Balve. Kein Schützenfest, kein Festspiel-Theater. Andererseits öffnen manche Läden wieder. Was sagen Balver Bürger dazu?
In der Balver Bürgerschaft stößt das von Bund und Ländern beschlossene Veranstaltungsverbot auf breite Zustimmung. Veranstaltungen sind bis zum 31. August tabu. Deshalb entfallen in diesem Jahr Schützenfeste sowie das Gros der Events in der Balver Höhle. Die „Westfalenpost“ hatte Balver(innen) in führenden Positionen um Rückmeldungen gebeten.
Gesundheit an erster Stelle
Bürgermeister Hubertus Mühling (CDU): „Die Untersagung bis Ende August ist ein weiterer Einschnitt in das gesellschaftliche Leben auch unserer Stadt.
Allerdings trifft die weitere Absagung die Vereine und Veranstalter nicht ganz unvorbereitet. Vor dem Hintergrund der Anstrengungen zur Reduzierung der Verbreitung des Virus, halte ich die jetzt getroffenen Entscheidungen für richtig und angemessen. Die Gesundheit von uns allen muss bei allen zur Zeit zu treffenden Entscheidungen immer an erster Stelle stehen.“
Gedanken machen über finanzielle Folgen der Krise
Lorenz Schnadt (UWG): „Es ist leider so, dass man in der derzeitigen Phase auf keinerlei Erfahrungen mit ähnlichen Situationen zurückgreifen kann. Von daher kann im Moment niemand vorhersagen, wie sich die Infektionen und damit die Belastungen weiter entwickeln werden. Wie man im internationalen Vergleich gerade jetzt gut sehen kann, ist Deutschland bislang einen sehr erfolgreichen Weg in der Corona-Krise gegangen. Dies darf auch jetzt nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Von daher gilt insbesondere zum Schutz der Risikogruppen weiterhin: Safety first!
Mit den gestrigen Beschlüssen ist klar, dass es mindestens bis zum 31. August 2020 keinerlei größere Veranstaltungen geben wird. In Bayern geht man nach aktuellem Stand noch von einem deutlich längerem Zeitraum aus.
Dabei denke ich zunächst an die Menschen, die ihr tägliches Brot mit dieser Art von Unterhaltung verdienen. Das sind unter anderem die Schausteller, professionelle Musiker, Konzert- und Eventveranstalter, Sicherheitsmitarbeiter und zahlreiche 450-Euro-Kräfte, die zum Beispiel als Bedienung ihren Lebensunterhalt damit bestreiten. Dazu kommen aber gerade hier in Balve die zahlreichen ehrenamtlichen Mitglieder und Helfer in den unterschiedlichen Vereinen, die durch ihre Arbeit ein aktives Vereinsleben erst möglich machen. Dabei ist so mancher Verein dringend auf Veranstaltungen angewiesen, teilweise wurden im Vorgriff erhebliche Investitionen getätigt. Nicht nur, dass das Vereinsleben seit Wochen nun stillsteht, nun geraten nicht gerade wenige Vereine auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Es ist daher jetzt schon an der Zeit, sich über die finanziellen Folgen der Krise Gedanken zu machen. Bund und Länder haben bereits umfangreiche Hilfen für Berufstätige und Betriebe in Aussicht gestellt. Ein Schutzschirm für Kommunen in NRW wird gerade von der Landesregierung in Aussicht gestellt. Wer aber kümmert sich um die Vereine mit ihren zahlreichen Ehrenamtlichen. Hier denke ich, muss auch die Stadt als unterste Klammer zwischen den Bürgern und dem Staat helfend beiseite stehen. Denkbar sind zum Beispiel kostenlose Benutzung von städtischen Anlagen (zum Beispiel Turnhallen und andere) oder städtische Dienstleistungen (zum Beispiel Aufstellung von Beschilderungen oder zum Beispiel der Weihnachtsbeleuchtung und anderes). Darüber hinaus auch die Stundung von Forderungen bis hin zu möglichen Bürgschaften. Dies alles muss aber gut überlegt sein und kann erst nach gründlicher Prüfung im Lichte einer generellen Finanzierbarkeit entschieden werden.“
Vereinbarungen von Bund und Land absolut richtig
Cay Schmidt (SPD): „So bedauerlich die Einschränkung für alle Betroffenen auch sein mögen, halte ich die heute von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten der Länder getroffenen Vereinbarungen für absolut richtig!
Natürlich ist es schade, das alle diese Traditionsveranstaltungen und kulturellen Highlights dieses Jahr wohl nicht so wie gewohnt und geplant stattfinden können, aber der Schutz von Leben und Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger muss die Leitschnur des politischen Handelns sein und nicht etwaige wirtschaftliche Konsequenzen - wenn auch diese Aspekte bei zukünftigen Lockerungen, soweit vertretbar, berücksichtigt werden müssen.
Wir alle haben es nun weiterhin in der Hand, durch unser Verhalten eine schrittweise Rückkehr zu einem Normalzustand zu Beschleunigen oder zu Verlangsamen.
