Balve. . Mia Waltermann – sie ist weit über die Stadt hinaus bekannt. Ihre Pension lädt ein zu einer Zeitreise. Sie selbst strahlt Herzenswärme aus.

Es gibt selbstgemachte Waffelhörnchen, serviert auf einem kleinen Silbertablett. Frische Blumen stehen auf dem Tisch, der von einer gestärkten, weißen Tischdecke aus Damast bedeckt ist. Rundherum Stühle aus den 50er Jahren, die aber aussehen wie neu, so gut gepflegt sind sie. Es ist noch die erste Bestuhlung, aus der Zeit, als die Pension in der Balver St.-Johannes-Straße gebaut wurde. Aus der Küche kommt wie immer flotten Schrittes die Betreiberin Maria Waltermann gelaufen, die noch etwas zu trinken bringt. „Einen guten Appetit“, wünscht sie mit warmer Stimme und zupft an ihrer Strickjacke, über der sie oftmals noch eine weiße Stoffschürze trägt – vermutlich ebenfalls aus der Zeit der Stühle.

Eine Zeitreise

Eine Reise in die Vergangenheit ist es schon, wenn man einkehrt in der Pension Waltermann. Man fühlt sich gleich geborgen und entschleunigt, und das liegt vor allem an der herzlichen und fürsorglichen Art mit der Maria Waltermann seit 70 Jahren ihr Haus führt und für die sie auch weit über Balves Grenzen hinaus bekannt und beliebt ist.

Dabei widerstrebt der gelernten Hauswirtschafterin kaum etwas so sehr wie Öffentlichkeit, Aufmerksamkeit und das im Mittelpunktstehen. Sie war eigentlich strikt dagegen, mit einem Portrait in der Zeitung zu erscheinen. „Schon gar nicht als starke Frau, also das bin ich nun überhaupt nicht“, sagt sie. „Bescheidenheit, das haben wir gelernt, und das soll auch so bleiben.“ Wie ist es nun also doch gelungen, dass heute hier ihre Geschichte zu lesen ist?

90. Geburtstag

Nun, man könnte sagen, dass die Balver selbst dafür gesorgt haben, das scheue Reh aus der Reserve zu locken und zwar mit ihren Glückwünschen, Briefen, Geschenken und Besuchen anlässlich des 90. Geburtstags von „Mia“. Der ist nämlich erst wenige Wochen her – und die Anteilnahme ihrer Verwandten, Freunde und Bekannten war überwältigend. „Ich möchte mich gerne bei allen herzlich bedanken, und das geht auf diesem Wege sehr gut“, findet die Jubilarin, die hofft, so alle Gratulanten zu erreichen. Gern würde sie jedem persönlich antworten, aber hundert Danksagungen zu schreiben, dafür hat die Pensionsbetreiberin mit ihrer 60-Stunden-Woche wirklich keine Zeit.

Tatendrang und Freude

Ihren unbändigen Tatendrang und die Freude an der Arbeit mit Gästen und der Pension hat Mia Waltermann womöglich von ihrer Mutter Josefa übernommen. „Sie war für mich eine starke Frau. Vor ihr habe ich Hochachtung, denn sie war unheimlich tüchtig und hat uns vier Kinder früh ganz alleine versorgt“, betont die Hönnestädterin, die außerdem auch Bewunderung für die Bundeskanzlerin Angela Merkel empfindet. Ihr Vater Josef hatte direkt neben der heutigen Pension eine Viehhandlung, ist aber bereits Ende der 40er Jahre, recht früh, verstorben. „Mein Bruder hat das Geschäft meines Vaters bekommen und ich habe mit meiner Mutter die Pension geführt.“ Ihr anderer Bruder und die jüngere Schwester gingen studieren und wurden Lehrer.

Illustre Gäste

Für Mia Waltermann die richtige Fügung: „Ich brauche den Kontakt mit meinen Gästen. Alle Schichten, jedes Alter, von überall her. Ich würde wirklich nichts anderes machen wollen“, sagt sie und ihre freundlichen, blauen Augen leuchten. Illustre Gäste hat die Balverin schon reichlich beherbergt: Musiker, Würdenträger und auch die Welt- und Europameisterin im Springreiten, Meredith Michaels-Beerbaum, zum Beispiel.

Wenn Mia Waltermann erzählt, dann wirkt alles ganz einfach. Sogar ihre Kindheit, im Nazi-Deutschland und während des zweiten Weltkrieges. „Hier gegenüber war ja die Schule“, sagt sie und macht eine Handbewegung Richtung Fenster. Im Großen und Ganzen sind wir hier in Balve ganz gut weggekommen“, erinnert sie sich. Als Viehkaufmann hielt ihr Vater immer viele Tiere. Kühe, Schweine, Perlhühner. „So haben wir nie Hunger gelitten und konnten anderen helfen.“

Verlobter stirbt mit 27

Aber es gab auch viel Arbeit und alle Kinder mussten helfen, erst recht, nachdem der Vater gestorben war. Und nur wenige Jahre später musste Mia Waltermann sich wieder von einem geliebten Mann verabschieden. „Mein Verlobter ist mit 27 Jahren an Krebs gestorben. Und danach habe ich mein Leben dann ganz der Pension gewidmet“, erinnert sie sich. Kraft und Halt gab ihr damals wie heute ihr tiefer Glauben, ohne den es schwieriger wäre, sich während eines langen Lebens von so vielen Freunden verabschieden zu müssen.

Urlaub in Würzburg

„Mir könnte einer ein Schloss schenken, von Balve würde ich nie weggehen. Es ist meine Heimat.“ Was nicht heißt, dass sie nicht gern auch mal verreist. So wie vor zwei Wochen. „Da habe ich mir mal ein paar Tage Urlaub genommen und bin nach Würzburg gefahren und habe mir die vielen schönen Kirchen angesehen.“

Ob sie dort wohl ein kleines Gebet nach oben geschickt hat, dass es mit ihrer Pension auch die nächsten 70 Jahre weitergehen möge? „Das wäre natürlich schön“,sagt Mia Waltermann und gibt den Balvern ein Versprechen, das viele erleichtert aufatmen lassen wird: „So lange mich der Herrgott gesund lässt, mache ich das hier weiter.“