Balve. Der Präses ist der neue Schützenkönig von Balve. Pfarrer Andreas Schulte konnte sein Glück kaum fassen. Warum es kein Schützenpaar geben wird.
Er hat es darauf angelegt. Gerechnet hat er damit nicht. Um 11.20 Uhr fällt der Vogel. Ein Schuss von Pfarrer Andreas Schulte gibt dem fichtenen Federvieh den Rest. Der Präses der Schützenbruderschaft St. Sebastian guckt so, als habe er eine Erscheinung gehabt, schlägt sich die Hände vors Gesicht, seine Gefühle fahren sichtbar Achterbahn und dann reißt er die Hände in die Luft. Später, vor der Höhle, wird der ehemalige St.-Blasius-Kirchenvorstand Martin Gruschka augenzwinkernd sagen: „Wir sind Schützenkönig.“
Die Chronik eines dramatischen Vormittags. Um 9.30 Uhr ist die Welt noch in Ordnung. Nach und nach versammelt sich halb Balve auf der Hauptstraße. Luftballons vermitteln Partystimmung. Die Luft ist lau, die Sonne scheint mit gebremster Kraft. Beim Schießen werden an der Höhle perfekte Bedingungen herrschen.
Der Tross zieht – Polizist Franz-Josef „Bubi“ Griese im Dienstwagen vorne weg – zur Höhle. „Die Baufirma“, erzählt „Bubi“ Griese (61) bei seiner letzten amtlichen Schützenfest-Tour, „hat sich geweigert, die Bauarbeiten an der Hönnetalstraße ruhen zu lassen. Aber die Bauarbeiter sind kooperativ.“ Schützen und Fans ziehen störungsfrei zur Höhle.
Derweil steht der Verkehr vor der Absperrung an der Höhle. „Die Autofahrer sind noch ganz lieb“, heißt es bei dem Trio, das die Kreuzung sichert. Das ist erstaunlich, weil die Telekom an der Hönnetalstraße in Höhe Helle ebenfalls eine Baustelle aufgemacht hat.
Um 10.10 Uhr gibt der scheidende König Giacomo van Meegen den ersten Schuss ab. Dann folgen Jubelkönig Günter Cordes, der am Vorabend sein 25-jähriges Jubiläum in der Höhle genießen konnte, und Bürgermeister Hubertus Mühling. Die erste Ansage macht Brudermeister Christoph „Keksi“ Rapp gleich mit Schuss Nummer vier: Er holt sich die Krone.
Carl von Croy perforiert den Vogel
Adjudant Lutz Errulat führt Buch. „45 Schützen haben sich angemeldet.“ Wie gewohnt, treten nicht alle an. Am Ende legen
rund 30 Schützen auf den Fichten-Flattermann von Stephan Honert an. Darunter befinden sich ernsthafte Interessenten. Benni Preuß ist einer von ihnen. Tobias Platte sichert sich den linken Flügen. Auch Carl von Croy schießt scharf. Er ist Bundeswehr-Soldat wie der scheidende König. „Er war in Mazar-i-Sharif“, sagt er, „ich war in Kundus.“ Tatsächlich perforiert Carl von Croy den Adler zunächst. Später wird ein großes Stück des Vogelkörpers fallen. Doch das Biest weigert sich standhaft.
Das Schießen geht weiter, Runde um Runde. Immer dabei: Pfarrer Schulte. Die kleiner werdende Bewerberschar um die Königswürde setzt dem Adler weiter zu. Es kracht, es splittert, und manchmal raucht es auch. Doch der Vogel bleibt hängen.
Dann, um 11.20 Uhr, nimmt Pfarrer Schulte das einläufige Schrotgewehr in die Hand, legt an, zielt. Für den Bruchteil einer Sekunde noch bleibt der Adler oben. Dann ergibt er sich seinem Schicksal. Balve hat einen neuen König: Es ist der Präses.
Der 52-Jährige muss sich auf dem Weg von der Vogelstange zum Festplatz fassen. Dann überrollt ihn eine Woge der Sympathie. Händedruck, Schulterklopfen und, vor allem, herzliche Umarmung: Selten ist der Herrscher übers Balver Schützenvolk so herzlich begrüßt worden. Eine der Gratulantinnen: Pfarrer Schultes evangelische Amtsschwester Antje Kastens. Sie überreicht ihm Blumen. Umstehende witzeln: „Sehen wir da die neue Schützenkönigin?“ Pfarrer Schulte winkt ab. Er verzichtet auf weibliche Begleitung. Während das Volk in der Höhle feiert, lässt sich der neue Monarch ins Amt einweisen. Derweil fragen sich die Schützen scherzhaft: „Hat St. Blasius ausgedient? Wird die Höhle zum Felsendom?“