Balve. Erst im zweiten Halbjahr 2022 bröckelt es in der Wirtschaft. Firmen sehen den Krieg, den Fachkräftemangel und Bürokratie als Probleme.
Die mittelständischen Unternehmen in Balve und im gesamten Sauerland seien beweglich genug, um die vielfältigen Herausforderungen durch die Krisen unserer Zeit zu bewältigen, kommentiert Kai Hagen, Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Sparkasse im Märkischen Kreis, die aktuelle wirtschaftliche Lage. Zusammen mit Hartmut Tetling, Leiter Firmenkunden, präsentierte er die Diagnose Mittelstand 2022.
Zum 22. Mal hat der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) eine repräsentative Analyse zu kleinen und mittleren Unternehmen durchgeführt. Die Diagnose Mittelstand enthält erstmalig zusätzlich den Deka-S-Finanzklimaindex. Er beruht auf quartalsweisen Umfragen unter den Vorständen der deutschen Sparkassen zur konjunkturellen Entwicklung und ergänzt die deutschlandweite Umfrage des DSGV unter den Firmenkundenbetreuern der Sparkassen. „Die Kennzahlen aus dem Jahr 2021 und vom Beginn des Jahres 2022 sind Vergangenheit“, weist Kai Hagen auf die Besonderheit der 22. Diagnose Mittelstand hin. Vor Jahresfrist herrschten die Themen Nullzins und Corona, jetzt sind es der Krieg in der Ukraine und die Inflation, die auf die Gemütslage drückten.
Top-Ergebnisse erzielt im ersten Quartal – dann bröckelte es
„Die Stimmung der Unternehmen ist von Zurückhaltung und großer Spannung geprägt“, beobachtet Hartmut Tetling. Dabei hätten die heimischen Unternehmen im ersten Halbjahr entgegen der Befürchtungen Top-Ergebnisse erzielt, berichtet Kai Hagen. „Erst im zweiten Halbjahr bröckelte es.“ Die Gemengelage aus verstärkten Lieferproblemen, stark steigenden Energiekosten, Energieknappheit und Inflation drücke aber auf die Stimmung der Unternehmer.
Die heimischen Unternehmen seien überwiegend gut auf das problematische Energieumfeld der kommenden Monate vorbereitet. Auch die moderat gestiegenen Zinsen seien verkraftbar. Die Kreditvergabebereitschaft habe sich kaum verringert und bleibe auf hohem Niveau. Jedoch würden 80 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen von einer weiteren Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage bis Ende 2023 ausgehen. Kai Hagen rechnet persönlich allerdings damit, dass die Inflation im nächsten Jahr stark zurückgehen wird: „Ich gehe von etwa vier Prozent im nächsten Dezember aus.“ Vor der Krise lag die Inflationsrate um 1,5 Prozent, aktuell beträgt sie zehn Prozent. Die jüngste Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) habe den Immobilienmarkt einbrechen lassen, stell Kai Hagen fest. Allerdings bleibe die Nachfrage zum Beispiel in Balve und Neuenrade größer als in anderen Städten und Gemeinden im Märkischen Kreis.
Sparkasse übt Kritik an der Politik – zu langsam, zu umständlich
Deutliche Kritik übt Kai Hagen an der Bundesregierung: Die Politik leide unter denselben Attributen wie die deutsche Fußballnationalmannschaft: zu langsam, zu umständlich und von alter Stärke träumend. Unternehmen, die versuchten, auf die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren und z. B. ihre Produktionsanlagen von Gas auf Öl umzustellen, sähen sich mit komplizierten Genehmigungsverfahren konfrontiert. „Bürokratie wird zum Hemmschuh für notwendige Veränderungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass unsere Kunden die ausufernde Bürokratie als drittgrößtes Risiko – gleich nach den Folgen des Ukraine-Krieges und dem Fachkräftemangel – für ihre weitere geschäftliche Entwicklung sehen.“
In Krisenzeiten wie diesen sei die Sparkasse als Partnerin der heimischen Unternehmen besonders gefragt. „Wir sind vor Ort präsent und kennen die Geschäftsmodelle unserer Kunden“, betont Hartmut Tetling. Kai Hagen erklärt: „Gerade in Krisensituationen wirken wir als Stoßdämpfer und helfen den Unternehmen, Schocks zu überstehen.“