Menschen mit psychischen Erkrankungen, die schwer einzuschätzen sind, Menschen, die plötzlich die Medikation verweigern, Menschen, bei denen sich die Krankheit verschlimmert.“ Schilder an Zellentüren geben darüber Auskunft: „Achtung, gewalttätig“, heißt es dann oder „Zelle nur mit zwei Bediensteten betreten“.

Arbeitsplatz Knast
Arbeitsplatz Knast © WP | jürgen overkott

Die JVA hat sich auf die „schwierige Klientel“ eingestellt, wie Ausbildungsleiter Schumacher sagt. „Werl gilt als eine der sichersten Einrichtungen in ganz Nordrhein-Westfalen.“ Das Geheimnis liegt in der Balance von Kontrolle und Kommunikation. „Und das“, sagt der künftige Beamte, „macht mir an diesem Beruf Spaß.“

UNTERNEHMENSPASS

Voraussetzungen

* Fachoberschulreife oder Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung oder abgeschlossene Ausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis;
* zum Zeitpunkt der Einstellung mindestens 20 Jahre und zum Zeitpunkt der Verbeamtung auf Widerruf regelmäßig noch nicht 40 Jahre alt; als Mensch mit Schwerbehinderung oder gleichgestellte Person (§ 2 Absatz 3 Sozialgesetzbuch IX) regelmäßig noch nicht 43 Jahre alt, Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union;
* Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes,charakterliche,
* geistige und körperliche Eignung für die Laufbahn sowie
* Dienstfähigkeit aus amtsärztlicher Sicht.

Ausbildung

2-jährige Ausbildung im dualen System. Los geht es zum 1. Juli eines Jahres. In Blöcken abwechselnd theoretische Ausbildung an der Justizvollzugsschule des Landes Nordrhein-Westfalen (JVS NRW) in Wuppertal oder Hamm (insgesamt 9 Monate) und die praktische Ausbildung an mindestens zwei Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen (insgesamt 15 Monate),

* mit jeweils mindestens 4 Wochen im Untersuchungshaftvollzug,
* im geschlossenen Erwachsenenvollzug,
* im offenen Vollzug,im Jugendvollzug
* oder im Jugendarrestvollzug.

Gehalt

Einstiegsgehalt entsprechend der Entgeltgruppe 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Nach erfolgreicher Einweisungszeit von 3 bis 6 Monaten Entgeltgruppe 6 TV-L (plus gestaffelter Vollzugszulage nach einem Jahr). Weitere Infos: Entgelttabelle für Tarifbeschäftigte.

Weitere Informationen über die Ausbildung findet Ihr hier.