Balve. . Liebe auf den ersten Blick sieht anders aus – und selbst beim zweiten Hinsehen blieben bei Cay Schmidt die ganz großen Gefühle aus.

Wenn Cay Schmidt an seine erste Zeit im Hönnetal denkt, muss er zugeben: „Balve und ich haben uns aneinander gewöhnt – und das gilt in beide Richtungen.“ Mehr als zwei Jahrzehnte ist es her, dass Cay Schmidt seiner Frau Sigrid in deren Heimatstadt folgte. Man darf doch wohl annehmen, dass er es kaum so lange in Balve ausgehalten hätte, wenn ihm die Stadt und deren Menschen nicht gefallen würden, oder? Der 58-Jährige denkt kurz nach, dann nickt er lächelnd. „Doch, Balve hat schon einiges zu bieten.“

Wurzeln im landläufigen Sinne hat Cay Schmidt nicht. „Ich bin ein Europäer, der zufällig in Deutschland geboren wurde“, charakterisiert er sich selbst. Auch Heimat ist für ihn schwer zu fassen: „Den Begriff Heimat kann ich nicht besetzen. Durch meine häufigen Ortswechsel habe ich nie das Gefühl entwickelt, irgendwo beheimatet zu sein. Mir gefällt es hier. Ich lebe hier gerne und ich fühle mich auch zugehörig, aber den Begriff Heimat würde ich nicht bemühen.“

Erfahrungslücke

Mit dieser Erfahrungslücke kann Cay Schmidt sehr gut leben. Er habe halt schon als Kind und Jugendlicher in vielen Städten gelebt. Bindungen, die andere Menschen aufbauen, die von klein auf an einem Ort aufwachsen, besitzt Cay Schmidt nicht. Geschadet habe ihm das aber nicht, ist er sicher. Im Gegenteil: „Dadurch ist es mir leichter gefallen, mich auf neue Menschen und neue Lebensumstände einzulassen. Allerdings war es nicht immer einfach, neue Freunde zu finden.“

Irgendwann in den 90er-Jahren wuchs bei den Schmidts der Wunsch, raus aus der Dortmunder Innenstadt zu ziehen. Etwas mehr Ruhe, mehr Natur, mehr Lebensqualität. Doch im zunächst avisierten Speckgürtel rund um Dortmund war adäquater Wohnraum kaum zu bezahlen. Da bot sich die Möglichkeit an, das Haus der Schwiegereltern in Balve umzubauen. Ob der Ortswechsel von der Großstadt aufs Land nicht etwas drastisch gewesen sei? Cay Schmidt schüttelt den Kopf: „Kein Problem. Ich habe in meiner Jugend sechs Jahre in einem 500-Seelen-Dorf gelebt. Nominell ist Balve zwar eine Stadt, aber eigentlich doch auch ein Dorf. Das passt schon.“

Anderer Charakter

Ganz einfach war es dann doch nicht. „Im Ruhrgebiet haben die Menschen einen anderen Charakter, eine andere Offenheit. Ich musste lernen, dass die Menschen hier anders ticken. Anfangs hatte ich den Eindruck, dass es gar nicht so einfach für Zugezogene ist, hier Zugang zu finden“, erzählt der 58-Jährige. „Balve ist sehr stark geprägt durch das Schützenwesen und seine katholische Geschichte. Ich bin weder katholisch noch bin ich in einer Gegend aufgewachsen, wo es ein Schützenwesen gibt.“

Dass die heimischen Bruderschaften Neubürger gerne auch ohne jegliche Vorkenntnisse in ihren Reihen begrüßen, ist Cay Schmidt durchaus bewusst, einen Schützenhut besitzt er aber auch nach 20 Jahren nicht. „Mir ist mehrfach angetragen worden, doch Mitglied zu werden, aber ich habe es stets dankend abgelehnt. Ich habe gesagt, ich fühle mich sehr geehrt, aber danke nein“, erzählt er und bekundet durchaus Sympathie für die Tradition. „Das Schützenwesen ist total wichtig aus der Geschichte heraus und auch der Funktion wegen, aber für mich ist das nichts.“

Positive Seiten

Cay Schmidt genießt die positiven Seiten Balves: das Lebensumfeld, die schöne Landschaft. „Für mich ist Balve eine hübsche Stadt, in der man zu bezahlbaren Preisen gut wohnen kann. Ich habe den Eindruck, hier ist die Welt noch deutlich mehr in Ordnung als anderswo.“ Also wunschlos glücklich? „Nee, eine bessere Autobahnanbindung wäre schon klasse.“

Gemeinsam mit seiner Frau Sigrid, die die Welt unter Wasser sehr liebt, betreibt er einen Tauchladen in der Innenstadt. „Ich darf aus gesundheitlichen Gründen nicht tauchen. Nichtsdestotrotz habe ich eine starke Affinität dazu. Und da das in unseren gemeinsamen Leben eine wichtige Rolle spielt, habe ich mich dem Tauchen angenähert“, erklärt Cay Schmidt. Er ist ausgebildet, um Atemregler und Equipment zu revisionieren, und berät Kunden in technischen Dingen. „Das geht auch, wenn man selber nicht taucht. Es gibt erfolgreiche Fußballtrainer, die nie Fußball gespielt haben“, lächelt der 58-Jährige.

Mehr als ein Hobby

Als Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion im Rat der Stadt Balve engagiert sich Cay Schmidt stark für seinen Wohnort. Freie Zeit ist rar, die Frage nach Hobbys entsprechend schnell beantwortet. „Wenn überhaupt, dann Musik hören. Aber eigentlich habe ich keine Zeit für Hobbys“, lächelt er. „Kommunalpolitik möchte ich nicht als Hobby bezeichnen. Es nimmt einen großen Teil meiner freien Zeit ein, aber ein Hobby ist das nicht. Es ist viel mehr.“