Balve. . Taube Hände? Motorische Probleme durch Parkinson oder Multiple Sklerose? Ergotherapeutin Katharina Görlitz weiß Rat.

Handwerk und Klang, hier die Motorik der Finger, dort die beruhigenden Schwingungen des Metalls. So arbeitet Ergotherapeutin Katharina Görlitz im Campus. Sie will motorische Probleme ihrer Patienten erkennen und beheben.

Ein Teil der Behandlung kann aus handwerklichem Arbeiten bestehen, z B dem Flechten von Körben
Ein Teil der Behandlung kann aus handwerklichem Arbeiten bestehen, z B dem Flechten von Körben © Alexander Lück

Zur Hälfte geflochtene kleine Körbchen, ein Mosaikbild, dem noch ein paar Fliesen fehlen, eine Holzkiste, in der sich dekorativ bestimmt ein paar Frühlingsblumen hervorragend machen, ein Malbuch mit bunten Motiven, aber auch noch ein paar leeren Seiten. In den Regalen Gesellschaftsspiele. Einer der Räume in der Ergotherapiepraxis von Katharina Görlitz (im ersten Obergeschoss des Gesundheitscampus) strotzt nur so vor Kreativität, Handwerk und spielerischer Freude. Aber all das hat einen therapeutischen Hintergrund.

An WP-Reporter Alexander Lück zeigt Katharina Görlitz die Anwendung der therapeutischen Stimmgabel.
An WP-Reporter Alexander Lück zeigt Katharina Görlitz die Anwendung der therapeutischen Stimmgabel. © Alexander Lück

Wenn man das tut, was einem Freude bereitet – spielen oder basteln –, dann kann die Ergotherapeutin motorische Probleme schnell lokalisieren. Und mit all den Gegenständen wird schließlich auch geübt. Gleich ob mit Holz oder Farbe, Pinsel und Laubsäge.

Besonders schön dabei: Am Ende kann man etwas mit nach Hause nehmen. „Das ist eine schöne Belohnung und total positiv für das Selbstbewusstsein.“ Ob als eigenes Andenken an den Genesungsweg oder gar zum Verschenken an die Liebsten. Deshalb sollen einige der noch halb fertigen Bastel- und Werkarbeiten auch möglichst noch bis Ostern fertig werden.

Gesundheitscampus, „WP vor Ort“ Katharina Gäörlitz (Mitte) diskutierte mit.
Gesundheitscampus, „WP vor Ort“ Katharina Gäörlitz (Mitte) diskutierte mit. © Peter Müller

Den Schwierigkeitsgrad kann Katharina Görlitz je nach Fähigkeiten und Einschränkungen ihrer Patienten auswählen. In einer Kiste sind kleine Gegenstände aufbewahrt, die noch weiter in den Bereich der Feinmotorik der Hände gehen: Perlen und Glaskugeln aus den engen Kammer herausnehmen, Korken stapeln, einen Stift in einer Hand zwischen den Fingern drehen: Für viele Menschen sind das Herausforderungen.

Katharina Görlitz erklärt das Prinzip der Patientenorientierung: „Es geht mir darum: Was möchte er wieder besser können? Der eine möchte ohne Beschwerden wieder schreiben und die geliebten Kreuzworträtsel lösen können. Ein anderer wieder gut fühlen mit seinen Händen. Wieder ein anderer vermisst es, sein Blasinstrument zu spielen.“

Ob nach Schlaganfällen, mit Parkinson, Multipler Sklerose oder Sensibilitätsstörungen in den Finger (Kribbeln oder Taubheit als Folge von Operationen): Die „Baustellen“, mit denen man als Patient in die Praxis kommt, sind vielfältig. Der Patient legt die Prioritäten fest. Therapie und Diagnostik erfolgen am besten spielerisch und mit viel Freude. Ob, wie beschrieben, beim Handwerken oder beim Austoben an der Kletterwand, auf Matten oder mit den großen Pezzibällen.

Katharina Görlitz im Adventsmodus
Katharina Görlitz im Adventsmodus © Jürgen Overkott

Das funktioniert nicht nur bei den ganz jungen, sondern auch den etwas älteren Patienten. „Es kann ja ganz unangenehm, wenn man seine motorischen Defizite wie in einer Testsituation offen legen muss. So ist es viel angenehmer“, weiß Görlitz.