Ich bitte Sie alle um die nötige Geduld, auch wenn es schwerfällt - mir übrigens auch!!!“
Zustimmung für Lockerung der Ladenöffnungszeiten
Charly Grote, Goldbäcker/Vorsitzender des TuS Langenholthausen: „Wir alle haben gespannt auf das Ergebnis des Bundes und der Länder gewartet. Mich hat das Verbot für Großveranstaltungen bis zum 31. August 2020 nicht überrascht. Hier ist man auf Nummer sicher gegangen, da gerade große Menschenansammlungen bei Feierlichkeiten für die bekanntesten Massen-Ansteckungen gesorgt haben. Ischgl (Après-Ski-Party), Heinsberg (Karneval) und Mitterteich (Starkbier-Fest) sollten wir nicht so schnell vergessen. Unsere Politiker haben sich sicherlich reiflich Gedanken dazu gemacht, um uns alle so gut wie möglich zu schützen.
Ich begrüße vor allem die Lockerung der Öffnungszeiten für Geschäfte bis 800 qm Verkaufsfläche, Autohäuser und Buchhandlungen. Ab Montag, dem 20. April 2020, kommt wieder etwas Bewegung in die Bevölkerung. Endlich wieder auf die Straße, endlich wieder Freunde und Bekannte sehen (nicht anfassen), endlich das Gefühl der Freiheit zurück bekommen.
Mit der schrittweisen Öffnung der Schulen, Kindergärten und Kitas ab dem 4. Mai 2020, muss man, der allgemeinen Sicherheit zuliebe, halt leben. Hier würde ich auf die Abschlussprüfungen im Schulwesen verzichten und die Noten nach der bisher erbrachten Leistung vergeben. Dies war zu meiner Schulzeit auch möglich.
Als Präsident des TuS Langenholthausen schlage ich vor, einen Schlussstrich unter die Saison 2019/2020 zu machen und ab dem 6. September mit der neuen Saison zu beginnen. Die aktuelle Tabelle bestimmt die Aufsteiger, auf Abstiege kann man mit Sicherheit verzichten. Ähnlich sehe ich die Schützenfest-Saison (obwohl ich ein begeisterter Schützenfestler bin) und andere Veranstaltungen.
Ich finde, dass unsere Politiker einen sehr guten Job machen. Insgesamt können alle Menschen in Deutschland stolz auf ihre Leistung und Disziplin sein. Gemeinsam sind wir stark und gemeinsam kommen wir aus dieser gesundheitlichen und finanziellen Krise raus.“
Auch größere Geschäfte öffnen
Kai Hagen, Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Sparkasse im Märkischen Kreis: „grundsätzlich bedaure ich natürlich die Absage solcher Feste, Events, Kultur- und auch Sportveranstaltungen. Ich sehe diese Dinge als wichtige Komponenten des Zusammenlebens in einer Gesellschaft. Das Balver Schützenfest zum Beispiel ist eines der wichtigen Brauchtümer und in seiner Atmosphäre einmalig, einfach schade, dass es vielleicht nicht stattfinden wird.
Wenn die Aussetzung solcher Veranstaltungen aber der Preis dafür ist, einerseits Menschenleben zu retten und andererseits die Wirtschaft (lebens-)notwendigerweise wieder in Gang zu bringen, müssen wir das unbedingt akzeptieren. Schließlich haben die letzten Monate gezeigt, dass die Nähe von Menschen untereinander, möglicherweise laut sprechend aufgrund von Musik und Massen von Mitmenschen im Hintergrund, potenziell schlecht gespülte Gläser, aller Wahrscheinlichkeit nach sehr infektionstreibend sind.
Ich bedaure in diesem Zusammenhang aber die Entscheidung, Restaurants und Hotels noch geschlossen zu halten. Die Bevölkerung hat gelernt, Abstände einzuhalten; beim Einkaufen erntet man mitunter böse Blicke, wenn man den Sicherheitsabstand unbeabsichtigt einmal temporär nicht einhält. Eine Entzerrung der gestellten Tische bei Sperrung von zum Beispiel Saunen in Hotels hätte meines Erachtens hier genüge getan.
Darüber hinaus sehe ich kaum Sinn darin, Geschäfte mit über 800 qm Grundfläche geschlossen zu halten. Auf größeren Flächen lassen sich Abstände schließlich grundsätzlich besser einhalten.“
Gottesdienste und Beerdigungen „systemrelevant“
Pfarrerin Antje Kastens: „Ich halte den Schutz des Lebens für die höchste Aufgabe und befürworte deshalb eine weitere Kontaktsperre bis zum 3. Mai. Eine unserer Töchter ist fast fertig mit ihrem Medizin-Studium und arbeitet in der Corona-Krise als (ausgebildete) Krankenschwester im Krankenhaus eines schwer betroffenen Landkreises. Von ihr erfahre ich, wie sehr Menschen jedes Alters um ihr Leben ringen und wie unerklärlich plötzlich sie versterben können. Das Virus ist unberechenbar.
In unserer Balver Kirchengemeinde wird sichtbar, dass wir auf neue Weise aneinander festhalten, uns und andere tragen und ermutigen. Gerade die Begleitung in persönlichen und finanziellen Krisen ist gefragt. Es geht also. Gottesdienste inklusiver menschenwürdiger Bestattungen sind nach meiner Ansicht allerdings ,sytemrelevant’, wie der Dienst von uns Pfarrern insgesamt in dieser Krise. Daher brauchen wir dringend Gespräche zwischen den kirchlichen Vertretern(innen) und NRW. Digitale Gottesdienste können die Gemeinschaft in der Kraft Gottes nicht ersetzen.“