Mellen. Prost, Neujahr! In Mellen zogen diesmal nur acht Neujahrssänger von Tür zu Tür. Warum das so war und wie das den Ablauf veränderte.
Daniel Schulze Tertilt hatte die Nase voll. Der Organisator des Mellener Neujahrssingens hatte sich, wie so viele, über den Jahreswechsel eine Erkältung eingefangen. Das hinderte Mellens ehemaligen Schützenkönig keineswegs daran, beim Neujahrssingen im Dorf tatkräftig mitzusingen. „Diesmal waren wir so wenig wie noch nie“, sagte er am Donnerstag im WP-Gespräch, „da kam es auf jede Stimme an.“
Das Neujahrssingen hat im Sauerland eine lange Tradition. Früher wurde es in ungezählten Dörfern gepflegt, um nachbarschaftliche Kontakte in Schwung zu halten. Der Mellener Heimatforscher Winfried Rüth hat das auf seiner Internetseite www.balve-mellen.de festgehalten. Im Volkskundearchiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) finden gar Tondokumente aus alter Zeit – auf der Internetseite www.lwl.org/medienarchiv_web. Heutzutage gibt es das Neujahrssingen nur noch in wenigen Dörfern. Mellen ist eines davon.
Zum Schluss ein Sekt-Empfang
Gesucht werden junge Männer ab 18. Das hat seinen Grund. „An fast jeder Tür gibt es etwas zu trinken“, sagt Daniel Schulze Tertilt, „mal ein Bier, mal einen Schnaps. Das letzte Haus ist immer das von Alfons und Renate Dittrich. Da gibt es einen Sekt-Empfang.“
Verpflegt wird die Sängerschar obendrein. Eine Mellenerin, beispielsweise, hat schon eine kalte Platte vorbereitet, wenn ihr Neujahrsgrüße ins Wohnzimmer gesungen werden, Eier im Frikadellenmantel und panierte Mini-Schnitzel.
Nach der Neujahrstournee durchs Dorf sind die jungen Männer im Landmarkt zusammengekommen, bei Brötchen und Bockwurst. Da haben die Uhrzeiger schon um 22.30 Uhr gezeigt. „Weil wir so wenige waren“, stellt Daniel Schulze Tertilt fest, „sind wir dieses Jahr echt spät dran gewesen. Dann hat sich alles in die Länge gezogen. Wenn wir irgendwo eingeladen werden, brauchen wir ja auch immer ein bisschen Zeit, bevor es weiter geht.“
Nach dem Neujahrssingen ist vor dem Neujahrssingen. Da gibt Daniel Schulze Tertilt schon jetzt ein Versprechen ab: „Wir werden beim nächsten Mal früher losziehen. Bis 21 Uhr sollten wir fertig sein.“
Die Sängerschar, deren Stimmlage am langen, kalten Neujahrstag von Tenor in Richtung Bass gerutscht ist, freut sich darüber, dass sie während der Brückentage wieder regenerieren kann. Der Feier-Marathon fordert seinen Preis.
Dennoch haben es Daniel Schulze Tertilt und seine Freunde gern gemacht: Spontane Begegnungen haben Spaß gebracht. Sie hoffen, dass sie in zwölf Monaten wieder in größerer Mannschaftsstärke auflaufen können. Immerhin lebt das Neujahrssingen von Stimmgewalt – zumal sich die Truppe stets in zwei Gruppen aufteilt.
Zurück bleibt die Frage, warum in diesem Jahr so wenige Teilnehmer zum Neujahrssingen gekommen sind. Daniel Schulze Tertilt weiß eine Antwort darauf: „Es sind in diesem Jahr einfach unheimlich viele Leute weggefahren.“ Selbst wer keine Ferien hatte, kam wegen der günstig gelegenen Feiertagen mit einem Minimum auf Aufwand zu einem Maximum an Freizeit.
Immerhin hatten Daniel Schulze Tertilt & Co. trotz allem auch Glück. „Zwei Sänger kamen noch spontan dazu“, sagt er, „da waren wir acht. Das hat zu zwei Gruppen gereicht.“