Balve. Der scheidende Landrat Thomas Gemke zieht im WP-Gespräch Bilanz. Wieso er stolz ist auf die Kreisverwaltung, welche Aufgaben noch zu wuppen sind.

Für Landrat Thomas Gemke ist das Berufsleben seit Freitag vorbei. Zeit für ein Bilanz-Gespräch.

Sie wirken entspannt. Fällt Ihnen der Abschied leicht?

Landrat Thomas Gemke (CDU; links, bei einem Termin auf dem Flugplatz Arnsberg-Menden) vom Märkischen Kreis gilt begnadeter Netzwerker.    
Landrat Thomas Gemke (CDU; links, bei einem Termin auf dem Flugplatz Arnsberg-Menden) vom Märkischen Kreis gilt begnadeter Netzwerker.     © WP | Andreas Dunker

Thomas Gemke Der Abschied ist mir in den letzten Tagen immer mehr ins Bewusstsein geraten. Seit Ende Februar hat mich ja die Bewältigung der Corona-Krise mehr als beschäftigt. Die Bewältigung der Pandemie stand im Mittelpunkt, nicht mein Abschied. Natürlich kommt jetzt etwas Wehmut auf. Aber ich habe meinen inneren Frieden damit gemacht.

Wer den Zeitpunkt selbst bestimmen kann, hat’s sowieso leichter.

Das war für mich wichtig. Der Haushalt für das Jahr 2020 war meine 46. Haushaltsplan-Beratung. Ich bin schon früh politisch aktiv geworden. Da muss man sich irgendwann fragen, ob sich man sich nicht auch mal anderen Herausforderungen stellt, oder die 47. Haushaltsplanberatung mitgestalten will.

Was hätten Sie gern besser gemacht?

Schwer zu sagen. Rückblickend betrachtet, ist immer alles anders. Aber ich wüsste heute keine Sache, die ich grundlegend anders gemacht hätte. Die Weichen, die ich gestellt habe, würde ich heute genauso stellen: solide Finanzen, Investitionen in die Infrastruktur, Erhalt der Förderschulen, Ausbau des Schienennetzes im Nahverkehr, Breitband-Verkabelung. Ich freue mich besonders, dass ich aktuell als Landrat mit Bürgermeister Mühling fast alle Haushalte in Balve anschreiben konnte, damit der Glasfaseranschluss im nächsten Jahr verlegt werden kann.

In welchen Bereichen haben Sie das Meiste erreicht?

Besuch in Polen: Landrat Thomas Gemke (2. von links) legte Wert auf die Aussöhnung mit dem östlichen Nachbarland.
Besuch in Polen: Landrat Thomas Gemke (2. von links) legte Wert auf die Aussöhnung mit dem östlichen Nachbarland. © Märkischer Kreis | Kreis Ratibor

Wichtig war mir immer die gute Zusammenarbeit mit den Städten im Märkischen Kreis. Mit den Bürgermeistern – egal welcher politischen Farbe – habe ich ein gutes Verhältnis. Die Kreisverwaltung ist eine moderne, leistungsstarke Verwaltung, mit über 1200 Beschäftigten. Die Bürgerfreundlichkeit muss da sein. Manchmal habe ich mich selbst darum gekümmert. Bei der Digitalisierung der Kreisverwaltung ist vieles umgesetzt worden. Die Digitalisierung muss weiter ausgeweitet werden. An der Gründung der Südwestfalen IT hatte ich maßgeblichen Anteil. Die SIT ist ein Zusammenschluss aller 59 Städte und fünf Kreisen in Südwestfalen. Damit soll die IT in den Kommunen zentral und damit besser bewerkstelligt werden. Das sieht draußen natürlich kein Bürger. Ob die Zulassungsdaten meines Autos auf dem Server in Siegen oder Hemer liegen, ist zurecht für den Bürger egal. Die Zulassung muss funktionieren.

Die Erneuerung der Verwaltung braucht Digitalisierung, aber auch Personal. Können Sie gegen die Wirtschaft bestehen?

