Volkringhausen. Balves Fichten sterben einen leisen Tod. Borkenkäfer sorgen dafür, dass sie langsam verdursten. Jetzt greifen die Insekten auch Buchen an.

Der Wald stirbt leise. Plötzlich sind Fichten rot. Wenn sie braun sind, sind sie tot: vertrocknet. Ursprünglich waren es Einzelbäume. Jetzt sind braune Flecken im Forst sichtbar. Und es werden immer mehr. Richard Nikodem, Forstingenieur beim Landesbetrieb Wald und Holz NRW und zuständig im Bereich Regionalforstamt Mark-Sauerland im Bereich Volkringhausen, hat der WESTFALENPOST das Wald-Drama im Ruthmecketal gezeigt. Das Ergebnis ist erschreckend.

Richard Nikodem ist zuständig für den Balver Wald. 3500 Hektar Wald stehen unter seiner Obhut. „Man muss angesichts

Förster Richard Nikodem (lks.), Waldbesitzer Heinz Vogel
Förster Richard Nikodem (lks.), Waldbesitzer Heinz Vogel © WP | Peter Müller

der schlimmen Lage unseres Waldes zurzeit sehr frustrationsresistent sein, denn Hilfe gibt es nicht. Wir versuchen zu retten, was doch verloren scheint“, bekennt Nikodem.

Er hält an einem großen Holzpolter. „Dies waren vor acht Wochen noch gesunde, fast 100 Jahre alte Bäume. Jetzt mussten wir sie fällen, weil Klima, Trockenheit und Borkenkäfer sie buchstäblich umgebracht haben“, so der Forstingenieur, der im Wald seine Lebensaufgabe sieht. Man könne ja sehen, dass es in der Lebenszeit dieser nun vom Baumtod dahingerafften Bäume kein vergleichbares katastrophales Ereignis gegeben habe. Nikodem: „Einige der Bäume hatten wir schon als Zukunftsbäume ausgewählt, damit sie hier ihren Nachwuchs aussäen sollten. Nun müssen diese auch aus dem Wald heraus, um der Käferplage entgegenzuwirken.“

Bei genauer Beobachtung fällt auf, dass nicht nur Fichten betroffen sind. Auch Laubbäume sterben besonders auf den Kuppen ab. Hier besteht das Grundgestein aus Kalk. Im Kalk befinden sich Höhlen. Hier sickert das Wasser schnell durch. „Die Bäume verdursten“, so Nikodem. Er weist auf die zum Teil nur noch spärlich belaubten Kronen. „Diesen geht es als nächstes ans Leben.“

Waldbesitzer Heinz Vogel kommt in den Wald, holt sich Rat bei Nikodem. Der Experte hat eine ganz neue Karte, an der man mögliche zukünftige Entwicklungen im Bereich Balve ablesen kann. Per Flugzeug haben Wissenschaftler die Vitalität des Waldes überprüft, per Computerprogramm Prognosen entwickelt: Es sieht nicht gut aus. Durch Pilzkrankheiten habe man schon fast den ganzen Bestand an Ulmen und Eschen verloren. Manche Buchen haben nun den Brandkrustenpilz. „Alles zusammen, Klimaerwärmung, Trockenheit, Käfer und Pilze setzen dem Wald schwer zu und bedrohen seine Existenz“, sagt der Fachmann.

Forstämter ausgedünnt

Zwischen Baum und Borke sitzen Buchdrucker oder Kupferstecher und sorgen dafür, dass Nadelhöler und inzwischen auch Laubbäume langsam verdursten.
Zwischen Baum und Borke sitzen Buchdrucker oder Kupferstecher und sorgen dafür, dass Nadelhöler und inzwischen auch Laubbäume langsam verdursten. © peter müller/WP

Nicht nur der Wald leide Not. „Wir sind aus personellen Gründen kaum in der Lage, Kontrolle über die Katastrophe zu bekommen. In NRW wurde seit 1995 ein gewaltiger Stellenabbau bei den Förstern betrieben. Die Hälfte der Stellen ist weg. Jetzt bekommen wir die Folgen bitter zu spüren“, beklagt Nikodem, „und wenn wir Silberrücken gehen, kommt der Försternotstand“.

Die Politik habe Einfluss. Als das Waldsterben in den 80ern aufkam, reagierte sie fix mit Waldkalkung und Rauchgas-Entschwefelung. Die Lage entspannte sich.

Nun sei die Politik erneut dringend gefragt. In NRW gibt es 150.000 Waldbesitzer, denen 70 Prozent des Waldes im Bundesland gehören. Für alle Waldbesitzer bahnen sich Verluste an. Der Holzpreis für Fichte, dem Brotbaum der Waldwirtschaft, sackte seit vorigem Jahr um über 50 Prozent auf 40 Euro pro Festmeter. Der vor Generationen für die Nachfahren aufgebaute Wirtschaftswald geht binnen kurzem verloren – und damit manche Altersversorgung.