Sie fand den Weg in den Beruf auch über ihre eigene Krankheitsgeschichte. Als Kind litt sie unter Neurodermitis. „Damals kannte man nur Cortison als Behandlungsmöglichkeit“, blickt sie auf die Zeit Ende der 60er Jahre zurück. „Ich weiß also wie es ist, wenn einem niemand wirklich helfen kann.“ Ihre eigene Behandlungsgeschichte führte zur Naturheilkunde und Homöopathie, Psychosomatik wurde dann auch später in der Ausbildung und im Beruf als Ergotherapeutin ein Steckenpferd.

„Praxis für Körper und Seele“ hat Katharina Görlitz ganz bewusst unter ihren Namen geschrieben. „Es gehört beides zusammen. Menschen kommen mit Depressionen und drohendem Burn Out zu mir. Und ich möchte ihnen Wege aufzeigen, dass sie wieder strahlen können.“

Merike Jürgens (links) und Katharina Görlitz mit Computer, auf dem die Herfreuquenz und der Stress gemessen werden können
Merike Jürgens (links) und Katharina Görlitz mit Computer, auf dem die Herfreuquenz und der Stress gemessen werden können © Svea Scholz

Obendrein arbeitet Katharina Görlitz mit therapeutischen Stimmgabeln – Steckenpferd und Alleinstellungsmerkmal zugleich. So können zwei angeschlagene mit dem durchweg harmonischen Klang eines Quint-Intervalls zur Beruhigung am Beginn einer Behandlung einladen. Andere Stimmgabeln widerum erzeugen Schwingungen durch das vibrierende Metall. Sie werden an verschiedenen Stellen auf den Körper gesetzt, an Hüfte, Knie oder Schulter, vorwiegend da, wo es knöchern ist. „Das entschleunigt, entspannt und harmonisiert den Körper wirklich bis in die Zellen.“

Bei alledem ist das Reden mit dem Patienten ein wichtiger Bestandteil. Katharina Görlitz, die im hohen Norden Deutschlands aufwuchs und nun in Sundern Zuhause ist, eröffnete vor drei Jahren ihre Praxis auf dem Gesundheitscampus. Eigene Ideen umsetzen, den Menschen so helfen können, wie diese es brauchen, das erfüllt sie. Und ist hier am Standort sei das optimal möglich, erzählt Görlitz. „Einerseits bin ich hier für mich, aber auch nicht allein. Die Netzwerke zu den anderen Menschen sind ganz toll.“ Mit Merike Jürgens beschäftigt sie eine weitere Ergotherapeutin. „Eine ganz tolle Mitarbeiterin und Unterstützung.“

In Kürze fängt auch eine unterstützende Kraft für Büro und Abrechnungen an. Vertrauensverhältnisse im Team wie zu den Patienten sind das A und O und werden von beiden Seiten sehr geschätzt. Wenn sich Katharina Görlitz mit der Gesundheitspolitik beschäftigt, dann ist ihre Forderung ganz klar: „Dass man in dem Beruf während der Ausbildung nicht entlohnt wird und sogar Schulgeld zahlen muss, kann eigentlich überhaupt nicht sein.“ Dass man manch interessiertem jungen Menschen den Weg in den Beruf verleidet, kann sie deshalb verstehen. Und dabei ist der Bedarf, nicht nur in Balve, eigentlich sehr groß. Auch Katharina Görlitz würde ihre Praxis eigentlich gerne personell aufstocken.

>> INFO: TAGESGESCHÄFT UND SPEZIALISIERUNG

Katharina Görlitz im Gesundheits-Campus Sauerland
Katharina Görlitz im Gesundheits-Campus Sauerland © Marcus Bottin

Katharina Görlitz und Merike Jürgens haben Schwerpunkte ihrer Tätigkeit entwickelt, ohne dass sie sich in der täglichen Therapiearbeit ausschließlich darauf beschränken.

Bei Katharina Görlitz stehen ganzheitliche Behandlung bei psychischen Krisen, Schmerzen und die Behandlung von Kindern im Vordergrund.

Merike Jürgens hat sich spezialisiert auf Multiple Sklerose, Parkinson, Schlaganfall und Alterserkrankungen sowie Sensibilitätsstörungen.