Bauarbeiten im Balver Bahnhof: Thomas Gemke (rechts) forcierte den Schienennahverkehr.
Bauarbeiten im Balver Bahnhof: Thomas Gemke (rechts) forcierte den Schienennahverkehr. © WP | Jürgen Overkott

Ja. Die Kreisverwaltung ist letztens wieder als Top-Ausbilder ausgezeichnet worden. Wir bilden viele junge Leute aus, weil die Verrentungswelle auf die Kreisverwaltung zurollt. Im öffentlichen Dienst wird die gute Arbeit auch angemessen bezahlt. Die Zusatzversorgung im Rentenalter ist hervorragend. Es gibt aber Sparten, etwa Informatiker, Ingenieure und Ärzte, in denen wir schlechter bezahlen als in der Wirtschaft.

Wie ist die Kreisverwaltung durch die Corona-Krise gekommen?

Eigentlich gut, aber die Belastung ist enorm. Sie nimmt im Moment täglich zu. Viele sind am Limit. Die Kreisverwaltung ist auf die Bewältigung der Pandemie ausgerichtet worden. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mit angepackt, aus allen Fachdiensten. Manches – wie Schuleingangsuntersuchungen – können vom enorm belasteten Fachdienst Gesundheit nicht auch noch bewältigt werden. Das ging nicht anders.

Immer wieder gibt’s Vorgaben vom Land. Wie würden Sie die Zusammenarbeit beschreiben?

Das Land ist kommunalfreundlicher geworden, gibt den Städten mehr Geld. Mehr Polizeibeamte werden eingestellt. Das war früher anders. Grundsätzlich gilt natürlich, unabhängig davon, wer die Regierung stellt: Bund und Land beschließen gerne Gesetze, die die Kommunen bezahlen müssen.

Wie erleben denn Bürger die Zusammenarbeit mit dem Kreis?

60. Geburtstag von Charly Grote: Landrat Thomas Gemke (Mitte) feierte mit. Das Foto zeigt ihn im Gespräch mit CDU-Ratsherr Theo Willmes.
60. Geburtstag von Charly Grote: Landrat Thomas Gemke (Mitte) feierte mit. Das Foto zeigt ihn im Gespräch mit CDU-Ratsherr Theo Willmes. © WP | Fabian Paffendorf

Wir erhalten viel positive Rückmeldung von den Bürgern. Sicher gibt es Kritik, manchmal auch berechtigte Kritik. Berechtigten Beschwerden wird nachgegangen. Beispiel: Es gab erhebliche Probleme der Bewilligung von Elterngeld. Da habe ich reagiert und Personal verstärkt.

Sind Sie als Landrat mit seinen vielen Aufgaben überhaupt noch mit Bürgern ins Gespräch gekommen?

Auf jeden Fall. Der Landrat ist ja auch oberster Repräsentant des Kreises. Ich bin dankbar dafür, dass ein Teil meiner Aufgabe darin bestand, im Kreisgebiet Ehrungen vorzunehmen. Da bin ich mit vielen Bürgern abseits des Protokolls ins Gespräch gekommen.

INFO

Als Landrat hat Thomas Gemke, noch 62, die internationalen Freundschaften, gerade zu Polen, gepflegt. Das war ihm aus historischen Gründen wichtig.

Im Märkischen Kreis trieb der Christdemokrat mit Herzblut die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, gerade auf der Schiene, voran. Der Zahl der Schienenkilometer stieg, die Zahl der Fahrgäste verdoppelte sich in seiner Amtszeit. Der Balver nutzte seinen Einfluss als Vorsitzender des Zweckverbandes Ruhr-Lippe für den Schienenverkehr.

SGV, Wanderverband, Leaderverein

Thomas Gemke (CDU), scheidender Landrat des Märkischen Kreises, wandert gern, nicht nur, wie hier, im Hohen Venn.
Thomas Gemke (CDU), scheidender Landrat des Märkischen Kreises, wandert gern, nicht nur, wie hier, im Hohen Venn. © Privat | Thomas Gemke

Zudem hatte er ein waches Auge auf Bildung, gerade auf die Förderschulen und die Berufskollegs.

Gemke, Mountainbiker und Wanderer, geht in den Unruhestand. Ganz gar nichts machen liegt ihm erklärtermaßen nicht. Der gebürtige Werler freut sich auf seine ehrenamtliche Arbeit als Präsident des SGV und des Landeswanderverbandes sowie des Leadervereins „Bürgerregion Sorpesee“.